19.01.2024

Lernen in neuem Licht

Beleuchtung in Bildungsstätten wird digital und flexibel

Lernen in neuem Licht

Beleuchtung in Bildungsstätten wird digital und flexibel

Für homogenes und blendfreies Licht verlaufen drei Lichtbänder an der Decke parallel zur Fensterfront. (Foto: licht.de/Trilux)
Für homogenes und blendfreies Licht verlaufen drei Lichtbänder an der Decke parallel zur Fensterfront. (Foto: licht.de/Trilux)

Auf optimale Beleuchtung kommt es an.

Schule findet heute unter völlig anderen Voraussetzungen statt als im vergangenen Jahrhundert. In den „Flurschulen“ von einst reihen sich Klassenräume entlang der Gänge. Viele dieser Gebäude werden heute noch genutzt, der klassische Frontalunterricht jedoch weicht moderneren Unterrichtskonzepten, die stärker individuelle Lernprofile der Schülerinnen und Schüler berücksichtigen und zwischen Methoden, Arbeitsformen und Lernorten wechseln. All das setzt eine sorgfältige und weitsichtige Planung der Beleuchtung mit einer geeigneten, flexiblen Steuerung voraus.

Lange Zeit sollte die Beleuchtung von Bildungseinrichtungen vor allem energieeffizient sein und den geltenden Normen und Richtlinien entsprechen. Heute steht zunehmend die Lichtqualität im Vordergrund. Denn Lernen verlangt den Augen Höchstleistungen ab. Mit gutem Licht können Lernende Informationen rasch und korrekt aufnehmen. Zugleich beeinflusst es das emotionale Empfinden des Menschen. Richtig eingesetzt, verhilft die Beleuchtung zu mehr Wohlbefinden, wirkt motivierend und fördert die Kommunikation. Eine durchdachte Lichtplanung berücksichtigt diese Ansprüche und die unterschiedlichen Lichtbedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.


Mehr Licht für bestimmte Tätigkeiten

In Unterrichtsräumen sollte das Beleuchtungsniveau bei mindestens 500 Lux liegen. Es gibt aber auch Fachräume wie Labore, IT- oder Kunsträume, in denen je nach Tätigkeit eine höhere Lichtmenge sinnvoll sein kann, beispielsweise 750 bis 1.000 Lux beim Zeichnen. Die Arbeitsstättennorm DIN EN 12464-1 nennt für die unterschiedlichen Bereiche und Tätigkeiten genaue Anforderungen, unter anderem Beleuchtungsstärke, Blendungsbegrenzung und Farbwiedergabe.

Komfortable Steuerung mit Lichtszenen

Ändert sich die Nutzung in Räumen oft, spielen Lichtmanagementsysteme ihre Stärken besonders gut aus: Lichtszenen werden auf verschiedene Tätigkeiten und Unterrichtszwecke abgestimmt und lassen sich über ein Steuerdisplay einfach abrufen – etwa für eine Lehrveranstaltung, einen Vortrag oder eine Medienvorführung. Lichtmanagement und Lichtszenen sollten genauso detailliert geplant werden wie das Lichtkonzept – sie müssen intuitiv bedienbar sein und erlauben dem Nutzer auch, manuell einzugreifen. Das ist bereits mit vielen vorkonfigurierten oder vorkonfigurierbaren Systemen für Bildungseinrichtungen möglich.

Viel Tageslicht tut gut

Lernumgebungen und Arbeitsplätze sollten eine Sichtverbindung nach außen haben und möglichst viel Tageslicht hereinlassen, empfehlen Arbeitsstättenverordnung und Technische Regel ASR A3.4. Natürliches Licht ist ein wichtiger Faktor zur Energieeinsparung: Lichtsteuerungen geben nur dann künstliches Licht hinzu, wenn das einfallende Tageslicht nicht ausreicht. Sie stellen sicher, dass jederzeit das gewünschte Beleuchtungsniveau erreicht wird.

Ein weiterer Sparfaktor ist die Präsenzerfassung: Klassenräume sind nicht immer belegt und leere Räume brauchen kein Licht. Eine Präsenzerfassung schaltet das Licht automatisch an und aus, wenn der Raum betreten oder verlassen wird. Prädestiniert dafür sind auch Flure, die während des Unterrichts nur selten betreten werden, weil Schülerinnen und Schüler in ihren Klassen sind. Besser als das Licht ganz auszuschalten ist es, die Beleuchtung auf ein Mindestmaß zu dimmen. Das erleichtert die Orientierung und beugt Unfällen vor. Lichtmanagement erfordert eine hohe Kompatibilität der beteiligten Komponenten. Ihre Wartung wird deutlich einfacher und kostengünstiger. Zudem kann ein Notlichtsystem eingebunden werden.

