30.08.2021

Mitarbeiter hält Corona-Schutzvorschriften nicht ein: Wie kann der Arbeitgeber reagieren?

Arbeitgeber hat nur arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten

Mitarbeiter hält Corona-Schutzvorschriften nicht ein: Wie kann der Arbeitgeber reagieren?

Arbeitgeber hat nur arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten

Ein Beitrag aus »RdW Kurzreport« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »RdW Kurzreport« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

… und muss er in jedem Fall reagieren? Der zweite Teil der Frage hat seine Berechtigung, denn es gibt Corona-Schutzvorschriften der unterschiedlichsten Art und von den unterschiedlichsten Körperschaften erlassen, und daneben gibt es in vielen Betrieben noch auf den jeweiligen Betrieb zugeschnittene Anweisungen, wie ein Arbeitnehmer sich zu verhalten hat.

Arbeitgeber hat nur arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten

Ein Arbeitgeber hat grundsätzlich nur die ihm vom Arbeitsrecht zur Verfügung gestellten Sanktionsmöglichkeiten

– Rüge, Ermahnung


– Abmahnung

– Kündigung,

und er ist grundsätzlich nur berechtigt, Verstöße gegen Corona-Schutzvorschriften zu ahnden, die vom Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis begangen werden. Verstöße gegen Corona-Schutzvorschriften, die ein Arbeitnehmer außerhalb des Arbeitsverhältnisses begeht – sozusagen privat – können nur in Ausnahmefällen arbeitsrechtlich sanktioniert werden, wenn sie sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken.

Verstoß durch Verletzung der Rücksichtnahmepflicht

Jeder Arbeitnehmer hat nicht nur die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als vertragliche Hauptpflicht zu erbringen, sondern ist auch verpflichtet, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 214 BGB; Nebenpflicht). Er hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG 25. 04. 2018, 2 AZR 611/17). Ausfluss dieser Rücksichtnahmepflicht ist nicht nur, dass ein Arbeitnehmer die arbeitsvertraglichen Regelungen und/oder Regelungen einer Betriebsvereinbarung erfüllen und Weisungen des Arbeitgebers befolgen muss, sondern auch, dass auch er – nicht nur der Arbeitgeber – (öffentlichrechtliche) Regelungen des Arbeitsschutzes im Ergebnis einhalten muss. Zu den Regelungen des Arbeitsschutzes zählen z. B. Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes, der Unfallverhütungsvorschriften oder z. B. Anordnungen von (Gesundheits-)Behörden. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften sind in erster Linie für den Arbeitgeber verpflichtend, der diese Regelungen in seinem Betrieb umsetzen muss. Der Arbeitgeber darf aber erwarten, dass der Arbeitnehmer die Anweisungen des Arbeitgebers zur Umsetzung dieser Regelungen befolgt.

Beschäftigte müssen auch selbst auf Gesundheit achten

Daneben sind alle Beschäftigten über § 15 ArbSchG verpflichtet, (auch) selbst für ihre Sicherheit und Gesundheit und die Sicherheit und Gesundheit ihrer Kollegen zu sorgen.

Pflichten der Beschäftigten

(1) Die Beschäftigten sind verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Entsprechend Satz 1 haben die Beschäftigten auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind.

(2) Im Rahmen des Absatzes 1 haben die Beschäftigten insbesondere Maschinen, Geräte, Werkzeuge, Arbeitsstoffe, Transportmittel und sonstige Arbeitsmittel sowie Schutzvorrichtungen und die ihnen zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausrüstung bestimmungsgemäß zu verwenden.

