05.01.2021

Versicherungsschutz für Hundebiss

Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main

Versicherungsschutz für Hundebiss

Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main

Im Falle der Bissigkeit von Hunden ist maßgeblich, ob Hinweise für ein Aggressionsverhalten des Hundes gegenüber Menschen festzustellen sind. | © farbkombinat - stock.adobe.com
Im Falle der Bissigkeit von Hunden ist maßgeblich, ob Hinweise für ein Aggressionsverhalten des Hundes gegenüber Menschen festzustellen sind. | © farbkombinat - stock.adobe.com

Wenn eine Versicherungsgesellschaft die Zahlung einer bei Ihnen abgeschlossenen Tierhaftpflichtversicherung mit der Begründung verweigert, der Tierhalter sei von den geltenden Gesetzen zur Tierhaltung abgewichen, muss eine bewusste Pflichtverletzung vorliegen. War dem Tierhalter eine schriftliche Verfügung des Ordnungsamtes zum Zeitpunkt des Schadenfalls noch nicht bekannt, trifft dies jedoch nicht zu.

Ausgangsfall

Eine Frau war Halterin eines Mischlingshundes. Sie hatte bei einer Versicherungsgesellschaft eine Tierhalterhaftpflichtversicherung für Hunde abgeschlossen. Dem Vertrag lagen Allgemeine Bedingungen zugrunde. Dort hieß es: »Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen der Anordnungen verursacht hat«.

Im Jahr 2011 fügte der Hund einem zehnjährigen Mädchen eine Bisswunde zu. Im weiteren Verlauf des Verfahrens erging schließlich seitens der Ordnungsbehörde am 09.06.2012 ein Bescheid gegen die Hundehalterin, der ihr durch Einwurf in den Briefkasten am selben Tag zuging. In dieser Verfügung ordnete die Behörde an, dass Begegnungskontakte des Hundes mit Kindern bis ca. 14 Jahren durch Ausweichen, notfalls durch Umkehren zu vermeiden seien; hierbei müsse ein Mindestabstand von drei Metern eingehalten werden.


Am 09.06.2012, also dem Tag des Zugangs der Ordnungsverfügung, hielt sich die Frau mit ihrem Hund auf einer Parkbank auf. Es handelte sich um eine öffentliche Parkanlage der Gemeinde mit Spielplatzgelände. Ein etwa zweijähriges Mädchen näherte sich dem angeleinten Hund. Das Kind streichelte den Hund am Rücken und tastete sich weiter vor in Richtung Kopf. Der Hund knurrte und biss das Kind ins Gesicht. Es erlitt schwere Verletzungen und musste eineinhalb Monate stationär behandelt werden. Die Hundehalterin wurde verurteilt, an das Kind ca. 100 000 € Schadenersatz und Schmerzensgeld zu zahlen. Sie nahm daraufhin ihre Tierhalterhaftpflichtversicherung auf Freistellung von den Zahlungsansprüchen des Kindes in Anspruch. Das Landgericht wies ihre Klage ab, nicht jedoch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.Hiernach hat die Frau aus der abgeschlossenen Tierhalterhaftpflichtversicherung Anspruch auf Freistellung von den Ansprüchen.

Risikoausschluss grundsätzlich möglich

Das Oberlandesgericht stellte zunächst klar, die im Kleingedruckten enthaltene Klausel, wonach die Versicherungsgesellschaft in besonders gelagerten Fällen nicht zur Leistung verpflichtet ist, rechtmäßig war. Die Regelung sei wirksam. Sie enthalte weder eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungskunden noch sei sie ungewöhnlich oder gar überraschend. Sie benutzte im Übrigen eindeutige und festumrissene Begriffe aus der Rechtssprache, die für jedermann verständlich seien. Es sei ausreichend, dass im Wortlaut der Klausel pauschal »Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und Anordnungen, die der Züchtung und Haltung von Hunden dienen«, aufgezählt würden. Da der Haftungsausschluss auch ausschließlich für »bewusstes Fehlverhalten« wirken sollte, war er grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Kein bewusster Verstoß gegen behördliche Verfügung

Gleichwohl konnte sich die Versicherungsgesellschaft hier nicht auf diese Klausel zur eigenen Leistungsfreiheit berufen. Denn nach Auffassung des Gerichts hatte die Hundehalterin nicht bewusst gegen die Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetze, Verordnungen oder behördliche Verfügungen verstoßen. Eine solche Pflichtverletzung war im Prozess nicht feststellbar.

Ein bewusst pflichtwidriges Verhalten liege vor, wenn der Versicherte seine Pflicht wissentlich verletze. Erforderlich sei damit jedenfalls ein bedingter Vorsatz. Hier sei nicht nachweisbar, dass die Hundehalterin gewusst habe, dass das Betreten des Geländes mit dem Spielplatz mit dem Hund verboten gewesen sei; denn sie hatte den Spielplatz zuvor noch nie besucht. Auch ein Verstoß gegen die Verfügung der Ordnungsbehörde am Tag des Vorfalls, dem 09.06.2012, war der Frau nicht nachzuweisen. Nach deren Einlassung hatte sie das Wohnhaus bereits am Vormittag verlassen, ohne zuvor den Briefkasten zu öffnen. Somit sei nicht nachweisbar, dass ihr der Bescheid der Kreisverwaltung des Inhalts, dass Begegnungskontakte des Hundes mit Kindern unter 14 Jahren zu vermeiden seien, zum Zeitpunkt des Besuchs des Spielplatzes bereits bekannt gewesen sei. Somit war die Versicherungsgesellschaft zur Freistellung der Hundehalterin von allen Ansprüchen des Kindes verpflichtet.

1 Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juli. 2020 – 7 U 47/19

 

Besprochen in RdW 2020, Heft 22, Randnummer 402.

 

Klaus Krohn

Lektor im Fachbereich Steuerrecht, Richard Boorberg Verlag
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