23.01.2024

Die Zweitwohnungssteuer: Eigennutzung durch Wohnungseigentümer

Bemessung des Aufwands und Bewertungskriterien

Die Zweitwohnungssteuer: Eigennutzung durch Wohnungseigentümer

Bemessung des Aufwands und Bewertungskriterien

Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse Bayern« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse Bayern« | © emmi - Fotolia / RBV

Wer als Zweitwohnung eine eigene Immobilie nutzt und daher keine Miete zahlt, wird in der Regel zur Zahlung von Zweitwohnungssteuer auf der Grundlage einer ortsüblichen Nettokaltmiete herangezogen. Die konkrete Berechnung dieser hypothetischen Vergleichsmiete führt nicht selten zu Rechtsstreitigkeiten.

Im unten vermerkten Fall, über den der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) im Rahmen des Berufungszulassungsverfahrens zu entscheiden hatte, gehörte den Klägern ein als Zweitwohnung genutztes Einfamilienhaus im Gemeindegebiet der Beklagten. Der auf der Zweitwohnungssteuersatzung (ZwStS) beruhende Bescheid für das Jahr 2020 sah vor, dass sie Zweitwohnungssteuer in Höhe von 2.860,49 Euro zu zahlen hatten.

Der Betrag errechnete sich aufgrund einer geschätzten Nettokaltmiete von 7,79 Euro/m2 Wohnfläche, die sich – unter Berücksichtigung eines Abschlags von 5 % – aus einer geschätzten mittleren Kaltmiete von 8,20 Euro/m2 ergab. Grundlage dieser Schätzung war eine vom Gutachterausschuss des Landkreises vorgelegte Auswertung der Mieten von verkauften Wohnobjekten in den Jahren 2017 bis 2019.


Die Kläger erhoben gegen den Zweitwohnungssteuerbescheid Widerspruch und trugen vor, die angesetzte Nettokaltmiete von 7,79 Euro/m2 treffe nicht zu, da die Auswertung des Gutachterausschusses keine taugliche Grundlage für die Ermittlung der ortsüblichen Nettokaltmiete sei. Im Abhilfeverfahren verwies die beklagte Gemeinde darauf, dass sie zur Bestimmung der ortsüblichen Nettokaltmiete darüber hinaus auch Vergleichsmieten im Gemeindegebiet heranziehe, die sie seit einigen Jahren erfasse; danach seien die Mieten von durchschnittlich 9,04 Euro/m2 im Jahr 2017 auf 10,28 Euro/m² im Jahr 2020 angestiegen; für Wohnungen mit über 120 m2 Wohnfläche sei in diesem Zeitraum durchschnittlich 8,86 bis 11,10 Euro/m2 als Nettokaltmiete gefordert worden. Der Widerspruch der Kläger und ihre nachfolgende Klage zum Verwaltungsgericht blieben ohne Erfolg. Auch ihr Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil wurde abgelehnt. Der unten vermerkte Beschluss des VGH vom 16.8.2023 enthält folgende Klarstellungen:

  1. Die eine Zweitwohnungssteuer erhebende Gemeinde ist bei der Festlegung der Kriterien zur Ermittlung der „ortsüblichen Nettokaltmiete“ nicht an die Bewertungsmaßstäbe des § 558 Abs. 2 BGB gebunden

Dem diesbezüglichen Vorbringen der Kläger hält das Gericht entgegen:

„Entgegen den Einwänden der Kläger ist die Beklagte ihrer Verpflichtung zur sachgerechten Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Steuererhebung hinreichend nachgekommen.

Für Zweitwohnungen, die wie hier im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen, gilt die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 ZwStS, wonach die Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen ist. Die genannte Satzungsbestimmung verlangt weder die Erstellung eines örtlichen Mietspiegels noch muss bei ihrer Anwendung auf die mietrechtliche Vorschrift des § 558 Abs. 2 BGB über die Bildung einer ortsüblichen Vergleichsmiete zurückgegriffen werden (BayVGH, B.v. 21.08.2006 – 4 BV 06.331 – juris Rn. 18).

Der örtliche Satzungsgeber muss bei der Ermittlung des Aufwands, der mit dem Innehaben einer vom Eigentümer genutzten Zweitwohnung typischerweise verbunden ist, nicht die auf zivilrechtliche Mieterhöhungsverlangen zugeschnittenen Einzelparameter des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB übernehmen. Es reicht vielmehr aus, dass er die Schätzung an den in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS genannten Faktoren ausrichtet, also an der im Gemeindegebiet für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlten Nettokaltmiete (BayVGH, U.v. 04.04.2006 – 4 N 05.22491) – BayVBl 2006, 504/504).

Dass in der genannten Satzungsbestimmung die energetische Beschaffenheit der jeweiligen Wohnung nicht gesondert als Bewertungskriterium aufgeführt wird, ist schon deshalb unerheblich, weil diese wertbestimmende Eigenschaft zur Ausstattung gehört und sich daher im Einzelfall auf das Schätzungsergebnis auswirken kann. Auch die in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS nicht ausdrücklich erwähnte Wohnraumgröße wird bei der Ermittlung der ortsüblichen Nettokaltmiete berücksichtigt, sofern wie hier ein ortsüblicher Quadratmeterpreis als Schätzungsgrundlage herangezogen wird, der mit der Wohnfläche multipliziert wird. Die von den Klägern geforderte weitere Ausdifferenzierung und begriffliche Erläuterung der satzungsrechtlich vorgegebenen Bewertungskriterien ist rechtlich nicht geboten, da bereits anhand der umfassend zu verstehenden Merkmale, Art, Lage und Ausstattung eine hinreichende Erfassung des Mietwerts der einzelnen Wohnung möglich ist.“

