19.06.2023

Bestattungspflicht auch in der Abwehr von Gesundheitsgefahren begründet

Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

Bestattungspflicht auch in der Abwehr von Gesundheitsgefahren begründet

Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV

Ein Mann mit letztem Wohnsitz in R. verstarb am 01.08.2022 in einem Pflegeheim in der Stadt K (K). Nach dem Anruf eines Freundes des Verstorbenen bei ihm hatte ein Bestatter den Verstorbenen aus dem Pflegeheim abgeholt und brachte ihn in eine Kühlzelle in seinem Haus in R. Nachdem K eine Bestattung des Verstorbenen ablehnte, überführte der Bestatter den Verstorbenen in eine Tiefkühleinrichtung in einem Krematorium in der Stadt B.

Den Eilantrag vom 12.08.2022, mit dem der Bestatter von der Stadt K begehrt hatte, die Bestattung des Verstorbenen zu veranlassen, hatte das Verwaltungsgericht (VG) mit Beschluss vom 12.08.2022 abgelehnt. Am 23.08.2022 hatte der Bestatter dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, dass K für die Bestattung des Verstorbenen zuständig sei, weil dieser sich vor seinem Tod zuletzt in K. aufgehalten habe. Für die Zuständigkeit sei nicht der Wohnsitz, sondern der letzte tatsächliche Aufenthalt des Verstorbenen maßgeblich. Ihm stehe ein Anspruch gegen die K aus § 31 Abs. 2 Bestattungsgesetz (BestattG) zu.

Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des VGH sowie daraus, dass § 31 Abs. 2 BestattG eine Vorschrift des materiellen Polizeirechts und die polizeiliche Generalklausel drittschützend sei. Zudem sei das Ermessen der K auf „null“ reduziert, sodass er einen Anspruch auf polizeiliches Einschreiten habe. Es gebe keine bestattungspflichtigen Personen und er habe auch keinen Bestattungsauftrag erhalten.


Nachdem das VG keine Verpflichtung der Stadt K zur Bestattung gesehen hatte, folgte eine Beschwerde beim VGH

Der Bestatter beantragte sachdienlich ausgelegt, den VG-Beschluss vom 12.08.2022 zu ändern und K im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Bestattung des am 25.08.1967 geborenen und am 01.08.2022 in K Verstorbenen zu veranlassen.

K trägt im Wesentlichen vor, dass jemand Vorsorgebevollmächtigter des Verstorbenen gewesen sei. § 31 Abs. 2 BestattG begründe keine subjektiven Rechte. § 31 Abs. 2 BestattG sei eine Vorschrift des materiellen Polizeirechts und diene der Abwehr einer polizeilichen Gefahr, die daraus resultiere, dass ein Verstorbener möglicherweise unbestattet bleibe. Die örtliche Zuständigkeit richte sich nach Polizeirecht. Gem. § 113 Polizeigesetz (PolG) beschränke sich die Zuständigkeit der Polizeibehörden auf ihren Dienstbezirk. Örtlich zuständig sei die Polizeibehörde, in deren Dienstbezirk eine polizeiliche Aufgabe wahrzunehmen sei. Der Verstorbene befinde sich in einem Krematorium in B. Dort sei also die polizeiliche Gefahr abzuwehren.

Dies müsse anhand der polizeirechtlichen Generalklausel und nicht anhand von § 31 Abs. 2 BestattG beurteilt werden. Im Zuständigkeitsbereich der K sei durch die Beauftragung des Bestatters nie ein polizeirechtswidriger Zustand eingetreten. Die zulässige Beschwerde war nicht begründet. Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Prüfung des VGH beschränkt, gaben dem VGH keinen Anlass, über den Antrag des Bestatters auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abweichend vom VG zu entscheiden.

Dabei entscheidet der VGH vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist, weil der Bestatter seine Beschwerde schon mit ihrer Erhebung am 23.08.2022 sowie ergänzend auf die Erwiderung der K am 02.09.2022 begründet hat und nach fernmündlicher Abklärung eine weitere Stellungnahme des Bestatters nicht zu erwarten ist.

Nachdem der Verstorbene sich in einem Krematorium in der Stadt B. befindet, ist die dortige Ortspolizeibehörde für die Bestattung zuständig

Das VG hatte den Antrag des Bestatters, die K im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, hinsichtlich des am 01.08.2022 verstorbenen und derzeit in der Kühlkammer des Krematoriums in B. befindlichen Verstorbenen die Bestattung nach § 31 Abs. 2 BestattG anzuordnen, im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Das VG hatte den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass K für die begehrte Bestattung nicht zuständig sei, weil sich der Verstorbene in der Kühlkammer des Krematoriums in B. befinde und zur Beseitigung des dortigen polizeirechtswidrigen Zustandes nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG), § 36 Abs. 4 BestattVO die Stadt B zuständig sei.

