20.08.2021

Refinanzierung wesentlicher Betriebsgrundlagen

Keine Anerkennung interner Darlehen zwischen Trägerkörperschaft und Betrieb gewerblicher Art

Refinanzierung wesentlicher Betriebsgrundlagen

Keine Anerkennung interner Darlehen zwischen Trägerkörperschaft und Betrieb gewerblicher Art

Aufteilung in eine "Einlage mit Eigenkapitalcharakter" und eine „Einlage mit Darlehenscharakter" in diesem Fall nicht möglich? ©Marco2811 - stock.adobe.com
Aufteilung in eine "Einlage mit Eigenkapitalcharakter" und eine „Einlage mit Darlehenscharakter" in diesem Fall nicht möglich? ©Marco2811 - stock.adobe.com

Sachverhalt

Der Kreis S übertrug im Jahr 1999 dem Zweckverband Z die dem Kreis nach dem Abfallwirtschaftsgesetz zugewiesenen hoheitlichen Aufgaben der Abfallentsorgung. Gleichzeitig stellte der Kreis S die Abfalldeponie in Z inklusive der wesentlichen Bestandteile/Einrichtungen dem Zweckverband Z entgeltlich zur Verfügung. Das Deponiegrundstück verblieb jedoch im Eigentum des Kreises.

Die Abfalldeponie wurde im Wesentlichen zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben des Z genutzt (Einlagerung von Hausmüll). Soweit der Z im Rahmen der Abfallentsorgung bzw. -verwertung nicht hoheitlich tätig wurde (z.B. Gewerbemüllentsorgung), wurde die Tätigkeit im Rahmen des BgA „Gewerbeservice“ durchgeführt.

Zum 31.05.2005 entfiel aufgrund geänderter rechtlicher Rahmenbedingungen die Möglichkeit, die Deponie für die Einlagerung von Hausmüll zu verwenden. Der Zweckverband Z entschied daraufhin, die in seinem Eigentum stehenden und aus Eigenmitteln finanzierten Deponieanlagen (immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen) mit Wirkung vom 01.01.2006 im Wege einer Einlage auf den BgA „Gewerbeservice“ zu übertragen. Der vom Z angesetzte Einlagewert zum 31.12.2005 entsprach dem Teilwert der eingelegten Wirtschaftsgüter. Die Einlage wurde zu 20 % als (unentgeltliche) Einlage von Eigenkapital (Einlage gegen Kapitalrücklage) und zu 80 % auf der Grundlage eines sog. internen und mit 4 % verzinslichen Darlehens als entgeltliche Vermögensübertragung qualifiziert. Mit seinen Steuererklärungen machte Z für den BgA Zinsen als Betriebsausgaben nur insoweit geltend, als diese auf einen Fremdkapitalanteil von 70 % entfielen.


Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Deponie als wesentliche Betriebsgrundlage notwendiges Betriebsvermögen des BgA geworden und daher bei dem BgA zu aktivieren sei. Die Aufteilung in eine „Einlage mit Eigenkapitalcharakter“ und eine „Einlage mit Darlehenscharakter“ sei nicht möglich. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei im Fall einer Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen an den BgA das Pachtentgelt, soweit es die Kosten der Trägerkörperschaft übersteige, beim BgA dem Einkommen als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der in den Streitjahren (2006, 2007) geltenden Fassung hinzuzurechnen. Die für diese Rechtsprechung maßgeblichen Erwägungen seien auch in Fällen zu berücksichtigen, in denen die Überlassung des Wirtschaftsgutes an den BgA gegen Gewährung eines internen Darlehens erfolge. Dem folgte das Finanzamt in geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden.

Der nach erfolglosem Einspruch gerichteten Klage gab das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht mit Urteil vom 08.03.2017 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018 S. 481) statt.

Leitsatz

Die Rechtsprechung, wonach interne Miet- oder Pachtverträge zwischen einer Trägerkörperschaft und ihrem BgA über wesentliche Betriebsgrundlagen des BgA steuerrechtlich unbeachtlich sind (z.B. BFH-Urteil vom 24.04.2002, I R 20/01, BStBl 2003 II S. 412), ist sinngemäß auch auf sog. interne Darlehen anzuwenden, die zur Finanzierung der aus Eigenmitteln der Trägerkörperschaft bestrittenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten wesentlicher Betriebsgrundlagen des BgA vereinbart wurden.

