11.01.2021

Kommunaler Jahresabschluss nach IPSAS

Was ändert sich im Vergleich zur Doppik?

Kommunaler Jahresabschluss nach IPSAS

Was ändert sich im Vergleich zur Doppik?

Für die Gestaltung zukünftiger europäischer Rechnungslegungsstandards (EPSAS) sollten die Erfahrungen aus der Anwendung der IPSAS berücksichtigt werden.     ©andyller - stock.adobe.com
Für die Gestaltung zukünftiger europäischer Rechnungslegungsstandards (EPSAS) sollten die Erfahrungen aus der Anwendung der IPSAS berücksichtigt werden. ©andyller - stock.adobe.com

Ist das Rechnungswesen der Kommunen in Zukunft auch europäisch?

Mit der kommunalen Doppik, die in den meisten Bundesländern bereits angewendet wird, verfügen die deutschen Kommunen über ein modernes Rechnungswesen, welches zur Planung und Steuerung alle notwendigen Informationen bereitstellt. In Europa ist dies jedoch im öffentlichen Bereich nicht überall so und dazu noch sehr unterschiedlich geregelt. Daher bemüht sich die Europäische Kommission um eine Harmonisierung des Rechnungswesens für den öffentlichen Sektor. Ob dies gelingen wird und wie die Ausgestaltung der Standards für die zukünftige europäische Rechnungslegung dann aussehen wird, bleibt noch abzuwarten, denn ein Entwurf einer derartigen Verordnung oder Richtlinie liegt derzeit noch nicht vor. Klar ist aber wohl, dass die International Public Sector Accounting Standards (IPSAS) die Basis der zukünftigen europäischen Standards (European Public Sector Accounting Standards) sein sollen, denn sie sind derzeit das einzige, bereits international erprobte Rechnungslegungssystem für den öffentlichen Bereich. Doch eignen sich diese auch für die Rechnungslegung innerhalb der EU und welche Unterschiede weisen sie zu den nationalen Rechnungslegungssystemen auf? Diese Frage beschäftigt seit geraumer Zeit die am Einführungsprozess der EPSAS Beteiligten auf europäischer Ebene sowie Praxis und Wissenschaft.

Die IPSAS und ihre Eignung für die EPSAS

Die IPSAS werden vom IPSAS-Board, dem 18 Vertreter aus unterschiedlichen Ländern und Organisationen angehören, in Kraft gesetzt. Sie sind aus den International Financial Reporting Standards (IFRS) abgeleitet worden. Derzeit umfassen sie 42 Standards. Hauptziel des Jahresabschlusses nach IPSAS ist es, Rechenschaft über den Ressourcenverbrauch abzulegen und den Entscheidungsprozess der Stakeholder zu unterstützen. Daher muss der Jahresabschluss sowohl eine Bilanz, eine Erfolgs-, Finanz- und Eigenkapitalveränderungsrechnung sowie Angaben im Anhang enthalten. Die IPSAS enthalten darüber hinaus zahlreiche Regelungen der Bilanzierung, wie z. B. die Bewertung des Sachanlagevermögens, der Verbindlichkeiten und der Forderungen. In der Folgebewertung sind dabei beispielsweise Wahlmöglichkeiten zulässig, die dazu führen, dass eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse unterschiedlicher Gebietskörperschaften erschwert wird. Dies und weitere Aspekte führten zu dem Schluss, dass die IPSAS derzeit nicht hinreichend die Belange des öffentlichen Sektors der EU abdecken.[1] Aus diesem Grund wurde eine Übernahme der IPSAS als Basis der europäischen Standards – EPSAS – nicht ohne Weiteres empfohlen. Vielmehr soll ein stufenweises Vorgehen erfolgen. Die Europäische Kommission schlägt daher für eine mögliche Übernahme der IPSAS in zukünftige EPSAS drei Kategorien vor:

  • Normen, die ohne oder mit nur geringfügigen Anpassungen umgesetzt werden können;
  • Normen, bei denen Anpassungen notwendig sind oder die selektiv umgesetzt werden sollten und
  • Normen, für deren Umsetzung Änderungen als notwendig erachtet werden

Ziel der zukünftigen EPSAS ist es, ein vollständiges Bild der Finanz- und Wirtschaftslage der Staaten in der EU zu erreichen und damit die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu sichern. Dies war insbesondere durch die Staatsschuldenkrise in den Fokus der Europäischen Kommission gerückt.