Unabhängig hiervon sei der Bestatter auch nicht antragsbefugt i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO, weil § 31 Abs. 2 BestattG keine subjektivöffentlichen Rechte einräume. Der Vortrag des Bestatters vermochte die Ausführungen des VG im Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, v. a. bei dauernden Verhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen.

Problem der fehlenden gegenseitigen Rechtsbeziehungen

Deren tatsächliche Voraussetzungen müssen gem. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zwar nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, aber hinreichend wahrscheinlich („glaubhaft“) sein. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, weil ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren aus besonderen Gründen nicht zumutbar ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller in der Hauptsache bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Bestatter hat jedenfalls keinen Anordnungsanspruch gegenüber dem richtigen Antragsgegner glaubhaft gemacht. Ihm steht – entgegen seinem diesbezüglichen Vortrag – kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine Bestattung des Verstorbenen gem. § 31 Abs. 2 BestattG zu. Der VGH hat hierzu schon ausgeführt, dass § 31 Abs. 1 BestattG eine öffentlichrechtliche Pflicht der Angehörigen, für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen, begründet. Sie bietet darüber hinaus eine Rechtsgrundlage für die zuständige Behörde, Bestattungsanordnungen gegenüber den Angehörigen zu treffen oder die Bestattung selbst zu veranlassen. § 31 BestattG enthält jedoch keine Rechtsgrundlage für Ansprüche in dem umgekehrten Verhältnis der Angehörigen gegenüber dem Träger der zuständigen Behörde.

Örtlich zuständige Behörde i. S. d. BestattG ist die Ortspolizeibehörde – wenn eine ordnungsgemäße Leichenbestattung nicht gesichert ist, ist dies die Gemeinde, in der sich der Leichnam befindet

Damit ergibt sich aus § 31 Abs. 2 BestattG keine Rechtsgrundlage für Ansprüche von Angehörigen und erst recht kein Anspruch von weiteren Dritten, schon weil der Bestatter, anders als die Angehörigen, in § 31 BestattG nicht genannt wird. Die VGH-Rechtsprechung befindet sich damit auch im Einklang mit der vom VG zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), nach der der Grund für die Bestattungspflicht neben sittlichen Erwägungen in der Abwehr von Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung liegt. Auf die polizeiliche Generalklausel kommt es hier nicht an, weil § 31 Abs. 2 BestattG in seinem Anwendungsbereich eine „lex specialis“ zur polizeilichen Generalklausel darstellt und solange anzuwenden ist, bis tatsächlich rechtzeitig und ausreichend für die Bestattung des Verstorbenen gesorgt ist. Denn erst dann ist die Gefahr, für die § 31 BestattG eine aufeinander abgestimmte Regelung bereithält, gebannt.

Von einer tatsächlich rechtzeitigen und ausreichenden Sorge für die Bestattung des Verstorbenen kann hier nicht ausgegangen werden, weil sich der Verstorbene momentan in einer Tiefkühleinrichtung im Krematorium B. befindet und eine hinreichend konkretisierte Bestattung desselben bislang nicht feststeht. Soweit der Bestatter geltend macht, dass die Antragsgegnerin für die Bestattung des Verstorbenen zuständig sei, weil der Verstorbene vor seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt in K. gehabt habe und dort auch der Anlass für die begehrte Handlung hervorgetreten sei, geht dies fehl.

Denn die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 31 Abs. 2 BestattG, § 36 Abs. 4 BestattVO und § 113 Abs. 1 PolG. Hiernach sind die Ortspolizeibehörden örtlich zuständig. Danach beschränkt sich die örtliche Zuständigkeit der Polizeibehörden auf ihren Dienstbezirk. Örtlich zuständig ist die Polizeibehörde, in deren Dienstbezirk eine polizeiliche Aufgabe wahrzunehmen ist.

Zuständig ist damit die Polizeibehörde, in deren Dienstbezirk der Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung droht oder in deren Dienstbezirk sich die Gefahrenquelle befindet. Da hier die Gefahr vom Verstorbenen ausgeht und sich die möglichen Gesundheitsgefahren, die von ihm begründet werden, auch dort realisieren werden, wo sich der Verstorbene aktuell befindet, ist B. die zuständige Ortspolizeibehörde. Nach alledem konnte der VGH es, ebenso wie das VG, offenlassen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BestattG im Übrigen erfüllt sind.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.09.2022 – 1 S 1890/22.

 

Entnommen aus der Fundstelle Baden-Württemberg, 5/2023, Rn. 58.

 
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