15.10.2010

Verwaltungsdesign – Eine Stadt im Wandel

Oberbürgermeister Dr. Kurz: „CHANGE² in Mannheim“

Verwaltungsdesign – Eine Stadt im Wandel

Oberbürgermeister Dr. Kurz: „CHANGE² in Mannheim“

Mannheim, schachbrettartig im Quadrat. | © Tomyle.de - Fotolia
Mannheim, schachbrettartig im Quadrat. | © Tomyle.de - Fotolia

Mannheim wagt den Wandel – und will viel gewinnen: Bis 2013 soll die Stadtverwaltung eine der modernsten in Deutschland sein. „CHANGE²“ heißt das Groß-Projekt, wobei der Anspruch auf Wandel mit „hoch zwei“ bzw. „im Quadrat“ den Lokalbezug herstellt: Mannheim wurde im 17. Jahrhundert von Kurfürst Friedrich IV. schachbrettartig in Quadraten angelegt. Der Fokus des Reformansatzes von CHANGE² war von Anfang an klar: Weg vom Denken in Organisationsstrukturen hin zu einem Verwaltungshandeln, das auf Ergebnisse achtet. Basis dafür sind Ziele, die für die gesamte Stadtverwaltung gelten. Das heißt: Alles, was angepackt wird, muss vom Ergebnis her gedacht und nicht einfach als laufende Aufgabe verstanden werden. Und was hat eigentlich der Bürger davon? Naturgemäß ist ein solcher Reformprozess zunächst einmal nach innen gerichtet. Doch andererseits ist auch klar: Wenn es in der Verwaltung besser läuft, wenn Ziele besser erreicht werden, profitiert davon die ganze Stadt und damit die Bürgerinnen und Bürger. Aber vor allem soll sich das Miteinander von Verwaltung und Bürgerschaft positiv entwickeln. Ein sichtbares Symbol für diese Neuausrichtung ist das Projekt „Bewerbung zur Kulturhauptstadt“. Es beginnt mit einem Stadtentwicklungsprozess, in den alle sich einbringen können: „Kultur.Raum.Stadt. Mannheim 2020“.

Warum CHANGE²? Warum überhaupt „Veränderung“?

Oberbürgermeister Dr. Kurz antwortet auf diese Frage, die ihm immer wieder, oft auch im persönlichen Gespräch mit Mitarbeitern, gestellt wird, mit einem Zitat des italienischen Autors Giuseppe Tomasi di Lampedusa: „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann müssen wir alles ändern.“ Also nicht Veränderung um der Veränderung willen, sondern Bewahrung von dem, was wichtig ist. Nur: Das Bewahren des Wichtigen funktioniert nicht, wenn man einfach weitermacht wie bisher. Vor allem deshalb, weil sich die Gesellschaft geändert hat. Die Probleme, die vor Ort, in den Kommunen und durch sie bewältigt werden müssen, werden immer größer. Für wichtige Aufgaben steht immer weniger Geld zur Verfügung. Obwohl insgesamt immer mehr Geld ausgegeben wird, herrscht an vielen Stellen das Gefühl von Mangel, Stagnation, Rückschritt. Die Kommunale Selbstverwaltung, die in Deutschland bis ins Mittelalter zurückreicht, ist in vielen Gemeinden bereits in Gefahr. Dabei stehen die Kommunen doch traditionell für Daseinsvorsorge, Beständigkeit, Zuverlässigkeit. Für eine Antwort auf dieses Dilemma braucht es überzeugende Konzepte und eine gelungene Umsetzung. „Wir wollen besser und genauer steuern und die für uns alle wichtigen Erfolge steigern, indem wir unsere Ziele genau beschreiben und indem wir messen, ob und wieweit wir diese Ziele erreicht haben“, so Verwaltungschef Kurz. Bislang sei es doch so: In einem hochdemokratischen Prozess werde darüber entschieden, wo welche Ressourcen eingesetzt würden – in der Hoffnung auf positive Ergebnisse. „Dagegen sollen künftig messbare Ergebnisse die Grundlage für die Entscheidung über Ressourcenzuweisung bilden. Das ist für uns alle neu und ungewohnt“, so Verwaltungschef Peter Kurz.