Die europäische Statistikbehörde Eurostat, die für die Harmonisierung der Rechnungslegung in der EU zuständig ist, hat durch zahlreiche Aktivitäten in den letzten Jahren die Einführung der Periodenrechnung auf Basis der IPSAS gefördert und damit bereits Fakten geschaffen. Auch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen einer Bilanzierung nach EPSAS/IPSAS wurden analysiert und die positiven Effekte der doppelten Buchführung auch im Rahmen dieser Krise herausgestellt. Insbesondere „verbessere sich die Sichtweise auf die langfristigen Auswirkungen politischer Entscheidungen und der Nachhaltigkeitsaspekt der öffentlichen Finanzen, sodass ein positives Erbe für die nächste Generation geschaffen wird“.[2]

Um die Auswirkungen der IPSAS auf die Jahresabschlüsse im öffentlichen Bereich in Deutschland besser abschätzen und damit die Argumente der Einführung von EPSAS untersuchen zu können, war es notwendig, einen Abschluss des öffentlichen Sektors nach IPSAS „umzurechnen“. Dies wurde im Rahmen eines gemeinsamen Projektes von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, der KGSt und der Stadt Leverkusen vollzogen. Dabei wurde ein kommunaler, doppischer Jahresabschluss nach IPSAS umgestellt. Dieser Umstellungsprozess zeigte einerseits die Vielfalt der Möglichkeiten nach IPSAS zu bilanzieren, aber auch die Schwierigkeiten, die die Standards für die Bilanzierung im kommunalen Bereich aufweisen, auf.

Abschluss Doppik und IPSAS im Vergleich

 

Besondere Aufwände bei der Umstellung des Jahresabschlusses auf IPSAS entstanden bei der Bilanzierung der Sachanlagen, der Pensionsrückstellungen, der Steuererträge und der Finanzanlagen inklusive der Derivate.

Die Bewertung von Sachanlagen ist gemäß IPSAS 17 bei der Ersterfassung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Im Rahmen der Folgebewertung kann die öffentliche Einheit entweder zu fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AHK) oder zum beizulegenden Zeitwert bewerten (Neubewertung, Fair Value). Zudem ist bei beiden Bewertungsvarianten der Komponentenansatz anzuwenden. Dabei ist jeder Teil einer Sachanlage mit einem bedeutsamen Anschaffungswert im Verhältnis zum Gesamtwert getrennt abzuschreiben. Voraussetzung hierfür ist die Identifikation von Komponenten mit bedeutsamen Anschaffungswerten und deren separater Erfassung in der Anlagenbuchhaltung. Dies stößt in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten, denn es fehlt an eindeutigen Kriterien in den IPSAS, was bedeutsame Anschaffungswerte sind. Derzeit ist es in deutschen Kommunen auch nicht notwendig, einzelne Komponenten des Anlagevermögens getrennt zu erfassen, sodass bei einer Umstellung auf internationale bzw. europäische Rechnungslegungsstandards gegebenenfalls eine Neubewertung der Vermögensgegenstände notwendig wäre, was einen erheblichen Aufwand für die Kommunen verursachen würde.

Als schwierig in der Anwendung hat sich im Rahmen des Projektes auch der IPSAS 23 (Transfererträge) erwiesen. Steuereinnahmen sind hier nach der bestmöglichen Schätzung des Zuflusses von Ressourcen zu bewerten und an Bedingungen geknüpft. So muss das steuerbare Ereignis eingetreten sein und die Erfassungskriterien, wie z. B. die Wahrscheinlichkeit des Zuflusses der Ressourcen und der Bestimmung des tatsächlichen Wertes, erfüllt sein. Die Bewertung, d. h. die Schätzung der Steuereinnahmen, ist bei einem zeitlichen Unterschied zwischen steuerbarem Ereignis und Einforderung der Steuern mit statistischen Modellen zu kalkulieren. Bei den deutschen Kommunen tritt dieses Problem bei der Gewerbesteuer sowie bei den Gemeindeanteilen an den Gemeinschaftssteuern regelmäßig auf. Der Einsatz von statistischen Modellen ist hier nicht praktikabel und vor Ort auch nicht leistbar.

Die auffälligsten Veränderungen ergaben sich aber auf der Passivseite der Bilanz und ganz besonders bei der Bilanzierung der Pensionsrückstellungen und des Eigenkapitals. Durch die Anwendung des in den IPSAS vorgesehenen Anwartschaftsbarwertverfahrens bei der Bewertung der Pensionsrückstellungen stiegen diese im Vergleich zur Doppik um über 135 Prozent an. Auch infolge dessen schrumpfte im IPSAS-Abschluss das Eigenkapital um mehr als 105 % gegenüber dem NKF-Abschluss. Damit wäre die Kommune im Gegensatz bei der Anwendung der Doppik nach dem IPSAS-Abschluss von Überschuldung bedroht.

Als sehr komplex und umfangreich hat sich auch die Anwendung der IPSASs 28 bis 30 (Finanzinstrumente)[3] herausgestellt. Dies trifft insbesondere auf Derivate und deren Bilanzierung zu. In der Doppik werden Derivate als schwebende Geschäfte nicht bilanziert. Nur bei zu erwartenden Verlusten sind Drohverlustrückstellungen zu bilden. Nach IPSAS sind Sicherungsgeschäfte/Derivate zum Fair-Value oder zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bilanzieren (IPSAS 29.99). Gewinne oder Verluste sind im Überschuss oder Defizit zu erfassen.

