15.12.2010

Luxusprobleme und Existenznöte

Gemeindefinanzreform: Spannungsfeld für Kommunen und Wirtschaft

Luxusprobleme und Existenznöte

Gemeindefinanzreform: Spannungsfeld für Kommunen und Wirtschaft

Gemeindefinanzreform – droht ein kommunaler Finanzwettbewerb? | © Franz Pfluegl - Fotolia
Gemeindefinanzreform – droht ein kommunaler Finanzwettbewerb? | © Franz Pfluegl - Fotolia

Sehr persönlich kann man bei der bundesweiten Interpretation der Kommunalfinanzen argumentieren, wenn man als Kämmerer einer Stadt in Bayern, in der der Haushaltsausgleich noch der Normalfall ist, beschäftigt ist und zuvor das Vergnügen hatte, in einer kreisangehörigen Stadt mittlerer Größenordnung in Nordrhein-Westfalen mehrere Jahre Kämmerer gewesen zu sein. Es handelte sich um eine Kommune, die sich seit 1992 ununterbrochen in der Haushalts­sicherung befand. Mit viel Engagement gelang es, die Kommune nicht in das Nothaushaltsrecht driften zu lassen. Ohne Umstellung auf die Doppik wäre sogar im letzten Jahr der Kameralistik der originäre Haushaltsausgleich gelungen.

Dies vorausgeschickt, ist festzustellen, dass von einer Gemeindefinanzreform, egal wie mager sie ausfällt, alle Kommunen profitieren sollen, egal ob im relativ prosperierenden Süden oder im „dauerdefizitären“ Norden und Westen. Genau diese regionalen Unterschiede sind jedoch beachtenswert, wenn über strukturelle Veränderungen an den Eckpunkten auf der Einnahmenseite der Kommunalfinanzen nachgedacht wird.

Gewerbesteuer nicht ersetzbar

Aus gutem Grund vertreten die Kommunen und ihre Spitzenverbände die Auffassung, dass die Gewerbesteuer auch bei gegebener Schwankungsintensität nicht ersetzbar ist. Die Gewerbesteuer hat sich nämlich in den letzten Jahrzehnten wesentlich positiver entwickelt als die Umsatzsteuer. Dies mag strukturell auch darin begründet liegen, dass die Umsatzsteuer lediglich auf den Konsum und die Vorproduktion, weniger aber auf den Gewinn einer exportorientierten Nation zielt. Selbst bei einem aktuell aufkommensneutral gerechneten Ersatz der Gewerbesteuer durch eine höhere Umsatzsteuerbeteiligung würden damit die Kommunen von Wachstumschancen abgeschnitten.


In Deutschland sind die Unternehmensbesatze auf der kommunalen Ebene weitestgehend festgelegt. Es gibt Kommunen, die sind nun einmal Industriestandorte, andere sind Dienstleistungszentren und wieder andere finden als Verwaltungsstandorte und Universitätsstädte ihr Auskommen ohne hohe Gewerbesteuereinnahmen. Gleichwohl erzwingt die Möglichkeit und die Chance, durch Unternehmensansiedlungen höhere Steuereinnahmen zu erzielen, eine wirtschaftsfreundliche Politik. Die Lenkungswirkung – durch die Gewerbesteuerhebesatzgestaltung Unternehmen zu halten oder zu gewinnen – spielt lediglich in wenigen Sonderfällen eine signifikante Rolle. Dies ist z. B. bei Gemeinden an Bundesautobahnen oder solchen im Münchener Speckgürtel der Fall, die mit dem geringstmöglichen Hebesatz Briefkastenfirmen anlocken, die ihren eigentlichen Sitz woanders haben.

Das Ergebnis ist eine vordergründig als gegeben zu betrachtende Gewerbesteuerverteilung, die in ihren interkommunalen Unterschieden unhistorisch betrachtet eine „ungerechte“ Verteilung darstellt. Diese wird weder durch höhere Kosten aus dem Gewerbebesatz in Form von vorzuhaltender Infrastruktur noch durch Umverteilungseffekte im Rahmen der kommunalen Finanzausgleichssysteme ausreichend nivelliert.

Hebesatzrecht – noch zeitgemäß?

Wichtig erscheint nur die Sorge, dass eine Abschaffung der Gewerbesteuer mit Sicherheit zu nicht ausgleichbaren Verwerfungen auf der kommunalen Ebene führt. Den zahllosen Gewinnern stünden zahllose Verlierer gegenüber. Ob der Schwankungsintensität wären mathematisch Durchschnitte aus dem örtlichen Aufkommen des letzten Jahrzehnts zu bilden, die als Ergänzungszuweisungen mit jährlich sinkendem Ausgleichsbetrag mindestens das nächste Jahrzehnt vorzuhalten wären, um das Los einer Abschaffung der Gewerbesteuer etwas zu lindern. Bonn hat mit dem Verlust der Hauptstadtfunktion eine solche Zuweisungshistorie als Kompensation aufzuweisen.

