15.12.2010

Effizient, kompakt und kostensicher

Paketvergabe mit Lebenszyklusansatz für Planung, Bau und Betrieb

Effizient, kompakt und kostensicher

Paketvergabe mit Lebenszyklusansatz für Planung, Bau und Betrieb

Paketvergabe: öffentliches Bauen aus einer Hand. | © Marc Dietrich - Fotolia
Paketvergabe: öffentliches Bauen aus einer Hand. | © Marc Dietrich - Fotolia

Der Wunsch der öffentlichen Hand bei der Beschaffung lässt sich zumeist auf drei wesentliche Kernaussagen reduzieren: Es soll schnell gehen, möglichst günstig werden und eine hohe Qualität erreichen. Um diese Ziele zu verwirklichen, muss der Auftraggeber bereits vor Beginn des Vergabeverfahrens ansetzen. Durch eine sogenannte Paketvergabe werden die Leistungen, wie Planung, Bau und Betrieb nicht in mehreren Einzelwettbewerben vergeben, sondern in einem einzigen Vergabeverfahren. Kombiniert mit dem Lebenszyklusansatz kann der öffentliche Auftraggeber so zeitsparend und kostensicher seine Projekte umsetzen.

Kommunale Vorhaben, wie beispielsweise der Bau von Schulen, Schwimmbädern oder Kindergärten, stellen die öffentliche Hand im Hinblick auf Budgetplanung und spätere Unterhaltskosten vor große Herausforderungen. Die konventionelle Umsetzung läuft meist so ab: Der öffentliche Auftraggeber vergibt zunächst die Planungsleistungen. Nach diesem ersten Wettbewerb muss er danach ein weiteres Vergabeverfahren für die Bauleistungen, eventuell sogar noch nach Gewerken getrennt, durchführen.

In diesem langwierigen Prozess wird oftmals schon der Grundstein für die spätere Kostenexplosion gelegt. Denn während der ambitionierte Architekt häufig Eindrucksvolles plant und die Kosten zu niedrig schätzt, erlebt der künftige Bauherr bereits vor Baubeginn sein böses Erwachen. Die gewünschten Bauleistungen übersteigen das eingeplante Budget deutlich. Zudem bieten die Bauunternehmen oftmals nicht die gebotene Bauqualität an. Das Gesamtergebnis ist folglich bereits vor Baubeginn ernüchternd: Die Vergabeverfahren haben viel Zeit in Anspruch genommen und das Angebot des Bestbieters ist unbefriedigend. Die wirklichen Probleme bekommt der öffentliche Auftraggeber aber erst noch im Laufe der Realisierung des Projektes zu spüren. Denn wenn mehrere Auftragnehmer für unterschiedliche Gewerke beteiligt sind und zusätzlich ein Architekt die Planungen übernommen hat, schieben die Beteiligten bei etwaigen Mängeln gerne die Verantwortung zum jeweils anderen Part.


Dabei lassen sich ausufernde Kosten und unklare Verantwortlichkeiten durch vorausschauende Verfahrens- und Vertragsgestaltung wirksam vermeiden. Nach dem sogenannten Lebenszyklusansatz vergibt der Auftraggeber die Leistungen, die über den gesamten Projektlebenszyklus (Planung, Bau, Betrieb und gegebenenfalls Verwertung) zu erbringen sind, in einem einzigen Vergabeverfahren. Durch diese Paketvergabe sparen der Auftraggeber und die Bieter nicht nur Kosten und Zeit während des Vergabeverfahrens. Der öffentliche Auftraggeber erhöht so gleichzeitig die Planungssicherheit und minimiert die Kostenrisiken. Indem später nur ein Auftragnehmer den Zuschlag für sämtliche Leistungen erhält, werden außerdem klare Verantwortlichkeiten geschaffen. In allen Leistungsphasen steht dem Auftraggeber ein Vertragspartner gegenüber, der die Verantwortung für Mängel nicht einfach auf einen Dritten schieben kann. Mögliche Beweisprobleme, etwa bei der Frage, ob ein Mangel auf die fehlerhafte Planung oder die mangelhafte Umsetzung durch das Bauunternehmen zurückzuführen ist, fallen weg. Zugleich erhöht sich auch die Identifikation des Auftragnehmers mit dem Bauvorhaben, da er für das Gesamtprojekt haftet.

