10.01.2024

Trau, schau, wem

Zur Neutralitätspflicht staatlicher Organe vor Wahlen

Trau, schau, wem

Zur Neutralitätspflicht staatlicher Organe vor Wahlen

Verstoßen Amtsträger oder amtliche Stellen gegen das Neutralitätsgebot, kann darin eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung zu sehen sein.  | ©PX Media  - stock.adobe.com
Verstoßen Amtsträger oder amtliche Stellen gegen das Neutralitätsgebot, kann darin eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung zu sehen sein. | ©PX Media - stock.adobe.com

In der kommunalen Praxis bereitet die Einhaltung der Grundsätze zur Neutralitätspflicht der Staatsorgane bei Wahlen immer wieder Probleme. Dies nicht nur bei örtlichen Parteigliederungen und Wählervereinigungen. Oft herrscht Unsicherheit darüber, wie die sogenannte Vorwahlzeit definiert wird und welche politischen Aktivitäten von Staatsorganen in dieser Zeit rechtlich unbedenklich zulässig sind.  

Im Hinblick darauf, dass im Jahre 2024 in Baden-Württemberg sowohl Europa- als auch Kommunalwahlen stattfinden, fasst der Verfasser in diesem Beitrag den wesentlichen Diskussionstand zum Thema unter Berücksichtigung des baden-württembergischen Kommunalverfassungsrechts zusammen.

Neutralitätspflicht staatlicher Organe im Vorfeld von Wahlen

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (insbesondere BVerfGE 44,125) und des Staatsgerichtshofs (jetzt Verfassungsgerichtshof) Baden-Württemberg (ESVGH 31,81) besteht für Staatsorgane im Vorfeld von Wahlen eine Neutralitätspflicht. Staatsorganen ist es im Hinblick auf das Demokratieprinzip und das Recht der Parteien auf Chancengleichheit von Verfassungs wegen versagt, sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entscheidung der Wähler zu beeinflussen.1Vgl. u. a. LT-Drs.16/1721 S. 2; VGH BW VBlBW 2023, 371 (372) m. w. N. und Quecke/Bock/Königsberg, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Auflage 2019, § 32 Rn. 76 m. w. N. Grds. zum Neutralitätsgebot vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG Art. 21 Rn. 23 m. w. N. Vgl. zur Abgrenzung zwischen dem Parteien gegenüber geltenden Neutralitätsgebot und dem gegenüber nicht zu den politischen Parteien zählenden politischen Gruppierungen zu berücksichtigenden Sachlichkeitsgebot u. a. BverwG, NVwZ 2018, 433 (vgl. zu dieser Entscheidung auch Krämer, Einführung in das Versammlungsrecht (Teil 1), in: VBlBW 2023, 388, 396 m. w. N.).


Diese Grundsätze gelten nicht nur für Parlamentswahlen, sondern auch für Kommunalwahlen und auch für kommunale Organe.2Vgl. u. a. Aker, in Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung und Gemeindehaushaltsverordnung Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2019, § 20 GemO Rn. 13; Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, 4. Aufl. 26.Lfg. Juni 2019, Rn. 52 zu § 20; LT-Drs. 15/4813 S. 5; LT-Drs. 15/7265 S. 34 und LT-Drs. 16/1721 S. 2.

Bemessung der Vorwahl- bzw. Karenzzeit – strenges Neutralitätsgebot

Das BVerfG hat keinen genauen Stichtag, „von dem an das Gebot äußerster Zurückhaltung (strenges Neutralitätsgebot, d. Verf.) strikt zu beachten“ ist, bestimmt. Als Orientierungspunkt wurde aber für die Bundestagswahl etwa der Zeitpunkt genannt, an dem der Bundespräsident den Wahltag bestimmt (§ 16 Bundeswahlgesetz).

Im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung hat der StGH BW (jetzt VerfGH) einen Zeitraum von fünf bis sechs Monaten für angemessen erachtet.

In Anlehnung an diese Auslegung der Vorwahlzeit hat der Landtag von Baden-Württemberg3Vgl. LT-Drs. 15/7265 S. 34. in § 20 Abs. 3 Satz 3 GemO festgelegt, dass die Gemeinderäte in Redaktionsstatuten Veröffentlichungen von Beiträgen der Fraktionen in den Amtsblättern „innerhalb eines bestimmten Zeitraums von höchstens sechs Monaten vor Wahlen auszuschließen haben“.