Nach Auffassung des BFH seien die vom Zweckverband an den BgA als Betriebsausgaben berücksichtigten Darlehenszinsen steuerlich nicht anzuerkennen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH dürfen Vereinbarungen, aufgrund derer eine Trägerkörperschaft ihren BgA mit Miet- oder Pachtzinsen für Wirtschaftsgüter belastet, die der Trägerkörperschaft gehören und wesentliche Betriebsgrundlagen des BgA sind, nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, da sonst der Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, die Betriebe der öffentlichen Hand gegenüber den Gewerbebetrieben der Privatwirtschaft steuerlich nicht zu begünstigen, vereitelt würde. Die zu vermeidende Begünstigung bestehe darin, dass die Trägerkörperschaft bei steuerrechtlicher Berücksichtigung der Vereinbarung den durch den BgA erzielten Gewinn um die Miet- oder Pachtzinsen mindern könnte und diese in der Regel nicht versteuern müsste, während der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft, der der Gesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen vermietet oder verpachtet, nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung die durch die Vermietung oder Verpachtung erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb versteuern müsse. Soweit die Minderung des dem BgA gewidmeten Vermögens auf Vereinbarungen beruhe, die der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden dürfen, werde die Vermögensminderung bei der Gewinnermittlung wie eine vGA behandelt.

Die vorgenannte Rechtsprechung, wonach interne Miet- oder Pachtverträge zwischen einer Trägerkörperschaft und ihrem BgA über wesentliche Betriebsgrundlagen des BgA steuerrechtlich unbeachtlich sind, seien – entgegen der Rechtsauffassung des vorinstanzlichen FG – sinngemäß auch auf interne Darlehen anzuwenden, die zur Finanzierung der aus Eigenmitteln der Trägerkörperschaft bestrittenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten wesentlicher Betriebsgrundlagen des BgA vereinbart wurden.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei den Deponieanlagen (immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen) um wesentliche Betriebsgrundlagen des BgA gehandelt habe, welche zu dessen notwendigem Betriebsvermögen gehörten.

Bei den vom Z an den BgA überlassenen Deponieanlagen handele es sich schon deshalb um wesentliche Betriebsgrundlagen des BgA, weil sie für die Führung des BgA von besonderem Gewicht gewesen seien. Das ergebe sich schon daraus, dass der BgA in den Streitjahren seinen Betriebszweck der Einlagerung und Entsorgung gewerblicher Abfälle ohne Nutzung der Deponieanlagen (immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen) nicht hätte erfüllen können.

Die Deponieanlagen seien auch nicht dem notwendigen Hoheitsvermögen des Z zuzuordnen. Dies folge schon daraus, dass die überlassenen Wirtschaftsgüter in den Streitjahren weder ausschließlich noch nahezu ausschließlich der hoheitlichen Tätigkeit der Trägerkörperschaft gedient haben. Zwar habe Z die Deponie samt den später übertragenen Wirtschaftsgütern noch bis zum Jahr 2000 ausschließlich zur Erfüllung seiner auf Hausmüll privater Haushalte bezogenen Entsorgungsaufgaben genutzt, weswegen diese Tätigkeit traditionell als hoheitliche Aufgabe angesehen werde.

Ab 2001 habe Z die Deponie allerdings in zunehmendem Umfang auch für die im Rahmen des BgA abgebildeten gewerblichen Einlagerungen genutzt. Ab dem 31.05.2005 sei die Möglichkeit, Hausmüll privater Haushalte einzulagern, sogar vollständig entfallen. Dementsprechend sei die Deponie in den Streitjahren jedenfalls ganz überwiegend nur noch zu gewerblichen Zwecken genutzt worden. Soweit aber keine Entsorgung von Hausmüll privater Haushalte, sondern von Gewerbemüll durch eine jPdöR erfolge, liege keine hoheitliche Aufgabe vor und scheide somit in den Streitjahren die Einordnung der übertragenen Wirtschaftsgüter als notwendiges Hoheitsvermögen des Z aus. Die für das interne Darlehen gezahlten Zinsen können deshalb nicht zum Abzug zugelassen werden, weil es im Streitfall weder um die Aufnahme eines externen Kredits noch um die Belastung des BgA mit den Krediten gehe, die der Trägerkörperschaft im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Herstellung der (später) dem BgA übertragenen Wirtschaftsgüter entstanden seien. Kennzeichen des Streitfalls sei vielmehr die „Refinanzierung“ von zuvor mit Eigenmitteln von der Trägerkörperschaft erworbenen und sodann auf den BgA übertragenen wesentlichen Betriebsgrundlagen.