Budgetdeckelung und Qualitätssicherung

Damit das Projekt nicht zum sprichwörtlichen „Fass ohne Boden“ wird, sollte der Auftraggeber die notwendigen Vorkehrungen hinsichtlich seines Budgets treffen. Die Einhaltung des Budgets kann ebenso wie die architektonische beziehungsweise städtebauliche Qualität über einen entsprechenden Aufhebungsvorbehalt abgesichert werden. Durch diese Budgetdeckelung können sich die öffentlichen Auftraggeber vorbehalten, das Vergabeverfahren aufzuheben, wenn alle Angebote das vorgesehene Budget überschreiten. Für den Fall, dass sämtliche Angebote einen gestalterischen Mindestanspruch (z. B. eine Mindestpunktzahl) nicht erreichen, können Auftraggeber auch qualitativ die „Notbremse“ ziehen. Wenn der Auftraggeber dann noch die Möglichkeit hat, das gesamte Leistungspaket in einem Verhandlungsverfahren zu vergeben, kann er während des laufenden Verfahrens stets auf die Verbesserungsvorschläge der Bieter eingehen und gleichzeitig den Budgetdeckel im Auge behalten. Bei einem Verhandlungsverfahren darf der Auftraggeber während des Verfahrens mit den Bietern über ihre Angebote und auch den Auftragsgegenstand diskutieren. Diese Flexibilität ermöglicht dem Auftraggeber, im Verfahren gezielt auf seine Wünsche hinzuwirken und das spezifische Fachwissen der Bieter gewinnbringend in diese Planungen einzubeziehen. Gerade bei techniklastigen und komplexen Projekten kann so ein Auftraggeber von der Erfahrung und den Ideen der spezialisierten Unternehmen profitieren.

Die Optimierung des Auftragsgegenstands während des Verhandlungsverfahrens erlaubt es den Bietern, im Vergabeverfahren noch attraktivere Angebote einzureichen. Dies wiederum kommt dem Auftraggeber und letztlich auch den Nutzern der Einrichtung zugute. Zudem führt die Ausschreibung als Paketvergabe zu einer besseren Vergleichbarkeit der Angebote im Verfahren. Denn der Auftraggeber erkennt bereits im Planungswettbewerb die Gesamtkosten, die ihn bei der Bezuschlagung des jeweiligen Angebots erwarten. Die Architekturentwürfe sind quasi „mit einem Preisschild“ versehen. Damit reduziert sich das Verfahren aber nicht zwingend auf einen reinen Preiswettbewerb. Vielmehr können Auftraggeber weitere Belange, wie beispielsweise die Funktionalität oder die Qualität der Gesamtkonzepte, in ihre Wertungsentscheidung einfließen lassen.

Bauunterhaltungsleistungen aufnehmen

Diese Vorteile der Paketvergabe lassen sich sogar noch steigern. Denn die öffentliche Hand kann auch die Bauunterhaltungsleistungen in das Vergabepaket aufnehmen. In diesem Fall erstreckt sich die Verbindlichkeit des Angebots über den Bau hinaus auch auf 15 oder 20 Jahre des Betriebs. Der öffentliche Auftraggeber erhält so mit Planung, Bau und Bauunterhaltung den gesamten Lebenszyklus, beispielsweise eines Schwimmbads oder einer Schule, in einem Angebot. Dies bringt ihm nicht nur eine deutlich verbesserte Planungs- und Kostensicherheit, sondern auch eine Entlastung von Betriebs- und Instandhaltungsrisiken. Zugleich sichern die wirtschaftlichen Interessen der Bieter die Qualität über die gesamte Laufzeit. Denn ein Bieter, der für eine lange Zeit den Betrieb des Objekts übernehmen muss, wird keine mangelhafte Qualität anbieten. Bei der genauen Ausgestaltung des Paketumfangs ist der Auftraggeber grundsätzlich flexibel. Wenn er beispielsweise bei dem Neubau eines Schwimmbads nicht den gesamten Betrieb durch den Auftragnehmer erbringen lassen will, kann er auch lediglich bestimmte Wartungsleistungen in das Paket aufnehmen.

Der Lebenszyklusansatz ist branchenübergreifend einsetzbar

Der Lebenszyklusansatz beschränkt sich aber nicht lediglich auf Bauvorhaben. Vielmehr ist der Lebenszyklusansatz branchenübergreifend in einer Vielzahl von Projekten einsetzbar. So kann beispielsweise bei der Beschaffung von Fahrzeugen mit dem Hersteller eine verlängerte Gewährleistungszeit vereinbart werden. Neben der eigentlichen Lieferung der Fahrzeuge übernimmt der Hersteller auch die Instandhaltung über einen längeren Zeitraum. Der Hersteller erhält im Gegenzug eine vorab bestimmte Vergütung. Durch den Lebenszyklusansatz eröffnen sich der öffentlichen Hand zahlreiche neue Möglichkeiten, um nachhaltig kostensicher die gewünschten Leistungen zu erhalten. Der Blick in die Zukunft bleibt zwar auch der öffentlichen Hand verwehrt, jedoch kann sie ihre Risiken durch vorausschauende Planungen minimieren. Kombiniert mit einer Paketvergabe stehen dem öffentlichen Auftraggeber sämtliche Türen zu einem zeitsparenden und kostensicheren Zuschlag offen.

 

Jens Biemann

Rechtsanwalt, Kanzlei Heuking, Kühn, Lüer, Wojtek, Düsseldorf
 

Dr. Ute Jasper

Rechtsanwältin und Partnerin, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Leiterin der Praxisgruppe „Öffentlicher Sektor und Vergabe“, Düsseldorf
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