02.02.2024

Der Gemeindliche Vollzugsdienst

Aufgabenübertragung, Organisation und Kompetenzen

Der Gemeindliche Vollzugsdienst

Aufgabenübertragung, Organisation und Kompetenzen

Ein Beitrag aus »Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV

Der folgende Beitrag befasst sich ein weiteres Mal mit dem uniformierten kommunalen Ordnungsdienst, diesmal jedoch aus dem Blickwinkel des Rechtsanwenders in der gemeindlichen Praxis. Ersterer ist mittlerweile unverzichtbarer Bestandteil vieler Gemeindeverwaltungen in Baden-Württemberg und wird vor allem in der wärmeren Jahreszeit zum Zwecke des Schutzes öffentlicher Straßen und Anlagen vor Vermüllung, Vandalismus und Verschmutzung sowie der Befriedung öffentlicher Konfliktbereiche eingesetzt, in denen die Interessen ruhebedürftiger Anwohner mit den Interessen von Feiernden und sonstigen Freizeitnutzern aufeinanderprallen. Durch ihn sollen Vollzugsdefizite bei ortsrechtlichen Regelungen beseitigt werden. Aufgrund der verschiedenen aus finanziellen Gründen durchgeführten Strukturreformen und des damit einhergehenden Rückzugs der Landespolizei bei der Verfolgung und Ahndung von ordnungsrechtlichen Verstößen im öffentlichen Bereich sahen sich seit Beginn der 2010er-Jahre zahlreiche Gemeinden im Land gezwungen, einen kommunalen Ordnungsdienst einzurichten bzw. bereits vorhandene gemeindliche Vollzugsdienste personell erheblich aufzustocken. Die Gemeinden wären ansonsten nicht mehr in ausreichendem Maße in der Lage gewesen, entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag für den Vollzug gemeindlicher Satzungen, Polizeiverordnungen sowie polizeilicher Verfügungen zu sorgen und ggf. Bußgelder zu erlassen. Auch bei spezialgesetzlichen polizeilichen Aufgaben – wie z. B. des Gaststätten- und Glücksspielrechts – sind sie aus denselben Gründen zum Zwecke der Durchführung von Vorortkontrollen und Vollstreckungsmaßnahmen oftmals auf gemeindliche Vollzugsbedienstete angewiesen.

I. Einleitung

Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zum Kommunalen Ordnungsdienst suchte man in Baden-Württemberg bis zum Jahre 2019 vergeblich. Erhellend ist jedoch ein Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH BW) vom 16.07.2019, welcher sich mit der Frage der Gewährung einer Polizeizulage nach § 48 Abs. 1 LBesG an einen gemeindlichen Vollzugsbeamten befasst. Der Kläger vertrat in diesem Verfahren die Ansicht, er sei dem staatlichen Polizeivollzugsdienst im Sinne des § 48 Abs. 1 LBesG zuzurechnen, da ihm auf der Grundlage von § 31 DVO PolG polizeiliche Vollzugsaufgaben übertragen worden seien. Das Gericht lehnte dies jedoch ab und kam u. a. mithilfe einer historischen Auslegung des PolG zu der Auffassung, dass ein gemeindlicher Vollzugsdienst in institutionell-organisatorischer Hinsicht ungeachtet der Übertragung vollzugspolizeilicher Aufgaben eine unselbstständige Verwaltungseinheit und als solche Teil der Ortspolizeibehörde ist.

