06.03.2023

Keine Klage- oder Antragsbefugnis eines Naturschutzverbands zur Bewirkung eines Baumfällverbots

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22.4.2022 – 4 B 503/22

Keine Klage- oder Antragsbefugnis eines Naturschutzverbands zur Bewirkung eines Baumfällverbots

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22.4.2022 – 4 B 503/22

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Bayern« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Bayern« | © emmi - Fotolia / RBV

In seinem unten vermerkten Beschluss vom 22.04.2022 hat sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit dem Begehren eines Naturschutzverbands beschäftigt, einem privaten Grundstückseigentümer die Fällung zweier Stieleichen untersagen zu lassen.

Eine Stadt (Antragsgegnerin) hatte dem beigeladenen Eigentümer auf Grundlage ihrer Baumschutzsatzung die Genehmigung zur Fällung der beiden Stieleichen erteilt, wobei sie sich zur Begründung auf einen Bebauungsplan bezog. Ferner wurde in der Angelegenheit mit dem Eigentümer ein Durchführungsvertrag geschlossen.

Der Naturschutzverband wandte sich gegen die Genehmigung mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Antrag auf Eilrechtschutz blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem VGH erfolglos. Dem Beschluss des VGH kann Folgendes entnommen werden:


1. Eine kommunale Baumschutzsatzung unterfällt nicht dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG)

„Der Antragsteller hat…einen Anspruch auf ein Einschreiten der Antragsgegnerin durch Erlass eines sofort vollziehbaren Fällstopps für die zwei Stieleichen gegenüber dem Beigeladenen nicht gem. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Dem Antragsteller steht eine erforderliche Antragsbefugnis nicht zu.

Der Antragsteller trägt … vor, ihm stünde jedenfalls ein Abwehrrecht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG zu, da die Antragsgegnerin mit ihrem Umweltamt als Trägerin der mittelbaren Landesverwaltung anzusehen sei. Art. 9 Abs. 3 Aarhus- Konvention spreche allgemein von umweltbezogenen Vorschriften und gebe dies als Auslegungsregel seiner Umsetzung in das deutsche Recht vor.

Hierbei lässt der Antragsteller außer Acht, dass § 1Abs. 1 Satz 1Nr. 5UmwRGnicht auf die handelnde Behörde, sondern allein auf die umweltbezogenen Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der europäischen Union abstellt und somit die von der Antragsgegnerin beschlossene Baumschutzsatzung als umweltbezogene kommunale Rechtsvorschrift vom eindeutigen Wortlaut des Umweltrechtsbehelfsgesetzes nicht umfasst ist.

Auch eine systematische Auslegung führt nicht zu einer Erweiterung auf umweltbezogene Rechtsvorschriften in einer kommunalen Baumschutzsatzung. Im Vergleich zum Anwendungsbereich des § 1Abs. 1UmwRGund der §§ 63, 64BNatSchGinsgesamt erweist sich die Relevanz umweltbezogener Rechtsvorschriften einer kommunalen Baumschutzsatzung durch ihren räumlich und sachlich sehr eingeschränkten Anwendungsbereich als deutlich geringer.“

2. Keine Antragsbefugnis aus einer behaupteten Missachtung des behördlich genehmigten Fällzeitraums

„Soweit der Antragsteller geltend macht, ihm stünde gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG i.V.m. §§ 39 Abs. 5 Nr. 2, 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG eine Antragsbefugnis zu, weil eine hier erforderliche Befreiung von einem Fällverbot während des Zeitraums vom 1.3. bis 30.9. von der Antragsgegnerin entweder ergangen oder deren Erforderlichkeit negiert worden sei, ist dies für das Verwaltungsgericht bereits nicht entscheidungserheblich gewesen.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass weder eine Befreiung, etwa gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, vom Antragsteller beantragt worden sei, noch dass die Behörde die Erforderlichkeit einer solchen Befreiung im Wege einer mündlich erteilten ,Verlängerungsumgehung‘ negiert habe. Auch hat die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 14.4.2022 nochmals bekräftigt, dass der Beigeladene weder einen Befreiungsantrag gestellt noch die Behörde eine Befreiung erteilt habe.