Der Gesetzgeber hat damit die Festlegung des maßgeblichen Zeitraums der Entscheidung der Gemeinderäte überlassen.4Zur Kritik daran vgl. Fleckenstein/Pautsch, Evaluierung der Neuregelung der Gemeindeordnung (GemO) 2015, Eine retrospektive Gesetzesfolgenabschätzung im Auftrag des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg, Stand: 28. Februar 2020 S. 64 f. und 102 f. Vgl. auch LT-Drs. 17/357 S. 7 und 10. Diese haben zu berücksichtigen, dass die Gefahr einer relevanten Wahlbeeinflussung umso größer ist, je näher der Wahltag rückt. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinden aus Gründen der Rechtssicherheit diesen auch Karenzzeit5Vgl. u. a. Kunze/Bronner/Katz, a. a. O., Rn. 44 ff. zu § 20. genannten Zeitraum auf fünf oder sechs Monate festlegen.6Ebenda; Aker, a. a. O., Rn. 44 zu § 20 GemO m. w. N. und LT-Drs. 15/4813 S. 5.

Aus unterschiedlichen Gründen werden in der Praxis kürzere Zeiträume als zulässig erachtet.7Kunze/Bronner/Katz, a. a. O. Rn. 47 zu § 20. In vielen Kommunen wird ein Zeitraum von drei Monaten als Karenzzeit noch für ausreichend erachtet. Dies in Übereinstimmung mit der Auffassung des baden-württembergischen Innenministeriums und den Empfehlungen der kommunalen Landesverbände, so beispielsweise von Fachgremien des baden-württembergischen Städtetages.8Ebenda, Rn. 48 und 52 zu § 20; LT-Drs. 15/4813 S. 3 ff.; LT-Drs. 17/357 S. 7 und Rundschreiben R 25872/2016 v. 18.02.2016 S. 6 des baden-württembergischen Städtetages. Die Mehrzahl der Großen Kreisstädte und Stadtkreise, in denen es Amtsblätter gibt, haben sich auf eine Karenzzeit von drei Monaten festgelegt (vgl. hierzu auch StAnz. v. 13.08.2021 Nr. 31, S. 8). Darunter liegende Zeiträume werden im Hinblick auf Wahlanfechtungen als risikobehaftet angesehen.9Vgl. LT-Drs. 17/ 357 S. 8. So hat das OVG NRW, U. v. 19.08.1988 – 15 A 924/86 unter Bezugnahme auf BVerfGE 44, 125 die Frist von 6 Wochen für die Veröffentlichung einer Gemeinderatsfraktion für unzulässig erklärt.

Wahlbeeinflussung durch amtliche Organe

Greifen Amtsträger oder amtliche Organe oder deren Mitglieder zu Gunsten oder zu Lasten einer politischen Partei oder eines Bewerbers in den Wahlkampf ein, dann verletzten sie, wie eingangs dargelegt, das Recht auf Chancengleichheit und das Gebot der Neutralität des Staates im Wahlkampf. Dies jedoch nur, wenn Verlautbarungen oder Äußerungen in amtlicher Eigenschaft abgegeben werden, da auch Bürgermeistern, Landräten oder Gemeinderäten beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung als Privatpersonen zusteht.10Vgl. Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., Rn. 76; Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 12. Aufl. 2022, § 13 Rn. 39, Krebs, Kommunale Wahlbeamte zwischen politischem Meinungskampf und dienstrechtlicher Zähmung – Zur Reichweite ihrer Äußerungsfreiheit anhand eines aktuellen Praxisbeispiels, in: VBlBW 2024, 1, 5 und Oebbecke, Amtliche Äußerungen im Bürgermeisterwahlkampf, in NVwZ 2007, 30, 31 f. jeweils m. w. N. Zur Differenzierung der Rolle des Bürgermeisters als Sitzungsleiter einerseits und als „ein von den Bürgern gewähltes Gemeinderatsmitglied mit einem kommunalpolitischen Mandat“ anderseits, vgl. VGH BW VBlBW 2023, 291, 292 m. w. N.

