15.12.2010

Umweltbewusste Fahrzeugbeschaffung

Europäische Vorgaben für die öffentliche Hand

Umweltbewusste Fahrzeugbeschaffung

Europäische Vorgaben für die öffentliche Hand

Bei der Fahrzeugbeschaffung sind die 
Energie- und Umweltauswirkungen zu berücksichtigen. | © arsdigital.de - Fotolia
Bei der Fahrzeugbeschaffung sind die Energie- und Umweltauswirkungen zu berücksichtigen. | © arsdigital.de - Fotolia

Mit der Richtlinie 2009/33/EG hat der europäische Gesetzgeber den Rechtsrahmen für die Beschaffung von Straßenfahrzeugen enger gezogen. Die Vorgaben dieser Richtlinie waren bis zum 04.12.2010 in nationales Recht umzusetzen. Die Umsetzungsfrist hat der deutsche Gesetzgeber verstreichen lassen. Öffentliche Beschaffer sind gleichwohl gut beraten, die neuen Vorgaben schon heute zu beachten.

Ruf nach einer neuen Mobilität

Lebhaft wird zurzeit über neue Mobilitätskonzepte und die mit ihnen assoziierten Chancen, aber auch Risiken diskutiert. Immer wahrnehmbarer drängen dabei Straßenfahrzeuge in den Fokus, deren Motoren sich zumindest nicht mehr ausschließlich aus fossilen Brennstoffen speisen. Diesen Trend bildet nicht zuletzt auch das von der Bundesregierung ausgegebene Energiekonzept 2010 ab.

Im Moment sehen sich Politik und Industrie freilich noch der vornehmlichen Herausforderung gegenüber, die Marktakzeptanz neuer Antriebstechniken zu stärken. Wohl mag die erkennbar zunehmende Sensibilität für ökologische Themen innerhalb der Gesellschaft dazu beitragen, Vorbehalte abzubauen. Nachvollziehbare Skepsis nährt sich jedoch aus der eingeschränkten Reichweite von Fahrzeugen, die ohne fossile Brennstoffe auskommen, sowie den infrastrukturellen Rahmenbedingungen, die den vereinzelt bereits proklamierten Paradigmenwechsel allenfalls in Ansätzen reflektieren. Hinzu kommt – und hierin liegt wenig überraschend ein maßgebliches Entwicklungshemmnis –, dass „grüne“ Kfz zumindest in der Anschaffung (noch) vergleichsweise teuer sind.


Zur Lösung dieses – gemeinschaftsweiten – Problems hat der europäische Gesetzgeber die Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge erlassen. Das Regelwerk bekennt sich ausdrücklich zu dem Ziel, den Markt für saubere, energieeffiziente Fahrzeuge zu beleben und den Beitrag des Verkehrssektors zur Umwelt-, Klima- und Energiepolitik der Europäischen Union auf diesem Wege zu verbessern. Dabei ist das Dokument Ausdruck einer zweigleisigen Strategie: Es geht nicht nur darum, alternativen Antriebstechniken zum Durchbruch zu verhelfen. Vielmehr soll darüber hinaus ein zusätzlicher Anreiz gesetzt werden, herkömmliche Motoren ökologisch zu optimieren.

Anwendungsbereich der Richtlinie

Der entscheidende Impuls hin zu saubereren und energieeffizienteren Fahrzeugen soll nach der Grundkonzeption der Richtlinie von den öffentlichen Beschaffungsmärkten ausgehen. Das Regelwerk verpflichtet die öffentliche Hand – und dies ist zugleich Kernaussage und Besonderheit der Richtlinie – grundsätzlich, bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen ab einem Auftragswert von in der Regel 193 000 Euro, deren Energie- und Umweltauswirkungen zu berücksichtigen. Der Normtext macht eine bislang für die Vergabestellen bestehende Option für einen Teilbereich des öffentlichen Beschaffungswesens also zur verbindlichen Vorgabe und verengt auf diese Weise zugleich die Gestaltungsspielräume der Vergabestellen.

In personaler Hinsicht erfasst diese Verpflichtung all diejenigen Auftraggeber, die dem GWB-Vergaberecht unterliegen. Neben Gebietskörperschaften, kommunalen Zweckverbänden, öffentlichen Unternehmen etc. sind dies insbesondere also auch die sogenannten Sektorenauftraggeber. Explizit bezieht die Richtlinie zudem Betreiber öffentlicher Personenverkehrsdienste gemäß der EG-Verordnung 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße in ihren Anwendungsbereich ein. In sachlicher Hinsicht gilt die Richtlinie ausschließlich für die Beschaffung von Straßenverkehrsfahrzeugen. Hierunter fallen neben Pkw auch Nutzfahrzeuge und Busse. Insoweit beansprucht die Richtlinie grundsätzlich umfassende Geltung.

