15.06.2023

Stipendium für mehr Chancengleichheit

Aus Sicht einer Mentorin (Teil 1)

Stipendium für mehr Chancengleichheit

Aus Sicht einer Mentorin (Teil 1)

Über das Prinzip der Chancengleichheit besteht weitgehend gesellschaftlicher Konsens. Die Realität an deutschen Universitäten ist jedoch weit davon entfernt. | © melita - stock.adobe.com
Über das Prinzip der Chancengleichheit besteht weitgehend gesellschaftlicher Konsens. Die Realität an deutschen Universitäten ist jedoch weit davon entfernt. | © melita - stock.adobe.com

Nicht jedem jungen Menschen stehen die gleichen Türen in eine Karriere im Bereich des Rechts offen. Dennoch ist Gleichberechtigung beim Zugang zum Jurastudium ein selten beachtetes Thema. Das stellt eine große Herausforderung für Praktizierende sowie Studierende gleichermaßen dar – für die einen bei der Suche nach talentierten Nachfolgern, für die anderen bei der Frage nach dem beruflichen Werdegang. Ein Weg, die bestehende Ungleichheit zu verringern, ist das neu geschaffene Stipendium für Chancengleichheit der internationalen Anwaltskanzlei Baker McKenzie.

Über das Prinzip der Chancengleichheit, d. h. den sozialpolitischen Grundsatz, dass alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, Abstammung und Geschlecht gleiche Chancen in Bildung und Beruf erhalten sollten, besteht weitgehend gesellschaftlicher Konsens. Die Realität an deutschen Universitäten ist jedoch bekanntermaßen noch weit von diesem Anspruch entfernt. Kulturelle und familiäre Hintergründe sowie finanzielle Mittel haben weiterhin einen erheblichen Einfluss auf die individuellen Erfolgschancen.

Das wird beim Jurastudium besonders deutlich. Denn natürlich fällt das Studium denjenigen leichter, die von Anfang an Ratschläge und Tipps zur Planung des Studiums einschließlich der „richtigen“ Praktika und Auslandsaufenthalte bekommen. Studierende aus Nichtakademikerhaushalten haben es da ungemein schwerer. Auch müssen Studium und Auslandsaufenthalte erst einmal finanziert werden. Weitere Aspekte wie Krankheit und familiäre Verpflichtungen können das Studium erschweren und damit die Startchancen für die Karriere beeinträchtigen.


Zwanzig Stipendiaten ein Jahr lang begleiten

Hier knüpft das im Herbst 2022 von Baker McKenzie ins Leben gerufene Stipendium für mehr Chancengleichheit an. Das Stipendium richtet sich an Studierende, die aufgrund kultureller oder familiärer Hintergründe, fehlender finanzieller Mittel oder anderer Aspekte mit besonderen Herausforderungen im Jurastudium konfrontiert sind. In der ersten Runde wurden zwanzig Studierende ausgewählt, die wir als Kanzlei zunächst im Rahmen eines einjährigen Programms auf ihrem Weg begleiten und durch unsere Erfahrung, unsere eigenen Geschichten und Werdegänge sowie den Austausch mit Gleichgesinnten unterstützen.

Den Auftakt bildete eine Kick-Off-Veranstaltung im Februar 2023, in der alle am Programm beteiligten Mentees und Mentoren die Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen hatten. Ein zentraler Bestandteil des Stipendiums sind anschließend die sog. „Mentoring Circles“. Es handelt sich um kleine Kreise mit jeweils mehreren Mentees und mehreren Mentoren – Anwältinnen und Anwälte aus unterschiedlichen Praxisbereichen und Senioritätsstufen und HR-, die sich während regelmäßiger Treffen austauschen und ihren Mentees bei konkreten Fragen mit Rat zur Seite stehen. Als Mentorin des Stipendiums freue ich besonders, „meinen“ Mentees etwas von meinen eigenen persönlichen Erfahrungen weitergeben zu können.