Ein Handeln in amtlicher Eigenschaft wird aber immer dann angenommen, wenn der Amtsträger von den Möglichkeiten Gebrauch macht, die ihm nur kraft Amtes zustehen. Als Beispiel sind insoweit die Nutzung von amtlichen Publikationen, Verwendung von Gemeinde- und Landkreiswappen oder der Einsatz kommunaler Mittel zu nennen,11Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 76, 77 und 79 m. w. N. oder wenn wahlbeinflussende Äußerungen von Bürgermeistern innerhalb eines „dienstlichen Rahmens“, wie einer von der Gemeinde veranstalteten Podiumsdiskussion beispielsweise, erfolgen. Ob ein Amtsträger sich in amtlicher Eigenschaft oder in zulässiger Weise als Bürger und damit Privatperson äußert, ist im Einzelfall schwierig zu entscheiden und im Streitfall eine Frage der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung.12Ebenda, § 32 Rn. 76 m. w. N. und Barcak, Die parteipolitische Äußerungsbefugnis von Amtsträgern, Eine Gratwanderung zwischen Neutralitätsgebot und politischem Wettbewerb, in NVwZ 2015, 1014, 1016 ff. und Krebs, a. a. O. m. w. N. Vgl. auch bspw. VG Düsseldorf, U. v. 28.03.2022 – 1 K 1157/21 (juris): unzulässige „Anzeigenwerbung“ durch einen Landkreis zur Landratswahl.

Zu den zur unparteiischen Amtsausübung verpflichteten Amtsträgern zählen Bürgermeister, Landräte und Ortsvorsteher, auch soweit sie nach § 71 Abs. 1 Satz 3 GemO ehrenamtlich und damit als Ehrenbeamte tätig sind.13LT-Drs. 16/1721 S. 2. Vgl. zum Ehrenbeamten § 5 BeamtStG i. V. m. § 3 Abs. 2.

Beamte sind auch außerhalb von Vorwahlzeiten zur politischen Neutralität verpflichtet. Dies ergibt sich aus dem Grundgesetz und einfachgesetzlich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 und 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) für Bundesbeamte sowie aus § 33 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) für Landes- und Kommunalbeamte.14Vgl. hierzu u. a. Brinktrine, Staatsschutz und Dienstrecht, in Dietrich/Fahrner/Gazeas/von Heintschel-Heinegg, Handbuch Sicherheits- und Staatsschutzrecht, 2022, § 46 Rn. 37 ff.; Heinrich/Reimer, Zwischen Neutralität und Politizität, Zurückhaltungsgebote für die Öffentlichkeitsarbeit kommunaler Wahlbeamter, in NVwZ 2022, 371, 372 f. und LT-Drs.16/1721 S. 2.

Aber auch der Gemeinderat als Organ unterliegt der Neutralitätspflicht. Einzelne Gemeinderatsmitglieder sind zwar Teil des Gemeindeorgans, aber als Einzelpersonen nicht dem Gebot der Neutralität der öffentlichen Gewalt im Wahlkampf verpflichtet.15Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 80 m. w. N. und Kunze/Bronner/Katz, a. a. O., Rn.45 zu § 20 GemO m. w. N.

Bedienstete der Kommunalverwaltungen haben zwar keine Organeigenschaft, unterliegen aber auch der Neutralitätspflicht, soweit sie in amtlicher Eigenschaft tätig werden.16Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 80a. Vgl. bspw. zur Neutralitätspflicht von Beschäftigten im Bürgermeisterwahlkampf VGH BW VBlBW 2020, 40 ff.  Soweit sie als Beamte tätig sind, greift auch hier das beamtenrechtliche Neutralitätsgebot.

Verhaltensempfehlungen für kommunale Verwaltungen in der Vorwahlzeit

An dieser Stelle können nicht alle Fallkonstellationen im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Neutralitätsgebotes aufgeführt werden.17Vgl. hierzu u. a. Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn 76 ff. Dazu sind diese zu vielfältig und bedürfen, wie bereits erwähnt, jeweils einer Einzelfallbetrachtung.