Zwar sei es zutreffend, dass interne Darlehensvereinbarungen zwischen dem BgA und der Trägerkörperschaft grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen seien, soweit sie – unterstellt sie wären zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter abgeschlossen worden – bei der Besteuerung der Kapitalgesellschaft zu beachten wären. Daher stehe es der Trägerkörperschaft auch grundsätzlich frei, ob sie ihrem BgA Kapital als Fremdkapital überlasse oder durch Einlagen als Eigenkapital zuführe. Diese Grundsätze gelten aber dann nicht, wenn interne Darlehen – wie im Streitfall – der Refinanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten wesentlicher und zuvor mit Eigenmitteln erworbener Betriebsgrundlagen des BgA dienen.

Würde man dies anerkennen, so würde der Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, die Betriebe der öffentlichen Hand gegenüber den Gewerbebetrieben der Privatwirtschaft steuerlich nicht zu begünstigen, vereitelt. Überlasse die Trägerkörperschaft wesentliche Betriebsgrundlagen dem BgA im Wege eines Miet- oder Pachtverhältnisses, so seien beim BgA die Miet- und Pachtzinsen nach den oben dargestellten Grundsätzen steuerlich nicht zu berücksichtigen. Werden stattdessen wesentliche Betriebsgrundlagen (teil-)entgeltlich auf den BgA übertragen und sodann für den darlehensfinanzierten Teil Schuldzinsen geltend gemacht, so könne dies zu keinem anderen Ergebnis führen, da wirtschaftlich betrachtet die Schuldzinsen für das interne Darlehen an die Stelle der Miet- bzw. Pachtzinsen treten und durchgreifende Gründe, die eine unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung beider Konstellationen rechtfertigen könnte, nicht ersichtlich seien.

Anmerkung

Wie der BFH zu Recht ausführt, dürfen interne Darlehensvereinbarungen zwischen der Trägerkörperschaft und dem BgA grds. der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Dies wird auch von der Finanzverwaltung anerkannt (siehe R 8.2 Abs. 1 und 2 KStR 2015). In dem vom BFH entschiedenen Fall lag jedoch die Besonderheit vor, dass die auf den BgA übertragenen wesentlichen Betriebsgrundlagen (Deponieanlagen) vor der Übertragung mit Eigenmitteln von der Trägerkörperschaft angeschafft bzw. erworben wurden. Gewährt nun die Trägerkörperschaft dem BgA ein internes Darlehen, um damit die übertragenen wesentlichen Betriebsgrundlagen zu refinanzieren, sind die Zinsen, die der BgA hierfür an die Träger-körperschaft bezahlt, nicht abzugsfähig und führen deshalb zur Annahme einer vGA.

Etwas anderes gilt m.E. dann, wenn der BgA ein neues Wirtschaftsgut, das eine wesentliche Betriebsgrundlage für den BgA darstellt, nicht von der Trägerkörperschaft, sondern von einem Dritten erwirbt oder selbst herstellt, und er hierfür ein internes Darlehen bei der Trägerkörperschaft aufnimmt. In diesen Fällen wird das Wirtschaftsgut (die wesentliche Betriebsgrundlage) nicht zuvor bereits mit Eigenmitteln der Trägerkörperschaft erworben bzw. hergestellt und dann auf den BgA übertragen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.12.2019 – I R 24/17, Deutsches Steuerrecht 2020 S. 1610

 

Prof. Thomas Maier

Rechtsanwalt / Steuerberater,
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl
n/a