Zu den weiteren Elementen des Stipendiums gehören u. a. eine monatliche Studienberatungshotline, monatliche Impulsvorträge, ein garantierter Praxiseinsatz in einem der deutschen Baker McKenzie Büros und ggf. auch ein Praxiseinsatz in einem der ausländischen Büros von Baker McKenzie mit finanzieller Unterstützung der Kanzlei und ein kostenloser Zugang zur Jurafuchs Lern-App sowie ein soziales Projekt. Engagement wird zurück- bzw. weitergegeben. Bei einer Abschlussveranstaltung am Ende des einjährigen Programms wird der Staffelstab dann der nächsten Generation der Stipendiaten überreicht, wobei der Kontakt auch danach nicht abreißen soll. Ziel ist vielmehr der Aufbau eines starken Netzwerks, das über die Dauer des Stipendiums hinausgeht.

Im Verbund sein und sich vernetzen

Schon bei unserer Kick-Off-Veranstaltung war es für mich bemerkenswert, wie unterschiedlich unsere Stipendiaten in ihren persönlichen Hintergründen und zugleich wie talentiert und engagiert sie trotz – oder wegen – ihrer individuellen Hürden sind. Das gilt nicht zuletzt für Dalia (Stipendiatin, Anm. d. Redaktion), die mit ihrer unglaublichen Kreativität und ihrer Begeisterung für interdisziplinäre Fragestellungen an der Schnittstelle zwischen Recht, Technologie, Design und Kunst beeindruckt. Für viele Stipendiaten war es außerdem motivierend zu erfahren, dass sie – anders als häufig im Alltag an der juristischen Fakultät – mit ihrer kulturellen Identität nicht alleine sind. Die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen, ist insoweit ein wichtiger Bestandteil des Stipendiums.

Voneinander lernen und sich gegenseitig ermutigen

Auch den regelmäßigen Austausch im Rahmen der Mentoring Circles – in unserem Fall bestehend aus fünf Mentees und drei Mentoren – empfinde ich als sehr wertvoll. Indem wir mit unseren Mentees die Themen, die sie beschäftigen, gemeinsam diskutieren, profitieren sie sowohl von den unterschiedlichen Erfahrungen der Mentoren als auch vom Austausch mit anderen Studierenden in ähnlicher Situation. Die Bandbreite der Themen ist groß: Neben konkreten Tipps fürs Lernen und Klausuren spielen die Planung und Strukturierung der Examensvorbereitung eine wichtige Rolle, ebenso wie die Orientierung über mögliche Karrierewege und die Planung von Referendariat, Praktika und Auslandsaufenthalten oder Masterstudium. Bei Dalia liegt z.B. der Fokus aktuell darauf, die Examensvorbereitung so zu strukturieren, dass sie trotz begrenzter Zeit und Kraft – Dalia arbeitet nebenbei zur Finanzierung des Studiums – gut vorbereitet und vor allem motiviert ins Examen gehen kann; eine Herausforderung, die sie mit vielen teilt. Auch insoweit stärken die Mentoring Circles unsere Mentees, denn sie sehen, dass sie mit ihren Fragen und mitunter auch Unsicherheiten nicht alleine sind, sondern voneinander lernen und sich gegenseitig ermutigen können. Das Stipendium für mehr Chancengleichheit wird so hoffentlich dazu beitragen, die Vielfalt, die es in unserer Gesellschaft heute gibt, auch in juristische Berufsfelder hineinzutragen.

Zur Person: Janet Butler

Dr. Janet Kerstin Butler ist Counsel in der Praxisgruppe Öffentliches Recht von Baker McKenzie in Berlin. Sie ist einer der Mentoren des Stipendiums für mehr Chancengleichheit und begleitete bereits Nachwuchsjuristen als Mentor im Rahmen des „Career Mentorship Program“ der Kanzlei. Janet Butler ist seit 2001 bei Baker McKenzie und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Beratung von Unternehmen, Finanzinstituten und Behörden im Bereich des Öffentlichen Rechts, mit einem Schwerpunkt auf Regulierte Industrien, z.B. der Chemie-, Energie- und Infrastrukturbranche. Sie hat in den Büros der Kanzlei in Berlin, Frankfurt und London gearbeitet.

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Die Serie: Stipendium für mehr Chancengleichheit

 

 

 

 

Dr. Janet Kerstin Butler

Counsel der Praxisgruppe Öffentliches Recht, Baker McKenzie, Berlin
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