Nachfolgend sollen aber einige Verhaltensregeln im Hinblick auf die Wahrung des Neutralitätsgebotes, welche sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung in der kommunalen Praxis herausgebildet haben, exemplarisch dargestellt werden:18Vgl. bereits Rathausbrief der Stadt Karlsruhe v. 10.01.2011

In der Vorwahlzeit sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltungen nicht mehr als Referentinnen und Referenten für Informationsveranstaltungen Dritter zur Verfügung stehen. Dies gilt für Termine und ohne Rücksicht auf den Veranstalter, die eindeutig als Wahlveranstaltungen zu identifizieren sind, ohnedies.

In einzelnen Kommunen werden für politische Beamte hiervon grundsätzlich Ausnahmen zugelassen, soweit diese nicht mit ihrer Amtsfunktion aktiv werben. Dies setzt allerdings das notwendige „Fingerspitzengefühl“ voraus. Dies kann sogar dem Gebot der Höflichkeit entsprechen, wenn eine hochrangige Persönlichkeit (z.B. der Ministerpräsident) an der Veranstaltung teilnimmt.

Außerhalb des Rathauses und „ohne Amtskette“ kann ein Bürgermeister beispielsweise ohnedies als Privatperson eine Wahlveranstaltung „seiner Partei“ besuchen und sogar eine Wahlempfehlung abgeben. Allerdings kann es kritisch werden, wenn dabei seine amtliche Funktion in den Vordergrund tritt, was auch hier vom Einzelfall abhängt.

Von der Repräsentationspflicht eines Bürgermeisters oder Landrates ist es abgedeckt, wenn er Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten im Rathaus empfängt, um beispielsweise kommunalpolitische Themen zu besprechen, soweit er dabei die Chancengleichheit aller Parteien beachtet und nicht aktiv Partei ergreift.

Nach hier vertretener Ansicht bestehen keine Bedenken, dass im Rahmen eines Kommunalwahlkampfes Bewerberinnen und Bewerber einer Partei oder Wählervereinigung sich durch einen Ortstermin ein Bild über eine öffentliche Einrichtung (z. B. Schule) verschaffen, soweit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung sich nicht an der damit verbundenen Meinungsbildung beteiligen.

Soweit Wahlbeamte außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG19Vgl. hierzu BVerwG NVwZ 2018, 433 und Krebs, a. a. O., also beispielsweise auf „fremden Beritt“ als Privatpersonen bzw. Parteimitglieder bei einer Veranstaltung „ihrer Partei“ in der Vorwahlzeit auftreten, kann dies nach hier vertretener Auffassung nur in unmittelbarer Nähe zur Wahl und in engen Grenzen im Hinblick auf das Neutralitätsgebot bedenklich sein.20Vgl. LT-Drs. 16/1721 S. 2 f.

Soweit Veröffentlichungen von Fraktion aus städtischen Mitteln finanziert werden, haben die Verwaltungen darauf zu achten, dass das Zurückhaltungsgebot in der Vorwahlzeit beachtet wird.21Die Veröffentlichung der Fraktionen während der Vorwahlzeit in den Amtsblättern ist ja, wie bereits angesprochen, in § 20 Abs. 3 Satz GemO geregelt. Zu den Details insoweit vgl. u. a. Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 77 und Kunze/Bronner/Katz, a. a. O. Rn. 50 ff. zu § 20.

Sofern die Gemeinde ein Amtsblatt herausgibt, sollten für die Karenzzeit geltende Regelungen bezüglich der Zulässigkeit von Veröffentlichungen von Veranstaltungshinweisen und Terminankündigungen sowie Wahlaufrufen im Anzeigenteil im Redaktionsstatut geregelt werden.22Vgl. zu den Details ebenda Rn. 50 f. zu § 20 und Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 77 jeweils m. w. N.

Die Gemeinden können Wahlwerbern gemeindliche Räumlichkeiten für Wahlveranstaltungen überlassen, auch wenn dies nicht von allen Bewerbern in Anspruch genommen werden sollte, sofern bei der Vergabe gleiche Grundsätze angewandt werden.23Vgl. Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 86 m. w. N. Zur grundsätzlichen Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes bei der Nutzung öffentlicher Einrichtungen vgl. u. a. Aker, a. a. O., Rn. 13 zu § 10 GemO und dort Rn. 15 zum Zulassungsanspruch von Parteien.