Ausdrücklich erfasst die Richtlinie nur die Beschaffungsform des Kaufs. Das endgültige Regelungswerk weicht damit von den im Normgebungsverfahren kursierenden Texten insoweit ab, als diese noch allgemein von „Beschaffung“ sprachen. Jedenfalls die Miete, wohl aber auch das Leasing von Straßenfahrzeugen sind damit nicht Bestandteil des Regulierungsgegenstands.

Handlungsoptionen nach der Richtlinie

Der Normbefehl, den die Richtlinie ausspricht, ist zunächst einmal recht allgemein gehalten: Die Mitgliedsstaaten haben sicherzustellen, dass Energie- und Umweltauswirkungen im Rahmen der erfassten Fahrzeugbeschaffungen Berücksichtigung finden. Zwingend einzubeziehen sind insofern neben dem Energieverbrauch der Ausstoß von CO2, Stickoxiden, Nichtmethan-Kohlenwasserstoffen und Partikeln. Bezugspunkt der geforderten Betrachtung ist dabei die Lebensdauer des jeweiligen Fahrzeugs. Eine umfassende Analyse der Ökobilanz eines Kfz „von der Wiege bis zur Bahre“ verlangt die Richtlinie indessen nicht. Allerdings soll es den Vergabestellen gestattet sein, den bezeichneten „Mindestkanon“ um weitere Umweltauswirkungen zu ergänzen. Beispielsweise kann es sich anbieten, Lärmemissionen Bedeutung für die Vergabeentscheidung zuzusprechen.

Für die Umsetzung der Berücksichtigungspflicht belässt die Richtlinie den Mitgliedsstaaten bzw. den erfassten Auftraggebern freilich nur zwei Optionen: Zunächst können die Vergabestellen technische Spezifikationen für die Energie- und Umweltleistung der nachgefragten Fahrzeuge in den Vergabeunterlagen festlegen. Ein Angebot, das den sich daraus ergebenden Mindestanforderungen nicht vollumfänglich genügt, ist dann von vornherein nicht zuschlagsfähig.

Alternativ, aber auch darüber hinaus, können die Vergabestellen den Energie- und Umweltauswirkungen der zu beschaffenden Fahrzeuge in Form von Zuschlagskriterien Relevanz für die Kaufentscheidung zukommen lassen. Für den Fall, dass die betreffenden Effekte im Rahmen der Zuschlagsentscheidung finanziell bewertet werden sollen, legt die Richtlinie sogar eine konkrete Berechnungsmethode fest. Die Aufgabe, die insoweit ebenfalls vorgegebenen Eckdaten an die Inflation und den technischen Fortschritt anzupassen, liegt gemäß dem Normtext bei der Europäischen Kommission.

Umsetzungsstatus und unmittelbare Anwendbarkeit

Die Richtlinie war bis zum 04.12.2010 in nationales Recht umzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber ist diesem Auftrag bislang noch nicht nachgekommen. Auch lag bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch kein offizieller Umsetzungsentwurf vor. Aller Voraussicht nach werden die erforderlichen Anpassungen des nationalen Vergaberechts – diese dürften sich vor allem in der Vergabe- sowie der Sektorenverordnung abspielen – im Laufe der ersten Hälfte des kommenden Jahres ihren Abschluss finden.

Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Richtlinie 2009/33/EG bzw. die in ihr enthaltene Verpflichtung zur Berücksichtigung von Umweltkriterien bei öffentlichen Fahrzeugbeschaffungen unmittelbar anwendbar ist, also auch schon vor ihrer Umsetzung innerstaatliche Geltung beansprucht. Das liegt vor allem an der auffällig hohen Regelungsdichte, die den Normtext kennzeichnet. Wie gezeigt, legt die Richtlinie nicht nur den Kreis der Handlungspflichtigen, die zwingend von den Vergabestellen zu berücksichtigenden Energie- und Umweltauswirkungen sowie die insoweit bestehenden Handlungsoptionen fest. Vielmehr definiert sie auch die Methode für die finanzielle Bewertung der betreffenden „Öko-Effekte“. Damit geht der Normtext in seiner inhaltlichen Tiefe weit über die Vorgaben des GWB-Vergaberechts hinaus.

Zumindest auf Sicherheit bedachte Vergabestellen sollten daher schon heute darauf achten, den Kauf von Straßenfahrzeugen getreu den Vorgaben der Richtlinie zu gestalten. In jedem Fall steht das deutsche Vergaberecht in seiner aktuellen Fassung einer „richtlinienkonformen“ Fahrzeugbeschaffung nicht entgegen.

Neuerdings können Interessenten unter www.cleanvehicle.eu die gemäß der Richtlinie ermittelten Gesamtkosten einzelner Fahrzeugtypen einander gegenüberstellen.

 

Christian Alexander Mayer

Rechtsanwalt, Noerr LLP, München,
Lehrbeauftragter für Umweltrecht & Regulierung (Universität Stuttgart)
 

Dr. Jan-Oliver Schrotz

LL.M. Rechtsanwalt, Noerr LLP, München
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