Leichter lernen mit Human Centric Lighting

Eine Lichtsteuerung ist zugleich die Voraussetzung für fortschrittliche Beleuchtungskonzepte, die Schülerinnen und Schüler zielgerichtet und langfristig unterstützen können. Human Centric Lighting (HCL) berücksichtigt neben den visuellen Anforderungen auch biologische und emotionale Aspekte. Diese Form der Beleuchtung stabilisiert den Biorhythmus und verbessert das Schlafverhalten. So verhilft sie auch zu mehr Wohlbefinden und Konzentrationsvermögen. Studien an Bildungseinrichtungen belegen: Mit einer biologisch wirksamen Beleuchtung arbeiten Lernende aufmerksamer und kommen in kürzerer Zeit zu besseren Ergebnissen.

HCL orientiert sich am natürlichen Verlauf des Tageslichts und setzt entsprechende Impulse: Morgens ist es heller, die Blauanteile im Licht sind höher. Es kommt flächig von oben. Bestimmte Zellen im menschlichen Auge registrieren die Helligkeit zu Tagesanfang und versetzen den Körper in Betriebsmodus. Gegen Abend steigen die Rotanteile, die Beleuchtungsstärke sinkt und gerichtetes Licht lässt den Menschen zur Ruhe kommen. Langfristig wird der circadiane Rhythmus – der biologische Rhythmus mit einer Dauer von etwa 24 Stunden – gestärkt, der Schlaf erholsamer und das Wohlbefinden steigt.

Was passiert dabei im Körper? Neben den Stäbchen und Zapfen gibt es auf der Netzhaut lichtempfindliche Fotorezeptoren, die nicht dem Sehen dienen. Sie leiten visuelle Informationen über den Sehnerv ins Gehirn weiter. Von dort werden Hormone ausgesandt oder unterdrückt. Am Morgen hellt Serotonin die Stimmung auf und Cortisol regt den Stoffwechsel an. Abends schüttet die Epiphyse (Zirbeldrüse) wieder den Müdemacher Melatonin aus. HCL macht sich diese Erkenntnisse zunutze.

Im Unterricht können spezielle Lichtszenen die Atmosphäre komplett verändern. Drei besondere Effekte erleichtern den Schulalltag:

  • Aktivierung
    Erhöhte Aufmerksamkeit erzielen höhere Farbtemperaturen von mindestens 5.000 Kelvin, Beleuchtungsstärken und Anteile direkten Lichts – eine willkommene Unterstützung bei Klassenarbeiten oder Leseaufgaben.
  • Diskussion
    Für mehr Ruhe bei der Gruppendiskussion sorgen warme Lichtfarben und ein hoher indirekter Lichtanteil bei mittlerer Wandhelligkeit.
  • Entspannung
    Damit die Bewegungsunruhe nachlässt oder etwa nach Prüfungen Erholung einkehrt, sind ein geringeres Beleuchtungsniveau, Farbtemperaturen von maximal 3.000 Kelvin und indirektes Licht gefragt.

Welche Erfahrungen Pilotprojekte mit dem fortschrittlichen Beleuchtungskonzept gesammelt haben, dokumentiert der Film von licht.de „Human Centric Lighting“ in der Langversion – zu sehen auf www.licht.de/videos.

Neue Schulen braucht das Land

Der Sanierungsbedarf im deutschen Schulsystem ist hoch. Das betrifft nicht nur veraltete Gebäude, sondern oft auch Beleuchtungsanlagen selbst, wenn sie noch mit Leuchtstoffröhren betrieben werden. Das konventionelle Leuchtmittel ist in der Europäischen Union ein Auslaufmodell. Dann heißt es umrüsten oder gleich modernisieren – in lernförderliche Umgebungen, in denen gerne gelernt und gelehrt wird. Die richtige Beleuchtung von Schulen und Bildungseinrichtungen ist eine anspruchsvolle, aber lohnenswerte Aufgabe: Denn je besser das Licht an die jeweiligen Lernsituationen angepasst ist, desto mehr Informationen können aufgenommen, verarbeitet und abgespeichert – also erlernt – werden.

Besser lernen in neuem Licht

Freier Download: www.licht.de/lichtwissen02 (Titelbild: licht.de/Signify)

Das Heft licht.wissen 02 „Lernen in neuem Licht“ der Brancheninitiative licht.de bündelt auf 72 Seiten alle Informationen für die Beleuchtung von Kindergärten, Schulen, Universitäten und weiteren Lernumgebungen. Die Fachpublikation gibt Hinweise und Anregungen zur Lichtplanung für alle Orte des Lernens und Unterrichtens. Sie richtet sich an Kommunen, Träger, Schulleiter, Lichtplaner und Architekten.

Das Sanierungsbeispiel zeigt oben die Anordnung von Leuchten mit veränderlicher Farbtemperatur für eine maximale Beleuchtungsstärke von 750 Lux. Ein Lichtmanagementsystem zur circadianen Steuerung der Farbtemperatur, Anwesenheitserfassung sowie tageslichtabhängiger Regelung stellt den permanenten Sollwert von 500 Lux sicher und bietet eine zusätzliche manuelle Dimmfunktion sowie Lichtszenen. (Grafik: licht.de)

 

Grafik: licht.de

 

Anmerkung der Redaktion: Die Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt

 

Dr. Jürgen Waldorf

Geschäftsführung licht.de – eine Brancheninitiative des ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. Frankfurt am Main
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