Folgen eines Verstoßes gegen den Neutralitätsgrundsatz und Schlussempfehlung

Verstoßen Amtsträger oder amtliche Stellen gegen das Neutralitätsgebot, kann darin eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung i. S. d. § 32 Abs. 1 KomWG zu sehen sein. Diese kann zur Ungültigkeit der Kommunalwahl führen, sofern dadurch das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte.24Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 1; Kunze/Bronner/Katz, a. a. O., Rn. 46 m. w. N. und LTDrs.16/1721 S.3. Gleiches ist auch für Parlamentswahlen festzuhalten.25Vgl. zur Landtagswahl Haug in: Haug HK-BWVerf, Art. 31 Rn. 37 f. und zur Bundestagswahl Jarass in Jarass/ Pieroth, a. a. O. GG Art. 41 Rn. 2 und 7 m. w. N.

Insoweit ist Amtsträgern und Mitarbeitenden der Verwaltungen größtmögliche Zurückhaltung innerhalb der Vorwahlzeit zu empfehlen. Jeden Anschein einer Parteilichkeit einer Verwaltung gilt es zu vermeiden. Und dies umso mehr, je näher der Wahltermin liegt, wobei wohl nach inzwischen herrschender Meinung „die heiße Phase des Wahlkampfes“ auf mindestens drei Monate vor dem Wahltermin rechtssicher fixiert werden kann.

