02.01.2024

Kündigung eines Arbeitsverhältnisses per WhatsApp

Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz

Kündigung eines Arbeitsverhältnisses per WhatsApp

Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz

Das Prozessrecht steht nicht für sich allein, sondern hat eine den materiellen Rechten der Prozessbeteiligten dienende Funktion. | © rcfotostock - stock.adobe.com
Das Prozessrecht steht nicht für sich allein, sondern hat eine den materiellen Rechten der Prozessbeteiligten dienende Funktion. | © rcfotostock - stock.adobe.com

Ist es einem Arbeitnehmer verwehrt, sich auf die Formunwirksamkeit einer Eigenkündigung per WhatsApp zu berufen? Die nachfolgende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz beantwortet diese Frage.

Ein seit August 2017 in einem Unternehmen, das Wach- und Sicherheitsdienstleistungen anbietet, beschäftigter Sicherheitsmitarbeiter sollte am 07.01.2021 um 07:00 Uhr seine Arbeit im Pfortendienst bei einer Kundin seiner Arbeitgeberin aufnehmen.

Um 08:49 Uhr teilte er dem Geschäftsführer seiner Arbeitgeberin per WhatsApp mit, dass er heute nicht mehr zur Arbeit kommen würde, weil seine Frau sich von ihm scheiden lassen wolle und er keine Ahnung habe, ob er die nächsten Tage überhaupt zur Arbeit kommen werde.


WhatsApp-Nachricht mit Foto der handschriftlichen Kündigung

Am selben Tag um 11:26 Uhr übermittelte er dem Geschäftsführer per WhatsApp das Foto einer handschriftlichen Kündigung, wonach er das mit dem Unternehmen bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 01.03.2021 kündige.

Unter dem Foto fügte er in WhatsApp die Nachricht ein: „Schriftlich bekommst du es auch noch geschickt“. Weiter bat er darum, ihm bis einschließlich 12.01.2021 Urlaub zu gewähren, damit er seine Angelegenheiten klären könne.

Er entschuldigte sich zudem, dass es anders nicht mehr gehe und erklärte, dass er zu lange seine Arbeit für wichtiger gehalten habe als seine Familie. Entgegen seiner Erklärung schickte der Sicherheitsmitarbeiter seiner Arbeitgeberin nicht das Original des fotografierten Kündigungsschreibens vom 07.01.2021.

Rücknahme der Eigenkündigung

Am 08.01.2021 bestätigte seine Arbeitgeberin die Kündigung und bat um die Übersendung des Dienstausweises usw. Am 07. und 08.01.2021 erteilte die Arbeitgeberin ihm jeweils eine schriftliche Abmahnung, weil er an diesen Tagen nicht zur Arbeit erschienen sei. Am 10.01.2021 schickte der Geschäftsführer ihm eine WhatsApp-Nachricht, der zufolge er sich bitte bei der Agentur für Arbeit melden solle.

Am 11.01.2021 schrieb der Sicherheitsmitarbeiter dem Geschäftsführer seinerseits eine WhatsApp-Nachricht, in der er sich für die Unannehmlichkeiten, die er dem Geschäftsführer bereitet habe, entschuldigte und erklärte, dass seine Kündigung, die „nicht rechtskräftig sei“, ein Schnellschuss gewesen wäre.

Er hoffe auf Verständnis für seine Situation mit seiner Ehefrau, die sich beruhigt habe, und kündigte an, am 18.01.2021 ordnungsgemäß wieder zum Dienst zu erscheinen. In der Zeit vom 11. bis zum 13.01.2021 nahm er seine Tätigkeit nicht auf. Deshalb kündigte seine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis wegen unentschuldigten Fehlens mit Schreiben vom 13.01.2021 fristlos zum 15.01.2021.

Arbeitgeberseitige Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens

Der Sicherheitsmitarbeiter erhob gegen diese Kündigung Klage und meinte, er sei in der Zeit vom 11. bis zum 14.01.2021 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Das Arbeitsgericht erachtet die Kündigung vom 13.01.2021 wegen unentschuldigten Fehlens als rechtswirksam, denn der Kläger habe für den Zeitraum vom 11. bis zum 13.01.2021 den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nicht erbracht. Die vom Kläger eingereichte Berufung war erfolgreich.

Das Landesarbeitsgericht entschied zunächst, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Eigenkündigung des Klägers per WhatsApp vom 07.01.2021 beendet worden sei. Diese Kündigung habe nicht den Anforderungen der §§ 623 i.V.m. 126 Abs. 1 BGB entsprochen. Sie sei deshalb nach § 125 Satz 1 BGB nichtig.

Vorliegen eines Formmangels

Die WhatsApp-Nachricht gebe lediglich die Ablichtung der Originalunterschrift wieder. Sei die Schriftform für eine Erklärung unter Abwesenden vorgesehen, werde die Erklärung erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem anderen Teil in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zugehe. Der Zugang einer Ablichtung genüge nicht.

Es sei dem Kläger auch nicht verwehrt, sich auf den Formmangel nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu berufen. Die Formvorschrift des § 623 BGB dürfe im Hinblick auf ihren Sinn und Zweck nicht ausgehöhlt werden. Ein Formmangel könne deshalb nach § 242 BGB nur ganz ausnahmsweise als unbeachtlich qualifiziert werden. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor.

Die gesetzlichen Konsequenzen eines Formverstoßes seien für die Beklagte nicht schlechthin untragbar. Gerade in Fallkonstellationen der vorliegenden Art soll § 623 BGB den Arbeitnehmer vor einer unüberlegten und übereilten Kündigung schützen.

Außerordentliche Kündigung rechtsunwirksam

Habe eine Formvorschrift auch Warnfunktion, dürfe sie nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Im Streitfall habe der Kläger dem WhatsApp-Foto vom 07.01.2021 die Nachricht angefügt, dass er der Beklagten die Kündigungserklärung noch übermitteln wolle.

Deshalb habe die Beklagte nicht erwarten können, dass sich der Kläger nicht auf den Mangel der Form berufen werde. Bereits in seiner WhatsApp-Nachricht vom 11.01.2021 habe sich der Kläger entschuldigt, um Verständnis für seine familiäre Situation gebeten und erklärt, seine Kündigung sei ein „Schnellschuss“ gewesen und „nicht rechtskräftig“. Für die Beklagte sei erkennbar gewesen, dass der Kläger am Arbeitsverhältnis festhalten wolle.

Die außerordentliche Kündigung vom 13.01.2021 sei rechtsunwirksam, weil in diesem Fall auch durch die Aussage des behandelnden Arztes als Zeuge feststehe, dass der Kläger in der Zeit vom 11. bis zum 13.01.2021 tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei.

Praxistipp

Sollte ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis tatsächlich nur per WhatsApp kündigen, sollte darauf bestanden werden, dass er eine formwirksame Kündigung nachreicht oder z.B. ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird.

Anderenfalls besteht das Arbeitsverhältnis fort, weil ein solcher Formmangel nicht geheilt werden kann und sich der Arbeitnehmer auch noch später auf den Formmangel berufen kann, wenn nicht eine seltene Ausnahme vorliegt.

Notfalls sollte der Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung in Betracht gezogen werden, um eine rechtssichere Klärung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen.

LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.12.2022 – 5 Sa 408/21

Entnommen aus dem RdW-Kurzreport 19/2023, Rn. 301.

 

Christian Vetter

Rechtsanwalt
n/a