Die kommunale Doppik und die internationale Rechnungslegung unterscheiden sich bekanntlich bereits im Ziel der Rechnungslegung. Die kommunale Doppik, die sich am HGB orientiert, stellt den Gläubigerschutz in den Vordergrund. Die IFRS zielen auf die Bereitstellung von Informationen für Kapitalmarktteilnehmer ab, die IPSAS auf die Bereitstellung von entscheidungsnützlichen Informationen für Leistungsempfänger und Ressourcengeber.

Das Vorsichtsprinzip hier hat eine eher nachrangige Bedeutung und soll sicherstellen, dass ein realistischer Erfolg ausgewiesen wird.[4] Zudem eignen sich die IPSAS nicht als Planungs- und Steuerungsinstrument für politische Entscheidungen, da die dafür notwendigen Instrumente wie Ziele und Kennzahlen keine Berücksichtigung finden. Welchen Einfluss der „True and Fair View“ auf politische Entscheidungsträger haben könnte, ist derzeit auch noch nicht untersucht.[5] Insofern hat die Anwendung der IPSAS in deutschen Kommunen keinen wirklichen Mehrwert.

Was sollten EPSAS aus den Erfahrungen mit den IPSAS mitnehmen?

Für die Gestaltung zukünftiger europäischer Rechnungslegungsstandards (EPSAS) sollten die Erfahrungen aus der Anwendung der IPSAS berücksichtigt werden. Insbesondere sollten Wahlrechte eingeschränkt, Kriterien für den Ansatz von Bewertungsmethoden definiert, Wesentlichkeitsgrenzen bestimmt und Modelle zur Schätzung von Positionen konkretisiert werden. Nur so können zukünftige europäische Standards von allen Mitgliedsstaaten vergleichbar angewendet werden.

Im Einzelnen wäre für die Formulierung zukünftiger EPSAS Folgendes zu bedenken bzw. zu konkretisieren:

  • Festlegung auf eine einheitliche Bewertungsmethode für die Folgebewertung (AHK oder beizulegender Zeitwert) sowie einer einheitlichen Abschreibungsmethode bei der Folgebewertung des Anlagevermögens. Keine Abhängigkeit der Anwendung des Komponentenansatzes [6] vom „bedeutsamen Anschaffungswert“; entweder Festschreibung verbindlicher Wertgrenzen oder keine Anwendung.
  • Verzicht auf den Einsatz statistischer Modelle für die Bewertung von Steuererträgen, stattdessen Abstellen auf den Entstehungszeitpunkt (Fälligkeit, Bescheid).
  • Bei der Bewertung der Pensionsrückstellungen nach der PUC-Methode sollte der anzuwendende Zinssatz festgelegt werden (z. B. aus dem Jahresabschluss EU). In dem neu anzuwendenden IPSAS 39 ist dies derzeit nicht der Fall. Es wird nach wie vor „auf den Wert des Geldes“ abgestellt.
  • Vorgabe einheitlicher Kriterien für die Bildung von Segmenten.
  • Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten ist sowohl im „alten“ IPSAS 29 als auch im neu formulierten IPSAS 41 sehr komplex. Nach wie vor sind Finanzinstrumente in Kategorien einzuteilen und dann entsprechend zu bewerten. Hier wäre auch eine einfachere Systematisierung wünschenswert.
  • Begrenzung des Umfangs von Angaben im Anhang.
  • Umsetzung künftiger EPSAS in einer angemessenen Zeitschiene mit Spielraum von mehreren Jahren für die Umstellung.
  • Begrenzung der ständigen Aktualisierung der zukünftigen Standards.

 

[1] Vgl. Bericht der EU-Kommission vom 6.3.2013 an den Rat und das Europäisches Parlament, S. 10. Abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52013DC0114&from=EN (letzter Abruf 20.11.2020).

[2]              Vgl. Government accounting, EPSAS and supporting the COVID-19 response, May 2020. Abrufbar unter https://ec.europa.eu/eurostat/documents/9101903/9700113/EPSAS_paper_on_Covid-19.pdf (letzter Abruf 11.11.2020)

[3]         Ab 1.1.2019 ersetzt der IPSAS 41 „Finanzinstrumente“ den IPSAS 29 „Finanzinstrumente: Erfassung und Bewertung“.

[4]         Vgl. Buchholz, Rainer (2007), S. 27.

[5]         Vgl. Bergmann, Andreas.; Gamper, Andreas (2004), S. 624.

[6]         2020 trat in NRW die neue Kommunalhaushaltsverordnung in Kraft, die bezüglich des Komponentenansatzes ein Wahlrecht enthält.

 

 

Andrea Stertz

Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), Köln
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