(K)ein Widerspruch? Gesetzliche Aufgaben versus Ziele

Wie ungewohnt diese „180-Grad-Wende im Denken“ für manche noch ist, klingt in den durchaus kritischen Reaktionen von Seiten der Mitarbeiterschaft immer wieder an. Gerade Dienststellen, deren Tätigkeitsbereich zu einem Großteil aus Weisungsaufgaben besteht, sehen die städtischen Ziele als eine Relativierung dieser Aufgaben an, fürchten gar einen Widerspruch zwischen gesetzlichem Auftrag und Handeln nach Zielen. Beispiel Standesamt: Hier machen die gesetzlich vorgegebenen Weisungsaufgaben gut und gerne 95 Prozent aus. Für eine an Zielen orientierte Arbeitsgestaltung, so das Argument, stünden daher nur fünf Prozent zur Disposition. Doch Peter Kurz ist überzeugt: „Wir arbeiten nicht nur für ein Gesetz, sondern haben einen Gestaltungsauftrag für unsere Kommune. Daher muss der Ansatz sein: Was können wir innerhalb des Gesetzes beitragen bzw. verbessern, beispielsweise durch bessere Zusammenarbeit und Kommunikation untereinander? Diese Einstellung kann auch die gesetzlich vorgegebenen 95 Prozent durchdringen. Dadurch gewinnen wir ein Stück kommunale Selbstverwaltung zurück, statt nur noch von Brüssel vorgegebene Schalter umzulegen.“


Am Anfang war die Gesamtstrategie

Die Gesamtstrategie für die Stadtverwaltung Mannheim ist das Schlüsselprojekt im CHANGE²-Prozess. Der Entwicklung und Formulierung dieser Strategie lag die Überlegung zugrunde, „dass Mannheim einen ganz besonderen Mix an Eigenschaften hat“, so OB Kurz. So geht es um besondere Herausforderungen wie Integration und Bildungsgerechtigkeit und um die Nutzung besonderer Chancen wie Vielfalt, eine überdurchschnittlich engagierte Bürgerschaft und eine große Kulturtradition und -gegenwart. Eine ganz besondere Qualität Mannheims: In vielen Angeboten ist Mannheim Metropole, die sich mit deutlich größeren Städten messen kann, zugleich ist es noch überschaubar. Mannheim ist damit eine „Großstadt mit menschlichem Maß“, so der Oberbürgermeister.

Chancen nutzen, Herausforderungen bewältigen

Auf Basis dieser Analyse wurden Ziele erarbeitet, die auch Grundlage für das Projekt Strategische Steuerung sind. Hier wird das Konzept dafür entwickelt, wie allgemeine Ziele im Alltag wirksam werden. Die strategischen Ziele sollen in Zukunft dezernats- und bereichsübergreifend für das Handeln der städtischen Mitarbeiter maßgeblich sein. Sie dienen dazu, Mannheim noch lebenswerter zu machen, indem die Voraussetzungen für eine positive wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Entwicklung verbessert werden.

Organisationskultur und Dialog

Ein ganz wesentlicher Aspekt des CHANGE²-Prozesses ist der Kulturwandel hin zu einem wirkungsorientierten Verwaltungshandeln auf der Basis ressortübergreifender Ziele. Um dies für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst einmal sprachlich „griffiger“ zu machen, wurde für den Prozess das Motto „Gemeinsam mehr bewirken“ entwickelt. Ein Motto allein bewirkt natürlich noch keinen Kulturwandel, hierzu bedarf es eines intensiven Austauschs mit den Beschäftigten auf unterschiedlichen Ebenen und Foren, denn: Der Erfolg eines Veränderungsprozesses hängt vor allem von der Akzeptanz bei den Beteiligten ab.

Aus diesem Grund hat man verschiedene Dialog-Runden mit dem Oberbürgermeister eingeführt. So setzt Peter Kurz sich nicht nur regelmäßig mit seinen Führungskräften und den Personalvertretungen zusammen, sondern auch mit per Losverfahren ausgewählten Mitarbeitern – quer durch alle Fachbereiche und Hierarchieebenen. Gerade dieser Mitarbeiterdialog kommt bei den Beschäftigten ausgesprochen gut an. „Das ist ein völlig neuer Kommunikationsstil bei der Stadt, der früher undenkbar gewesen wäre“, lautet beispielsweise das Fazit eines Mitarbeiters, stellvertretend für viele positive Rückmeldungen.

Ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung neue Unternehmenskultur: Im Juli wurden die „Leitlinien für Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit der Stadtverwaltung Mannheim“ erarbeitet und verabschiedet. Diese Leitlinien gelten für alle Führungskräfte und alle Mitarbeiter. Sie sind zum einen Selbstverpflichtung für die Führungskräfte, zum anderen beinhalten sie auch Erwartungen der Führung an die Mitarbeiter – und umgekehrt. „Das Grundverständnis, das hinter diesen Leitlinien steckt: Wir müssen eine Kultur des offenen Dialogs schaffen, die Kritik erlaubt und zulässt“, erläutert OB Dr. Kurz. „Nur so können wir die gesamte Organisation voranbringen.“

Hinweis der Redaktion: Verwaltungsmodernisierung ist ein wichtiges Thema, das der PUBLICUS redaktionell begleiten möchte. Wir werden Ihnen daher in diesem Online-Spiegel in loser Folge Praxisbeispiele über die Entwicklung in Städten und Gemeinden präsentieren. schachbrettartig im Quadrat.

 

Ulrich Hörning

Diplom-Volkswirt und MPA (Harvard); Leiter Verwaltungsmodernisierung CHANGE² der Stadt Mannheim
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