15.12.2010

Von Solarenergie und Stellplatzablöse

Hessen novelliert die Landesbauordnung

Von Solarenergie und Stellplatzablöse

Hessen novelliert die Landesbauordnung

Das Ende der Stellplatzablöse freut vor allem die Investoren. | © Felix Horstmann - Fotolia
Das Ende der Stellplatzablöse freut vor allem die Investoren. | © Felix Horstmann - Fotolia

Die Geltung der Hessischen Bauordnung war bis zum 31.12.2010 begrenzt. Im Juni 2010 hat die Landesregierung ihren Entwurf zur Änderung der Hessischen Bauordnung und des Hessischen Energiegesetzes vorgelegt. Das Gesetz wurde am 02.12.2010 verkündet. Die Änderungen sind am 03.12.2010 in Kraft getreten. Sie sollen der Verfahrensbeschleunigung und Deregulierung dienen. Die Novelle enthält Neuerungen, die aus Sicht der Kommunen von Bedeutung sind. Es gibt aber auch Änderungen, die vorrangig für Bauherren, planende Architekten und die Bauverwaltungen relevant sind. Der Kern der Neufassung betrifft zwei in breiter Öffentlichkeit erörterte Themenkomplexe: Die Stellplatzablöse und das Recht zum Erlass von sog. „Klimaschutzsatzungen“. Beide Themen sind in den vergangenen Jahren zwischen Bauherren, Investoren, Kommunen und Behörden heftig diskutiert worden.

Keine Stellplatzablöse mehr

So wird es nach der neuen HBO künftig nicht mehr möglich sein, Ablösebeiträge für Pkw-Stellplätze zu verlangen, die der Bauherr nicht herstellen darf, weil die Kommune dies durch Satzung untersagt. Zwar wurde in Hessen von einer solchen Stellplatzeinschränkungsablöse tatsächlich nur wenig Gebrauch gemacht; das Frankfurter Beispiel war bundesweit unter den Großstädten einzigartig. Trotzdem oder gerade deshalb ist die Möglichkeit der Kommunen, einerseits im Wege von Stellplatzsatzungen die Herstellung von Stellplätzen zu verlangen und andererseits deren Herstellung wiederum durch Stellplatzeinschränkungssatzungen zu unterbinden und zugleich den Bauherrn zur kostenpflichtigen Ablöse dieser Stellplätze zu verpflichten, heftig kritisiert worden. Die Stellplatzablöse ist aus Investorensicht – gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – eine erhebliche finanzielle Hürde. Kritisch wurde die Abgabe vor allem für kleine und mittlere Bauvorhaben und bei Nutzungsänderungen von Immobilien gesehen. Hier stieß die Rentierlichkeit häufig schnell an Grenzen, was zu negativen Investitionsentscheidungen führte. Bekanntlich haben Projektentwickler derzeit ohnehin Schwierigkeiten, ihre Vorhaben zu finanzieren. Aus Sicht von Kommunen galt die Stellplatzeinschränkungssatzung jedoch als rechtssichere und transparente Vorgabe für Investoren, der zudem eine Funktion als verkehrspolitisches Steuerungsinstrument zukam. Insbesondere die Stadt Frankfurt am Main hat sich vehement für die Beibehaltung der Stellplatzablöse eingesetzt und hierbei ihr kommunales Selbstverwaltungsrecht betont.

Klimaschutzsatzungen

Zu ähnlichen Diskussionen führte die bisherige Regelung der Hessischen Bauordnung über das Energiesatzungsrecht. Das Gießener Verwaltungsgericht hatte im Mai 2010 in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass die Hessische Bauordnung zwar eine zutreffende Grundlage für eine kommunale Energiesatzung sei. Diskussionen wurden jedoch von der sogenannten „Marburger Solarsatzung“ ausgelöst, welche das Verwaltungsgericht Gießen in der Entscheidung für unwirksam erklärt hatte. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Stadt Marburg die Problematik überreguliert, indem sie in ihre Satzung extrem strenge Regelungen zur Solarthermiepflicht für Neubauten aufgenommen hatte. Es wurden auch Zweifel laut, ob die durch die Satzung normierten Verpflichtungen überhaupt der rationellen Verwendung von Energie dienten. In der Öffentlichkeit wurde es zudem als unzumutbar angesehen, dass die Solarsatzung auch bei Gebäudeerweiterungen und Dachneubauten sowie bei grundlegenden Dachrenovierungen die Pflicht vorsehen sollte, solarthermische Anlagen zu installieren. Künftig haben die Kommunen nicht mehr das Recht, mittels Bebauungsplan in bestimmten Ortsteilen die Nutzung von umweltbelastenden Brennstoffen zu verbieten oder die Verwendung klimafreundlicher Energiearten vorzuschreiben.


