23.01.2024

Der kommunale Finanzausgleich

Differenzierte fiktive Realsteuerhebesätze

Der kommunale Finanzausgleich

Differenzierte fiktive Realsteuerhebesätze

Ein Beitrag aus »Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV

Auf die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen in NRW weisen die Kommunalen Spitzenverbände unisono seit Langem und mit großer Regelmäßigkeit hin. Für die nächste Zeit zeichnen sich signifikante Steuermindereinnahmen auf allen Ebenen und abnehmende Spielräume des Landes und des Bundes für dringend benötigte Zuweisungen an die Kommunen ab.

A. Einleitung

Auf die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen in NRW weisen die Kommunalen Spitzenverbände unisono seit Langem und mit großer Regelmäßigkeit hin. Für die nächste Zeit zeichnen sich signifikante Steuermindereinnahmen auf allen Ebenen und abnehmende Spielräume des Landes und des Bundes für dringend benötigte Zuweisungen an die Kommunen ab. Diese wiederum kämpfen mit stark steigenden Ausgaben – z. B. in den Bereichen Bauen, Energie, Personal und Flüchtlingsversorgung – sowie mit einem gigantischen langfristigen Bedarf an Investitionen – etwa in Klimaschutz, Klimaanpassung oder für die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsbetreuungsplatz. Viele Kämmerinnen und Kämmerer sehen sich außerstande, noch ausgeglichene Haushaltsentwürfe vorzulegen.

Angesichts dieser Nöte kann es nicht überraschen, dass die Verteilung von staatlichen Mitteln an die kommunale Ebene mit Argusaugen beobachtet wird und – tatsächliche oder vermeintliche – Ungerechtigkeiten Konflikte auslösen. Diese werden in der Regel im Wege des politischen Diskurses in parlamentarischen oder ministeriellen Anhörungsverfahren ausgetragen – gelegentlich aber auch vor den Gerichten.


Mit einem Verteilungsvolumen von rund 15 Mrd. € steht der jährlich vom Land zu beschließende kommunale Finanzausgleich im Zentrum des Interesses und war in der Vergangenheit wiederholt und mit unterschiedlichem Erfolg Gegenstand von Kommunalverfassungsbeschwerden. Derzeit muss sich der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) NRW erneut mit dem kommunalen Finanzausgleich befassen.

Ende 2022 haben acht kreisfreie Städte Verfassungsbeschwerde gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Gemeindefinanzierungsgesetz 2022 (GFG 2022) erhoben. Sie behaupten, es liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darin, dass für kreisfreie Städte höhere fiktive Realsteuerhebesätze festgesetzt sind als für kreisangehörige Städte und Gemeinden. Welche Logik hinter der Differenzierung steht und ob tatsachlich eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vorliegt, soll im Folgenden geklärt werden.

B. Grundlagen des kommunalen Finanzausgleichs

I. Verfassungsauftrag und generelle Funktionsweise

Den öffentlichen Gebietskörperschaften, also Bund, Ländern und Kommunen, ist durch Gesetz die Erledigung zahlreicher öffentlicher Aufgaben übertragen. Damit deren Erfüllung gelingt, muss jeder Träger öffentlicher Aufgaben auch mit den zur Finanzierung dieser Aufgaben erforderlichen Deckungsmitteln versehen sein.

Haupteinnahmequelle der Kommunen sind – ebenso wie beim Bund und bei den Ländern – Steuern, und zwar insbesondere die sogenannten Realsteuern (Gewerbesteuer und Grundsteuer), deren Aufkommen nach Art. 106 Abs. 6 GG grundsätzlich den Gemeinden zusteht, sowie die Gemeindeanteile an der Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Hinzu kommen Gebühren, Beitrage und privatrechtliche Entgelte, Erträge aus wirtschaftlichen Unternehmen, Konzessionsabgaben, Vermögenserträge und Mittel aus Kreditaufnahmen. Kreise und Landschaftsverbande finanzieren sich zu großen Teilen über Umlagen, die sie von ihren zugehörigen Kommunen erheben.