Es ergibt sich zur Überzeugung des Senats zudem aus der erteilten Fällgenehmigung, dass mit dem in der Begründung des Bescheids erfolgten ,Hinweis‘ auf die ,Verpflichtungen gemäß dem Durchführungsvertrag‘ gerade keine ,Befreiung‘ hiervon gewährt werden soll. Im vorliegenden Fall ist der Beigeladene bereits aufgrund von § 7 Nr. 3 Durchführungsvertrag verpflichtet, die Fällung der zwei Eichen nur innerhalb des Zeitraums vom 1.10. bis 28./29.2. auszuführen.

Diese Regelung wurde … hier zusätzlich als rechtlich verbindliche Anordnung in die Fällgenehmigung aufgenommen. Maßgeblich für den objektiven Sinngehalt der Regelungen eines Verwaltungsakts ist dabei nämlich nicht der innere Wille, sondern der erklärte Wille der Behörde, so wie er sich für den Empfänger unter Berücksichtigung der erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung darstellen muss; dabei gehen Unklarheiten zulasten der Behörde (vgl. nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 35 Rdnr. 88, 89).

Damit ist es unerheblich, wenn die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung erklärt, sie habe mit dem Hinweis auf das befristete Fällverbot dieses nicht als eigenständige Anordnung in die Fällgenehmigung aufnehmen wollen. Durch die ausdrückliche Aufnahme und eigenständige Anordnung des Fällverbots für den Zeitraum 1.3. bis 30.9. in die streitgegenständliche Fällgenehmigung vom 19.1.2022 wäre – selbst bei einer nachträglichen Änderung des Durchführungsvertrags – eine Fällung der beiden Stieleichen vor dem 1.10.2022 rechtlich nicht zulässig.“

3. Standort der Eichen als eine vom Fällverbot ausgenommene Gartenfläche

„Auf die vom Antragsteller in Zweifel gezogene zusätzliche Begründung des Verwaltungsgerichts, eine vom Antragsteller ins Feld geführte Befreiung nach § 67 BNatSchG vom gesetzlichen Verbot des § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG wäre hier zudem nicht erforderlich gewesen, braucht hier nicht weiter eingegangen werden. Denn auf diese Erwägung hat das Verwaltungsgericht seinen Beschluss nicht entscheidungserheblich gestützt.

Abgesehen davon spricht nach Überzeugung des Senats aber viel für die Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht ausführlich – unter Heranziehung der Argumentation im entsprechenden Aufsatz von Kuchler/Lang zu dieser Frage (UPR, 2022, 57 ff.) – begründeten und im Ergebnis bejahten Frage, dass es sich beim streitgegenständlichen Grundstück um eine gärtnerisch genutzte und damit eine vom Fällverbot im Sinne von § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG ausgenommene Grundfläche handele.

Der Senat hält die Begründung, der Begriff der ,gärtnerisch genutzten Grundfläche‘ sei unter Heranziehung der Auslegung des Begriffs der gärtnerisch genutzten Freilandfläche im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 PflSchG a.F. (entspricht heute § 12 Abs. 2 PflSchG) durch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 24.5.1996 – 3 B 82.95 – juris Rn. 2) weit auszulegen und umfasse alle (privaten) Gartenflächen, die der Mensch für einen der vielfältigen, ihm zur Verfügung stehenden Zwecke nutzt, für stimmig.“

Anmerkung: Die Entscheidung beruht auf der Auslegung bundes- und europarechtlicher Vorschriften. Sie hat für Bayern gleichermaßen Gültigkeit.

 

Entnommen aus der Fundstelle Bayern, 4/2023, Rn. 44.

Die Fundstelle Bayern

Die Fundstelle Bayern

Fachzeitschrift für die kommunale Praxis
n/a