  1. Die Gemeinde hat im Rahmen ihrer Schätzungsbefugnis einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich möglicher Zu- und Abschläge von der ermittelten Durchschnittsmiete

Auch diesbezüglich konnten die Einwendungen der Kläger keinen Erfolg haben:

„In Anbetracht der dem Satzungsgeber bei der Regelung von Massengeschäften zustehenden Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis (vgl. BVerwG, B.v. 19.05.2021 – 9 C 2.202) – NVwZ-RR 2021, 991 Rn. 9 m.w.N.) können die Inhaber von Zweitwohnungen im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 ZwStS nicht verlangen, dass die für ihre Wohnung im Vermietungsfall jeweils anzusetzende Nettokaltmiete individuell anhand einer Vielzahl werterhöhender oder wertmindernder Einzelmerkmale mit entsprechenden Zu- und Abschlägen bestimmt wird.

Die Beklagte musste daher weder das Alter der Heizung noch den Grad der Wärmedämmung im Haus der Kläger gesondert bewerten, sondern durfte – auch im Hinblick auf die in deren Steuererklärung angegebene durchschnittliche Ausstattung des Anwesens – bei einer Gesamtbetrachtung des Anwesens von entsprechenden ausstattungsbezogenen Abschlägen absehen. Dass das Wohnhaus, das u. a. über einen Balkon und eine Terrasse verfügt, insgesamt als sehr einfach ausgestattet anzusehen wäre und daher den von der Beklagten für solche Fälle gewährten Abschlag von 10 % beanspruchen könnte, haben die Kläger nicht dargetan.

Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, kann der Abgabenpflichtige nicht die Anwendung eines aus seiner Sicht optimalen Verfahrens zur Feststellung des Mietwerts der Wohnung, sondern lediglich eine sachgerechte Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungssteuer verlangen. Die der Beklagten in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS eingeräumte Schätzungsbefugnis ist daher rechtlich nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 04.03.2021 – 4 ZB 20.2463) – juris Rn. 16); sie stellt eine zulässige Vollzugserleichterung dar und entbindet die Beklagte davon, den Mietaufwand in der ortsüblichen Höhe für die jeweilige Wohnung durch ein Sachverständigengutachten exakt ermitteln zu müssen (BVerwG, U. v. 14.12.2017 – 9 C 11.164) – BVerwGE 161, 119 Rn. 27).

Da die Ermächtigung zur Schätzung einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum impliziert (BayVGH, a.a.O., Rn. 20), bleibt es der Beklagten auch überlassen, welche Besonderheiten der jeweiligen Wohnung sie für so gewichtig hält, dass sich dadurch bei der Bestimmung der hypothetischen Nettokaltmiete auf der Grundlage von Vergleichsfällen Zu- oder Abschläge von der angenommenen Durchschnittsmiete rechtfertigen lassen. Insoweit handelt es sich stets um eine Einzelfallentscheidung, so dass in der Abgabensatzung kein festes System von Korrekturfaktoren vorgegeben werden muss.“

  1. Für die Schätzung verwertbare Erkenntnisse über das örtliche Mietniveau können sich auch aus Daten ergeben, die der zuständige Gutachterausschuss anlässlich von Grundstücksgeschäften gewonnen hat

Hierzu stellt das Gericht abschließend fest:

„Da die Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten über die Benennung der Bewertungskriterien, Art, Lage und Ausstattung hinaus keine weiteren Vorgaben bezüglich des Schätzungsverfahrens enthält, muss das zur Ermittlung der ortsüblichen Nettokaltmiete verwendete Datenmaterial nicht den strengen wissenschaftlichen Anforderungen an eine statistisch-mathematische Datenbasis genügen. Die Beklagte war daher nicht gehindert, bei ihrer Schätzung von den vom Gutachterausschuss des Landkreises für die Jahre 2017 bis 2019 ermittelten durchschnittlichen Mietpreisen auszugehen.

Dass die von dem Ausschuss verwendeten Einzelangaben nicht sämtliche Grundstücksgeschäfte im damaligen Zeitraum erfassten, sondern durch Fragebögen gewonnen worden waren, die an die Grundstückskäufer versandt und von diesen freiwillig (mit einer Quote von immerhin 90 %) ausgefüllt und zurückgesandt worden waren, stand ihrer Verwertbarkeit als Schätzungsgrundlage ebenso wenig entgegen wie der allgemeine Hinweis des Gutachterausschusses, dass die Auswertung kein Mietspiegel sei und nur im Sinne einer allgemeinen Marktinformation vorgestellt werde.

Die auf der Basis der Auswertung des Gutachterausschusses geschätzte mittlere Kaltmiete von 8,20 Euro für ein nach Art, Lage und Ausstattung mit dem Wohnhaus der Kläger vergleichbares Objekt war nach allen erkennbaren Umständen jedenfalls nicht zu hoch gegriffen. Dies ergibt sich insbesondere aus den von der Beklagten im Abhilfeverfahren vorgelegten zusätzlichen Erkenntnissen über das örtliche Mietniveau und dessen Entwicklung in den vergangenen Jahren, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat. Weshalb diese aktuellen Erkenntnisquellen, die keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben, im Rahmen der Schätzung von vornherein unverwertbar sein sollen, haben die Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt.“

Entnommen aus der Gemeindekasse Bayern Heft 21/2023, Rn.197.

 

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