Neben diesen selbst zu steuernden Einnahmequellen stehen allgemeine oder zweckgebundene Finanzzuweisungen des Staates, die inzwischen ebenfalls einen erheblichen Teil der kommunalen Einnahmen ausmachen. Einen ganz wesentlichen Teil dieser Finanzzuweisungen macht der kommunale Finanzausgleich aus: Art. 106 Abs. 7 GG sieht vor, dass über die unmittelbare Steuerbeteiligung hinaus den Gemeinden und Gemeindeverbanden von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern (dies sind die besonders ertragreichen drei großen Steuerarten Einkommen-, Körperschaft-, Umsatzsteuer) insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zufließt. Dieser Gesetzgebungsauftrag wird für NRW in Art. 79 LV dahingehend konkretisiert, dass das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einen „übergemeindlichen Finanzausgleich“ zu gewährleisten habe.

Aufgabe des kommunalen Finanzausgleichs ist es, die kommunale Finanzmasse aufzustocken und die Aufteilung der Deckungsmittel zwischen den einzelnen Kommunen so zu steuern, dass aufgaben- und bedarfsgerecht Finanzmittel zur Verfügung stehen. Technisch umgesetzt wird dies mittels der im Zusammenhang mit den Landeshaushalten verabschiedeten jährlichen Gemeindefinanzierungsgesetze, die zum einen die zur Verteilung zur Verfügung stehenden Mittel festsetzen und zum anderen die Verteilungsparameter beschreiben.

Entgegen seiner ursprünglichen Konzeption kann nicht mehr von einem subsidiären Instrument der Gemeindefinanzierung gesprochen werden, da die Anteile des Finanzausgleichs an den kommunalen Einnahmen rd. 30 % in den alten Bundesländern und rd. 50 % in den neuen Bundesländern betragen. Das für den Finanzausgleich zur Verfügung stehende Finanzvolumen wird nicht nach einheitlichen Parametern ausgeschüttet, sondern in verschiedene Blöcke aufgespalten, die nach unterschiedlichen Gesichtspunkten und mit einem unterschiedlichen Maß von Vorgaben für die Mittelverwendung auf die Kommunen verteilt werden.

Grundsätzlich wird unterschieden zwischen allgemeinen und zweckgebundenen Zuweisungen. Der weitaus größere Teil (i. d. R. über 90 %) des Ausgleichsvolumens entfällt auf allgemeine Zuweisungen, die den Kommunen i. d. R. ohne Antrag zur freien Verfügung gestellt werden. Dazu zählen neben besonderen Sonderpauschalzuweisungen und Bedarfszuweisungen die sog. Investitionspauschalen, auch wenn ihre Gewährung mit der Auflage einer investiven Verwendung durch die Zuweisungsempfänger verbunden ist.

Die weitaus größte Bedeutung unter diesen allgemeinen Zuweisungen kommt jedoch den (frei von jeder Zweckbindung vergebenen) sog. Schlüsselzuweisungen zu. Dies gilt auch und gerade wegen ihres Volumens: So machten die Schlüsselzuweisungen für Gemeinden, Kreise und Landschaftsverbande im GFG des Jahres 2023 rund 84 % der verteilbaren Mittel insgesamt aus. Das Zustandekommen dieser Schlüsselzuweisungen wird im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen.

  1. Methodik der Berechnung von Schlüsselzuweisungen

Als Schlüsselzuweisungen werden allgemeine Zuweisungen bezeichnet, die nach einem im Gesetz festgelegten „Schlüssel“ berechnet und den Gemeinden, Kreisen und Landschaftsverbänden zur Verfügung gestellt werden. Ihrem Sinn und Zweck nach handelt es sich um frei, also auch konsumtiv zu verwendende Finanzzuweisungen.

Ungeachtet der Komplexität der Ausgestaltung des Verteilungsschlüssels im Detail ist das zugrunde liegende Prinzip vergleichsweise simpel strukturiert. Letztlich werden – jeweils in abstrahierter Form – für jede Kommune ein Finanzbedarf und ihre Einnahmekraft ermittelt. Anschließend wird beides gegenübergestellt. Übertrifft der Bedarf die Einnahmekraft, wird für diese „Finanzierungslücke“ ein Ausgleich gewährt.

Den gesamten Beitrag entnehmen Sie aus den Nordrhein-Westfälischen Verwaltungsblättern 12/2023, S. 489 ff.

 

Claus Hamacher, M.Jur.

Finanzdezernent des Städte- und Gemeindebundes NRW und Hauptreferent
 

Carl Georg Müller

Finanzreferent des Städte- und Gemeindebundes NRW
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