15.12.2010

Doppik contra Kameralistik

Warum ist die Doppik auch für den öffentlichen Haushalt wichtig?

Doppik contra Kameralistik

Warum ist die Doppik auch für den öffentlichen Haushalt wichtig?

Balance halten: Ausgaben und Einnahmen müssen im Gleichgewicht sein. | © Kevin Jarratt - Fotolia
Balance halten: Ausgaben und Einnahmen müssen im Gleichgewicht sein. | © Kevin Jarratt - Fotolia

Für den Staat und alle öffentlichen Hände gilt der Grundsatz: „Auf Dauer kann man nicht mehr ausgeben, als man einnimmt.“ Um dieses sicherzustellen, dürfen konsumtive Ausgaben nicht mit Krediten finanziert werden.

Das System bestimmt das Denken und Handeln der Menschen. Deshalb ist die Frage „Doppik“ oder „Kameralistik“ nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch eine der Inhalte. Die einfache Einnahme- und Ausgabenrechnung ist für die Steuerung umfangreicher Haushalte nicht mehr ausreichend. Ganz besonders gefährlich wurde es, als im Jahre 1969 durch eine große Haushaltsreform und die Änderung des Grundgesetzes Kreditaufnahmen prinzipiell zulässig wurden. Zwar waren sie immer noch an Investitionen gebunden, aber dies hat sich als völlig unwirksame Verschuldungsbremse erwiesen. Man konnte in der Kameralistik damit nicht verhindern, dass Verbrauchsaufwendungen mit Schulden über den Umweg der Kreditaufnahme finanziert werden konnten.

Abbildung des Ressourcenverbrauchs

Das hat seine Ursache darin, dass in der Kameralistik nur der Zahlungsstrom erfasst wird, nicht aber der Ressourcenverbrauch. Dies macht folgendes Beispiel deutlich: Wenn ein Pkw erworben wird, dann ist das haushaltsmäßig entweder ein Aktivtausch – Pkw statt Zahlungsmittel – oder, wenn die Beschaffung zulässigerweise mit Hilfe von Krediten erfolgt, eine Aktiv-Passiv-Mehrung. Die Schulden steigen, aber auch das Vermögen ist um den Wert des Pkw gestiegen, so dass sich die Netto-Vermögensposition nicht geändert hat. Durch die Beschaffung allein ändert sich also nichts. Erst durch die Benutzung des Pkw verliert dieser an Wert und damit tritt die Vermögensänderung ein. Diese wird in der Kameralistik allerdings nicht mehr erfasst. Haushaltstechnisch ist der Vorgang mit der Beschaffung abgeschlossen. So wurde seit 1969 in der Bundesrepublik verfahren. Ja, es ist sogar noch schlimmer, denn weil Bund und Länder in der Vergangenheit ihre Schulden nicht getilgt haben, blieben sie auf Dauer bestehen und es werden noch heute Zinsen auf die alten Kreditaufnahmen bezahlt, obwohl die beschafften Wirtschaftsgüter verbraucht und deshalb nicht mehr nutzbar sind. So zahlen wir beispielsweise für die Anfang der 70er Jahre im Bund beschafften Dienstwagen noch immer Zinsen, obwohl sie sich längst in Rost aufgelöst haben. Wir haben im Ergebnis konsumtive Ausgaben mit Krediten finanziert, dies ganz legal, obwohl das vom System her ausgeschlossen sein sollte. Wir haben mehr verbraucht als wir eingenommen haben und so einen gigantischen Schuldenberg aufgetürmt, der uns in die Schuldenfalle geführt hat.


Dies hätte sich vermeiden lassen, wenn man die Doppik als Haushaltssystem gehabt hätte. In diesem System wird der Ressourcenverbrauch abgebildet und mit den Einnahmen verglichen. In unserem Beispiel hätte neben dem Finanzierungsvorgang der Wertverzehr in Form von Abschreibungen verbucht werden müssen. So würden die Kosten des Verbrauches abgebildet. Aus diesen Abschreibungen hätte die Tilgung der Kredite finanziert werden können, so dass nach dem Verbrauch der Fahrzeuge der Haushalt vermögensmäßig wieder „glatt“ gestellt gewesen wäre. Die Schulden wären wieder getilgt und es ist sichergestellt, dass nicht mehr an Ressourcen verbraucht worden wäre, als eingenommen worden ist.