Dr. Herbert O. Zinell

Dr. Herbert O. Zinell

Senator E.h. Dr. Herbert O. Zinell, Ministerialdirektor a.D. und Oberbürgermeister a.D
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  • 1
    Vgl. u. a. LT-Drs.16/1721 S. 2; VGH BW VBlBW 2023, 371 (372) m. w. N. und Quecke/Bock/Königsberg, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Auflage 2019, § 32 Rn. 76 m. w. N. Grds. zum Neutralitätsgebot vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG Art. 21 Rn. 23 m. w. N. Vgl. zur Abgrenzung zwischen dem Parteien gegenüber geltenden Neutralitätsgebot und dem gegenüber nicht zu den politischen Parteien zählenden politischen Gruppierungen zu berücksichtigenden Sachlichkeitsgebot u. a. BverwG, NVwZ 2018, 433 (vgl. zu dieser Entscheidung auch Krämer, Einführung in das Versammlungsrecht (Teil 1), in: VBlBW 2023, 388, 396 m. w. N.).
  • 2
    Vgl. u. a. Aker, in Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung und Gemeindehaushaltsverordnung Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2019, § 20 GemO Rn. 13; Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, 4. Aufl. 26.Lfg. Juni 2019, Rn. 52 zu § 20; LT-Drs. 15/4813 S. 5; LT-Drs. 15/7265 S. 34 und LT-Drs. 16/1721 S. 2.
  • 3
    Vgl. LT-Drs. 15/7265 S. 34.
  • 4
    Zur Kritik daran vgl. Fleckenstein/Pautsch, Evaluierung der Neuregelung der Gemeindeordnung (GemO) 2015, Eine retrospektive Gesetzesfolgenabschätzung im Auftrag des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg, Stand: 28. Februar 2020 S. 64 f. und 102 f. Vgl. auch LT-Drs. 17/357 S. 7 und 10.
  • 5
    Vgl. u. a. Kunze/Bronner/Katz, a. a. O., Rn. 44 ff. zu § 20.
  • 6
    Ebenda; Aker, a. a. O., Rn. 44 zu § 20 GemO m. w. N. und LT-Drs. 15/4813 S. 5.
  • 7
    Kunze/Bronner/Katz, a. a. O. Rn. 47 zu § 20.
  • 8
    Ebenda, Rn. 48 und 52 zu § 20; LT-Drs. 15/4813 S. 3 ff.; LT-Drs. 17/357 S. 7 und Rundschreiben R 25872/2016 v. 18.02.2016 S. 6 des baden-württembergischen Städtetages. Die Mehrzahl der Großen Kreisstädte und Stadtkreise, in denen es Amtsblätter gibt, haben sich auf eine Karenzzeit von drei Monaten festgelegt (vgl. hierzu auch StAnz. v. 13.08.2021 Nr. 31, S. 8).
  • 9
    Vgl. LT-Drs. 17/ 357 S. 8. So hat das OVG NRW, U. v. 19.08.1988 – 15 A 924/86 unter Bezugnahme auf BVerfGE 44, 125 die Frist von 6 Wochen für die Veröffentlichung einer Gemeinderatsfraktion für unzulässig erklärt.
  • 10
    Vgl. Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., Rn. 76; Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 12. Aufl. 2022, § 13 Rn. 39, Krebs, Kommunale Wahlbeamte zwischen politischem Meinungskampf und dienstrechtlicher Zähmung – Zur Reichweite ihrer Äußerungsfreiheit anhand eines aktuellen Praxisbeispiels, in: VBlBW 2024, 1, 5 und Oebbecke, Amtliche Äußerungen im Bürgermeisterwahlkampf, in NVwZ 2007, 30, 31 f. jeweils m. w. N. Zur Differenzierung der Rolle des Bürgermeisters als Sitzungsleiter einerseits und als „ein von den Bürgern gewähltes Gemeinderatsmitglied mit einem kommunalpolitischen Mandat“ anderseits, vgl. VGH BW VBlBW 2023, 291, 292 m. w. N.
  • 11
    Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 76, 77 und 79 m. w. N.
  • 12
    Ebenda, § 32 Rn. 76 m. w. N. und Barcak, Die parteipolitische Äußerungsbefugnis von Amtsträgern, Eine Gratwanderung zwischen Neutralitätsgebot und politischem Wettbewerb, in NVwZ 2015, 1014, 1016 ff. und Krebs, a. a. O. m. w. N. Vgl. auch bspw. VG Düsseldorf, U. v. 28.03.2022 – 1 K 1157/21 (juris): unzulässige „Anzeigenwerbung“ durch einen Landkreis zur Landratswahl.
  • 13
    LT-Drs. 16/1721 S. 2. Vgl. zum Ehrenbeamten § 5 BeamtStG i. V. m. § 3 Abs. 2.
  • 14
    Vgl. hierzu u. a. Brinktrine, Staatsschutz und Dienstrecht, in Dietrich/Fahrner/Gazeas/von Heintschel-Heinegg, Handbuch Sicherheits- und Staatsschutzrecht, 2022, § 46 Rn. 37 ff.; Heinrich/Reimer, Zwischen Neutralität und Politizität, Zurückhaltungsgebote für die Öffentlichkeitsarbeit kommunaler Wahlbeamter, in NVwZ 2022, 371, 372 f. und LT-Drs.16/1721 S. 2.
  • 15
    Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 80 m. w. N. und Kunze/Bronner/Katz, a. a. O., Rn.45 zu § 20 GemO m. w. N.
  • 16
    Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 80a. Vgl. bspw. zur Neutralitätspflicht von Beschäftigten im Bürgermeisterwahlkampf VGH BW VBlBW 2020, 40 ff.
  • 17
    Vgl. hierzu u. a. Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn 76 ff.
  • 18
    Vgl. bereits Rathausbrief der Stadt Karlsruhe v. 10.01.2011
  • 19
    Vgl. hierzu BVerwG NVwZ 2018, 433 und Krebs, a. a. O.
  • 20
    Vgl. LT-Drs. 16/1721 S. 2 f.
  • 21
    Die Veröffentlichung der Fraktionen während der Vorwahlzeit in den Amtsblättern ist ja, wie bereits angesprochen, in § 20 Abs. 3 Satz GemO geregelt. Zu den Details insoweit vgl. u. a. Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 77 und Kunze/Bronner/Katz, a. a. O. Rn. 50 ff. zu § 20.
  • 22
    Vgl. zu den Details ebenda Rn. 50 f. zu § 20 und Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 77 jeweils m. w. N.
  • 23
    Vgl. Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 86 m. w. N. Zur grundsätzlichen Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes bei der Nutzung öffentlicher Einrichtungen vgl. u. a. Aker, a. a. O., Rn. 13 zu § 10 GemO und dort Rn. 15 zum Zulassungsanspruch von Parteien.
  • 24
    Quecke/Bock/Königsberg, a. a. O., § 32 Rn. 1; Kunze/Bronner/Katz, a. a. O., Rn. 46 m. w. N. und LTDrs.16/1721 S.3.
  • 25
    Vgl. zur Landtagswahl Haug in: Haug HK-BWVerf, Art. 31 Rn. 37 f. und zur Bundestagswahl Jarass in Jarass/ Pieroth, a. a. O. GG Art. 41 Rn. 2 und 7 m. w. N.
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