Das Band zwischen Kommune und lokaler Wirtschaft ist auf jeden Fall erhaltenswert. Durch die Abschaffung der Gewerbesteuer würde es in jedem Falle zerschnitten. Die Gewerbesteuer sollte dem Grunde nach also bleiben.

Die Frage ist nur, ob ein lokales Hebesatzrecht heute noch zeitgemäß ist. Es hat eine Maßstabsvergrößerung im Wettbewerb stattgefunden. Regionen, in Deutschland Bundesländer, konkurrieren miteinander oder mit anderen kleineren Ländern um Deutschland herum oder sogar tatsächlich auch international, um als Standort attraktiv zu sein. Vor diesem Hintergrund stellt sich doch die Frage, ob der Gewerbesteuerhebesatz nicht eigentlich beim jeweiligen Finanzministerium landeseinheitlich festgelegt werden sollte. Regionen mit Entwicklungsnachteilen oder im Umbruch könnten somit aktive Wirtschaftsförderungspolitik wesentlich effizienter und nachhaltiger gestalten.

Geboten wurde den Kommunen neben Standardreformen und eventuell Linderung auf der Seite der Sozialausgaben kürzlich durch den Bundesfinanzminister eine Beteiligung an der Einkommensteuer in Form eines eigenen lokalen Zuschlagsrechtes in Höhe von bis zu fünf Prozent auf den jeweiligen Einkommensteuersatz.

Diese Idee erscheint zumindest diskussionsfähig. Eine solche Kommunalsteuer gibt es auch in anderen Staaten wie z. B. der Schweiz. Die Konsequenz und der Hauptkritikpunkt sind natürlich, dass arme Städte oder Städte mit oberzentralen Funktionen, wie Theaterstandorte, gezwungen sind, den maximalen Zuschlag zu erheben. Dies kann zu Wanderungseffekten führen. Das klassische Beispiel hierfür ist in der Schweiz die Stadt Zürich mit hohen Steuersätzen gegenüber der sogenannten Goldküste, den Vororten entlang des Zürich­sees, die eben auf hohe Einkommensteuersätze verzichten können. In der Nachfragesituation nach Grundstücken wirkt sich dies in höheren Grundstückspreisen in den einkommensteuergünstigeren Gemeinden aus. In Deutschland wären dies Orte wie Bad Homburg oder Starnberg. Es stellt sich somit die Frage, wären die Kommunen, die heute in so argen Haushaltsnöten sind, bei einem Hebesatzrecht auf die Einkommensteuer in solche Schwierigkeiten bis hin zum dauerhaften Nothaushaltsrecht überhaupt gekommen? Exkurs­orientiert ist hier der Hinweis angebracht, dass eine aktualisierte Grundsteuerbemessungsgrundlage anstelle des fortgeschriebenen Einheitswertes von 1963 die Kommune hieran partizipieren ließe.

Band zwischen Einwohnern und Kommune

Hauptargument aber für ein gemeindliches Hebesatzrecht bei der Einkommensteuer ist, dass ein direktes und spürbares Band zwischen Einwohnern und Kommune aufgebaut würde. Es würde deutlich, dass schlechte Politik vor Ort direkt zu höheren Kosten für den Einzelnen führen kann. Einen bedeutsameren Grund, an Wahlen auf kommunaler Ebene teilzunehmen, gibt es wohl kaum als der drohende, abzuwendende oder zu reduzierende Griff des gemeindlichen Kämmerers in die Haushaltskasse des Wählers. Programmatische Fehlentscheidungen wie überdimensionierte Bäder oder andere Denkmäler würden auf diese Weise vereitelt werden können.

Demographische Entwicklung berücksichtigen

Demgegenüber steht natürlich auch das Argument der demographischen Entwicklung, die bereits heute kleinere Gemeinden ohne Luxusinfrastruktur in hohe und höchste Steuerzuschläge zwingen würde.

Auf der Verwaltungsseite steht die bei Versammlungen der Spitzenorganisationen relativ deutlich artikulierte Sorge, dass Bürger auf einmal auch eine direkte Erwartungshaltung an die Kommunalverwaltung adressieren könnten, nach dem Motto, der Bürger habe einen Anspruch auf funktionsfähige Schulen oder befahrbare Straßen – anstelle von Schlaglochpisten. Dieses mag so sein, ist aber auch richtig, denn wer bezahlt, hat moralisch (nicht rechtlich) einen Anspruch auf eine Leistung.

Hier schließt sich wieder der Kreis, insbesondere im Quervergleich zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen. Ein Grund für die Finanzlage der nordrhein-westfälischen Kommunen ist eine verfehlte kommunale Gebietsreform in den 1970er Jahren. Vielerorts brachten Kommunen als Mitbringsel in die neue gemeindliche Ehe Neubauten von Schwimmbädern und Stadthallen mit, die Folgekosten landeten bei der neuen Kommune. Dies ist das beste Beispiel für ein fehlendes finanzielles Band zwischen Kostenverursachern und Zahlern.

 

Christian Schuchardt

Kämmerer der Stadt Würzburg
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