Nachhaltige Finanz- und Haushaltspolitik

Auch die Zinsen müssen aus den laufenden Einnahmen bezahlt werden und mindern die Konsumkraft. Damit wird deutlich, dass man mit Hilfe von Krediten die Ausgabemöglichkeiten mittel- und langfristig nicht vergrößern kann. Es lässt sich lediglich der Zeitpunkt einer Konsumausgabe vorziehen, allerdings um den Preis, dass der Zins die Konsummöglichkeiten verringert.

Kredite sind per se nichts Gutes oder Schlechtes. Es kommt immer darauf an, was man damit macht. So ähnlich wie Feuer wärmen oder vernichten kann, verhält es sich auch mit Krediten. Erfolgt ihre Aufnahme, um aus den damit finanzierten Maßnahmen zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften, die größer sind als die dadurch verursachten Zinsen und Tilgungen, dann ist die Aufnahme eines Kredites sinnvoll. Dies ist der Regelfall bei wirtschaftlichen Investitionen. Auf den Staat lässt sich dieses allerdings nicht ohne weiteres übertragen. Regelmäßig sind staatliche Investitionen mit zusätzlichen Folgekosten für den Betrieb der dadurch geschaffenen Einrichtungen verbunden. Anders wäre es allerdings bei Energiesparinvestitionen, wenn die dadurch verursachten Minderverbräuche so groß sind, dass durch die eingesparten Ausgaben Zins und Tilgung, genauer gesagt Abschreibung, finanziert werden können.

Buchmäßige Trennung von Finanzierung und Ressourcenverbrauch

Die buchmäßige Trennung von Finanzierung und Ressourcenverbrauch hat noch weitere positive Folgen. Sie ermöglicht die einheitliche Kredit- und Liquiditätsbewirtschaftung durch den Finanzminister, weil die jeweiligen Fachressorts im Rahmen des Ressourcenverbrauchs mit allen von ihnen verursachten Kosten belastet werden. Nur so werden übrigens alle lebenszyklusbedingten Kosten einer Maßnahme im jeweiligen Etat auch sichtbar. Bei einer 50jährigen Lebensdauer und einem 5%igen Kreditzins machen beispielsweise die Finanzierungskosten eines Hochbaus einen noch einmal so hohen Betrag aus wie die reinen Baukosten. Das wird in der Kameralistik nicht sichtbar. Mangels etatmäßiger Belastung entscheiden die Fachhaushalte im Angesicht der „niedrigen“ Kosten viel zu leicht. Das ist einer nachhaltigen Finanz- und Haushaltspolitik abträglich.

Die Erfassung von Wertströmen

Notwendig ist ein solches System auch, weil innerhalb der staatlichen Organisation unterschiedliche Gliederungen Leistungen untereinander austauschen. Nur die Doppik ermöglicht es, die entsprechenden Wertströme auch zu erfassen. So erbringt beispielsweise die Hochbauverwaltung der Länder Leistungen für die Fachressorts von Bund und Ländern. Vielfach werden Rechenzentren von unterschiedlichen Verwaltungen genutzt oder Abrechnungsvorgänge, wie z. B. Gehalt und Beihilfe, aus Gründen der Rationalisierung auf gemeinschaftliche Leistungszentren ausgelagert. Auch hier müssen die Kosten durch doppische Buchungen an den Ort der Verursachung gebracht werden.

Wenn man den vollständigen Werteverzehr richtig abbildet und die Aufwendungen, also alle Kosten inklusive der Zinsen und des Verbrauchs sowie der Bildung von Rückstellung für heute verursachte künftige Lasten, richtig im Rechnungswesen erfasst, dann relativiert sich der Streit um die staatliche Kreditaufnahme, weil die Leistungsfähigkeit des Haushalts nicht überstrapaziert werden kann. Nur so ist es möglich, die tatsächliche Inanspruchnahme von Ressourcen den tatsächlichen Einnahmen gegenüberzustellen. Dies ist allein durch den Einsatz der Doppik sicherzustellen.

 

Jochen-Konrad Fromme

Rechtsanwalt, Mitglied des Deutschen Bundestags a. D., Haverlah
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