Regelungen müssen bekannt sein

Voraussetzung einer jeden arbeitsrechtlichen Sanktion ist, dass der Arbeitnehmer weiß oder zumindest wissen kann, welches vertragskonforme Verhalten von ihm erwartet wird. Heruntergebrochen auf Corona – und die sich fortlaufend ändernden Corona- Verordnungen – bedeutet dies für den Arbeitgeber: Er muss über Aushänge, Informationsveranstaltungen, Hinweisschilder usw. darüber informieren, welche Regelungen derzeit im Betrieb und / oder am konkreten Arbeitsplatz einzuhalten sind. Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet, die Einhaltung der Regelungen zu überwachen, damit er gegenüber den Behörden nachweisen kann, dass er die aktuellen Corona-Verordnungen umgesetzt hat. Mit einer arbeitsrechtlichen Sanktion auf einen Verstoß reagieren kann der Arbeitgeber allerdings nur, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet war, die Regelung einzuhalten. Wurde eine bestimmte Maßnahme nur empfohlen oder angeboten, ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, diese Maßnahme umsetzen.

Beispiel:

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Beschäftigten Testangebote für Corona-Tests zu machen. =. Die Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, diese Testangebote anzunehmen und sich testen zu lassen. Lässt sich ein Arbeitnehmer nicht testen, darf er deswegen weder abgemahnt noch gekündigt werden. Es darf auch kein Zwang auf ihn ausgeübt werden, sich testen zu lassen.

Sanktionsfähige Pflichtverletzungen

Ein Arbeitnehmer kann in folgenden Fällen abgemahnt und im Wiederholungsfall auch gekündigt werden:

– Verstoß gegen die Anordnung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

– Verstoß gegen behördliche Quarantäneanordnung durch Erscheinen im Betrieb/ am Arbeitsplatz.

– Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Quarantäneanordnung, weil er spazieren geht, darf der Arbeitgeber ihn hierfür nicht abmahnen, weil der Verstoß außerhalb des Arbeitsverhältnisses erfolgte.

– Arbeitnehmer ist mit Corona infiziert, weiß dies auch und erscheint dennoch zur Arbeit.

– Arbeitnehmer hat sich in einem Risikogebiet aufgehalten. Er erscheint wieder am Arbeitsplatz, ohne negativen Corona-Test oder Einhaltung einer vorgeschriebenen Quarantäne.

– Arbeitnehmer weigert sich, bei Kunden einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Ein Attest, das ihn von der Pflicht, eine Maske zu tragen, befreit, hat er nicht. Der Arbeitgeber ist aber in jedem Fall vor Ausspruch der arbeitsrechtlichen Maßnahme verpflichtet, zu prüfen,

  • ob es sich bei der in Erwägung gezogenen Maßnahme um das mildeste Mittel handelt.
  • ob der Arbeitnehmer eine Rechtfertigung oder eine Entschuldigung für seinen Verstoß hat.

Beispiel:

Der Arbeitnehmer AN war 14 Tage im Land L in Urlaub. Morgen ist planmäßig sein erster Arbeitstag nach dem Urlaub. Am Rückkehrtag um 23 Uhr hört er nochmals Nachrichten, die keinen Hinweis da- rauf enthalten, dass L ab morgen Hochrisikogebiet ist. Er tritt um 5 Uhr die Arbeit an. In der Mittagspause erfährt er, dass das Land L nunmehr Hochrisikogebiet ist und er eigentlich in Quarantäne gehen oder einen Test machen muss.

=> AN kann nicht abgemahnt werden. Sein Verstoß ist entschuldbar.

Ob und wie der Arbeitgeber auf einen Verstoß reagiert, steht in seinem Ermessen. Er muss insoweit aber alle Arbeitnehmer gleich behandeln. D. h. werden Verstöße gegen die Anordnung, einen MNS zu tragen, in der Regel nicht mit einer Abmahnung sanktioniert, sondern die Mitarbeiter nur daran erinnert, den MNS aufzusetzen, dann kann ein Mitarbeiter, der wegen eines derartigen Verstoßes eine Abmahnung erhält, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung rügen.

 

Aus RdW 2021, Heft 17.

 

Ralph Jürgen Bährle

Rechtsanwalt, Bährle & Partner
n/a