Materielle Änderungen

Aus Sicht der Techniker und Bauingenieure in den Bauverwaltungen, aber auch aus Sicht der planenden Architekten sieht die HBO-Novelle neben Bestimmungen zur Qualifizierung von privaten Nachweisberechtigten und Sachverständigen eine Reihe von materiellen Änderungen vor, die sich sicherlich bereits nach kurzer Zeit als praxisrelevant herausstellen werden. So wurde eine geänderte Berechnungsgrundlage für die Berechnung der Vollgeschossigkeit (Tragkonstruktion statt Dachhaut) eingeführt, was die Wärmedämmung von Dachgeschossen erleichtern dürfte. Zudem wurden neue Bemessungszahlen für die Sonderbaugrenzen bei Schank- und Speisegaststätten eingeführt.

Änderungen des Abstandsflächenrechts

Änderungen enthält die Novelle auch im Abstandsflächenrecht. Hier erfolgten Klarstellungen bzw. Änderungen bezüglich der Abstandsflächen bei untergeordneten Bauteilen, zum Beispiel Balkonen. Zudem hat der Landesgesetzgeber die Auflistung von baulichen Anlagen, von denen keine Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen (Abfalleinrichtungen, Aufschüttungen, Freisitze und Terrassen), geändert. Änderungen finden sich in der Novelle auch für Anforderungen an die Errichtung von baulichen Anlagen, die ohne Abstandsflächen an den Nachbargrenzen zulässig sind (Grenzgaragen).

Geänderte Zuständigkeiten beim Brandschutz

Was den Brandschutz angeht, sieht die HBO-Novelle eine geänderte Verteilung von Zuständigkeiten vor. Hinsichtlich der Verpflichtung von Eigentümern vorhandener Wohnungen, diese mit Rauchwarnmeldern auszustatten, obliegt die Sicherstellung der Kontrolle und Wartung von Rauchwarnmeldern in vermieteten Wohnungen den unmittelbaren Besitzern. Ebenfalls in den Bereich des Brandschutzes gehört eine Neuregelung zur Errichtung von Kellergeschossen. Jedes Kellergeschoss muss mindestens eine Öffnung ins Freie haben, um eine Rauchableitung zu ermöglichen.

Verfahrensrechtliche Neuerungen

In verfahrensrechtlicher Hinsicht gibt es ebenfalls mehrere Neuerungen: Die Gesetzesnovelle eröffnet erstmals die Möglichkeit, im Zusammenhang mit Grundstücksteilungen bei Abweichungen von öffentlich-rechtlichen Vorschriften kein eigenständiges Genehmigungsverfahren mehr durchführen zu müssen, sondern ein isoliertes Abweichungsverfahren einzuleiten. Auch für genehmigungsfreigestellte Verfahren existiert eine Neuerung, die sich an den Bauherrn richtet. Dieser kann jetzt zeitlich unbegrenzt die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens verlangen; ebenso kann er dies für Vorhaben beanspruchen, die dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren unterfallen. Dieses Wahlrecht war zuvor zeitlich befristet. Die Genehmigungsfreistellung und das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren sind in ihrem Anwendungsbereich zudem stark erweitert worden. Künftig ist nur noch für Hochhäuser, große Bürogebäude, Hallen und sonstige Sonderbauten eine umfassende bauaufsichtliche Prüfung erforderlich; ansonsten genügt ein vereinfachtes Verfahren. Schließlich sieht die HBO-Novelle eine Vereinfachung für Vorhaben in öffentlicher Trägerschaft vor. Diese bedürfen keiner Baugenehmigung, wenn die Leitung der Entwurfsarbeiten einer Baudienststelle des Bundes oder Landes übertragen ist, welche mit entsprechender Fachkompetenz besetzt ist. Wird ein solches Vorhaben zudem fachlich kompetent überwacht, ist weder eine behördliche Bauüberwachung noch eine Bauzustandsbesichtigung erforderlich.

Fazit

Alles in allem bleibt abzuwarten, ob die HBO-Novelle 2011 tatsächlich Impulse auch für die Landesbauordnungen anderer Bundesländer geben wird und nochmals zur Verwaltungsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beiträgt, wie dies bereits 2002 mit der damaligen Reform der Landesbauordnung der Fall war.

 

Prof. Dr. Stefan Pützenbacher, Notar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Kanzlei Kapellmann und Partner, Frankfurt am Main; Honorarprofessor für Baurecht an der Frankfurt University of Applied Sciences
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