Auch die Fachliteratur war bis zum Jahr 2019 recht überschaubar. Mit den heute höchst umstrittenen Themen der Errichtung, Aufgabenübertragung sowie der den betreffenden Bediensteten im Einzelnen zustehenden Kompetenzen hatte sich bis dahin nur Gassner tiefergehend auseinandergesetzt. In den Jahren 2019 und 2022 wurden sie sodann jedoch aufgegriffen und nochmals näher beleuchtet. Demnach soll § 125 PolG als Rechtsgrundlage für die Einrichtung und Beauftragung eines kommunalen Ordnungsdienstes den Ortspolizeibehörden lediglich die Option der Wahrnehmung („können“) einer zusätzlichen neuen Aufgabe eröffnen, die insofern als freiwillige Aufgabe i. S. d. § 2 Abs. 1 GemO zu qualifizieren sei. Insoweit handele es sich nicht um eine „hiernach übertragene“ Aufgabe und daher auch nicht – wie sonst bei der Aufgabenwahrnehmung nach dem PolG – um eine Pflichtaufgabe nach Weisung gemäß § 107 Abs. 4 Satz 2 PolG. § 125 PolG sei nicht vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst, und ein Verweis auf § 44 Abs. 3 GemO gehe ins Leere. Aus diesem Grund verbleibe es gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO hinsichtlich der Errichtung eines gemeindlichen Vollzugsdienstes bei der Organkompetenz des Gemeinderats im Rahmen seiner dementsprechenden Allzuständigkeit. Was für die Entscheidung der Errichtung gelte, müsse auch für die davon schwerlich zu trennende Entscheidung der spezifischen Aufgabenübertragung nach § 31 Abs. 1 DVO PolG gelten. Bei diesen Entscheidungen handele es sich in materieller Hinsicht zudem um abstrakt-generelle Regelungen, die aufgrund ihres abstrakten Charakters und mangels Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung in der Form einer Satzung zu ergehen hätten. Eine dem widersprechend erfolgte Aufgabenübertragung lediglich durch den Bürgermeister führe demnach erstens zur Unwirksamkeit der Aufgabenübertragung und schlage zugleich auf Akte der gemeindlichen Vollzugsbediensteten durch, da sämtliche durch sie getroffenen Maßnahmen mangels Zuständigkeit rechtswidrig seien.


Diese Rechtsansicht steht jedoch in krassem Widerspruch zu der bis dahin in Baden-Württemberg einheitlich geübten und durch die Fachaufsichtsbehörden gestützten Praxis bei der Errichtung gemeindlicher Vollzugsdienste nach § 125 PolG. Zumindest die Aufgabenübertragung dürfte bis zu diesem Zeitpunkt in Baden-Württemberg nicht durch Satzung, sondern durchweg mittels interner Dienstanweisung erfolgt sein. Dies wurde durch eine seitens der Fachaufsichtsbehörden mittels Erlasses zur Verfügung gestellte Musterdienstvereinbarung sogar vorgegeben. Der erst nachträglich mit der Schaffung des § 32 DVO PolG im Jahr 1994 ohne jegliche Übergangsregelungen aufgenommenen Bekanntmachungspflicht hinsichtlich der Aufgabenübertragung wurde lediglich eine deklaratorische Funktion zugeschrieben. Nach der vorstehend beschriebenen Ansicht unterlägen die Bestellung und Aufgabenübertragung nun aber mangels Vorliegens einer Weisungsaufgabe gar nicht (mehr) der Fachaufsicht, sondern als vermeintliche Selbstverwaltungsaufgabe lediglich der Rechtsaufsicht.

Im Folgenden soll nun ausgeführt und näher begründet werden, dass die dargestellte Literaturansicht fehlgeht, da

– mit der Errichtung und Aufgabenübertragung keine Kompetenzerweiterung stattfindet, es vielmehr lediglich um das „Wie“ der Wahrnehmung ortspolizeilicher Aufgaben geht,

– die Errichtung und Beauftragung eines gemeindlichen Vollzugsdienstes als ausgeübte Befugnis im Rahmen der Wahrnehmung polizeilicher Vollzugsaufgaben eine Pflichtaufgabe nach Weisung im Sinne des § 107 Abs. 4 Satz 2 PolG darstellt,

– es sich sowohl bei der Errichtung als auch bei der Aufgabenübertragung nach § 31 DVO PolG um kommunalinterne Organisationsakte ohne Außenwirkung handelt, die bereits in kommunalrechtlicher Hinsicht gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 GemO im Zuständigkeitsbereich des Bürgermeisters liegen.

In diesem Zusammenhang soll auch näher auf die den gemeindlichen Vollzugsbediensteten als solche zustehenden polizeilichen Befugnisse und auf zu beachtende Regelungen des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes (LVwVG) eingegangen werden.

[…]

Den gesamten Beitrag entnehmen Sie den Verwaltungsblättern Baden-Württemberg Heft 12/2023, S. 495.

 

Ass. iur. Sabine D. Hohnberg

Justiziarin in der Kommunalverwaltung, Dozentin bei der Badischen Gemeindeverwaltungsschule/ Bezirksschule Konstanz
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