13.01.2021

Nutzung von Wohnraum für die Telearbeit

Home-Office in Zeiten der Corona-Pandemie aus öffentlich-rechtlicher Sicht

Nutzung von Wohnraum für die Telearbeit

Home-Office in Zeiten der Corona-Pandemie aus öffentlich-rechtlicher Sicht

Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Einführung

Die Corona-Pandemie zwingt derzeit Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen zu einer Umgestaltung des Arbeitsalltags. Hierzu gehört unter anderem auch das zunehmende Ausweichen in die Telearbeit (Home-Office). Aber auch nach der Pandemie bleibt es, mit Blick auf flexiblere Arbeitszeitmodelle und die zunehmenden technischen Möglichkeiten, wahrscheinlich, dass die Telearbeit das Berufsleben weiterhin mitgestaltet. Neben einer Vielzahl von arbeitsrechtlichen Auswirkungen kann die dauerhafte Nutzung einer Wohnung beziehungsweise eines Wohnhauses als Home-Office auch Auswirkungen auf das Mietrecht und die baurechtlich zugelassene Nutzung haben. Der folgende Beitrag befasst sich mit den Grenzen des Home-Office unter dem Gesichtspunkt der bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit.

Zulässige Nutzung

Durch die Baugenehmigung wird regelmäßig der Rahmen der zulässigen Nutzungen eines Vorhabens abgesteckt. Welche Nutzungen wiederum zugelassen werden, richtet sich unter anderem nach der konkreten bauplanungsrechtlichen Situation.

Für Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans richtet sich die Zulässigkeit der Nutzungen nach dessen Festsetzungen (§ 30 Abs. 1 BauGB). Die Art der Nutzung darf den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen. Hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung im Geltungsbereich eines Bebauungsplans wird durch die Festsetzung von Baugebieten nach §§ 2 ff. BauNVO regelmäßig nur ein Rahmen vorgegeben (Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang BauGB § 30 Rn. 13), sodass sich die zulässige Nutzungsart wiederum maßgeblich aus der BauNVO ergibt.


Auch im unbeplanten Innenbereich kann sich die Zulässigkeit der Nutzungsart nach der BauNVO richten. Grundsätzlich ist ein Vorhaben nach § 34 BauGB zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist (§ 34 Abs. 1 BauGB). Die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art beurteilt sich jedoch dann danach, ob es nach den Baugebieten der BauNVO allgemein zulässig wäre, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem in der BauNVO bezeichnetem Baugebiet entspricht (§ 34 Abs. 2 BauGB). Mithin ist die BauNVO auch hinsichtlich der Nutzungsart von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich heranzuziehen.

„Wohnen“ im Sinne der BauNVO

Um die Frage zu beantworten, ob das Home-Office noch eine dem „Wohnen“ zuzuordnende Nutzung ist, ist somit der Begriff des Wohnens nach der BauNVO in den Blick zu nehmen.

„Wohnen“ ist planungsrechtlich nicht legal definiert. Der Begriff des Wohnens ist jedoch durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet (BVerwG, Beschluss vom 25.03.1996 – 4 B 302/95 (Münster)). Der Begriff wurde durch eine Abgrenzung von den sonstigen Nutzungsarten der BauNVO entwickelt (Fickert/Fieseler/Schimpfer-mann/Stühler BauNVO § 3 Rn. 1). Dies umfasst die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens „in den eigenen vier Wänden“, die auf eine gewisse Kontinuität angelegt ist und keinem anderen in der BauNVO vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient (BVerwG 25.3.2004 – 4 B 15/04; König/Roeser/Stock/Stock BauNVO § 3 Rn. 16 m.w.N.).

Charakteristisch für die Wohnnutzung ist, dass von ihr nur geringe Emissionen ausgehen, das Wohnen aber umgekehrt besonders schutzbedürftig gegenüber allen Störungen der Wohnruhe ist (Kröninger/Aschke/Jeromin/Aschke, Baugesetzbuch BauNVO § 3 Rn. 1). Die Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung samt ihrer spezifischen Wohnbedürfnisse bestimmt demnach den zulässigen gebietstypischen Störgrad (EZBK/Stock BauNVO § 3 Rn. 18). Grundsätzlich gilt, dass der Schutz gegenüber wohnnutzungsfremden Geräuschen, jedenfalls im reinen Wohngebiet,  nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ besonders hoch anzusetzen ist (OVG Münster, Urteil vom 09.07.1992 – 7 A 158/91).

Ob bei einer gewerblich-wohnlichen Mischnutzung eines Wohngebäudes in Fällen, in denen die Wohnnutzung nicht nur eine untergeordnete Rolle spielt, trotzdem von einem Wohngebäude im Sinne der BauNVO gesprochen werden kann (so: PdK Bu F-3/Stange BauNVO § 3 Rn. 21), dürfte wohl bei störendem Home-Office regelmäßig dahinstehen, da dies jedenfalls dann abzulehnen ist, wenn die konkrete Nutzung aufgrund ihres Störcharakters dem Gebietscharakter widerspricht.

Einordnung von Home-Office

Grundsätzlich ist anerkannt, dass eine Telearbeitsplatz sowie ein herkömmliches Arbeitszimmer in einer Wohnung die Eigenschaft als Wohnraum nicht tangieren (König/Roeser/Stock/Stock BauNVO § 3 Rn. 18a; Fickert/Fieseler/Schimpfermann/Stühler BauNVO § 3 Rn. 1).

Allerdings kann dann nicht mehr von einer Wohnnutzung, sondern von einer gewerblichen Nutzung gesprochen werden, wenn das Arbeitszimmer als betrieblicher Mittelpunkt mit städtebaulich relevanter Außenwirkung genutzt wird (VGH München Urt. v. 10.6.2010 – 15 BV 09.1491; König/Roeser/Stock/Stock BauNVO § 3 Rn. 18a).

Entscheidend für eine Abgrenzung von einer noch dem Wohnen zuzuordnenden Nutzung und einer (unzulässigen) gewerblichen Nutzung dürften somit, gerade mit Blick auf die besondere Schutzbedürftigkeit der Wohnruhe (s.o.), die von der konkreten Art der Nutzung ausgehenden Störungen sein. Wobei bezüglich der Schutzbedürftigkeit der Wohnruhe noch einmal zwischen den einzelnen Gebieten differenziert werden muss. So besteht in einem reinen Wohngebiet eine höhere Schutzbedürftigkeit, als in einem allgemeinen Wohngebiet. Wenngleich der zulässige Störgrad nicht allgemein festgelegt wurde (EZBK/Stock BauNVO § 3 Rn. 18), kann sich eine Überschreitung evident aus den konkreten Umständen und den allgemein zulässigen Nutzungen ergeben. Eine die Wohnnutzung tangierende Störung widerspricht dann dem jeweiligen Gebietscharakter.  Die Abgrenzung kann nach alledem auch nicht pauschal erfolgen, sondern muss anhand der Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden.

Mangels bauplanungsrechtlicher Definition kann für die Abgrenzung auch auf die mietrechtliche Definition von „Wohnen“ und Argumentationsansätze der Rechtsprechung zum Mietrecht zurückgegriffen werden, sofern diese mit den sich aus der BauNVO ergebenden bauplanungsrechtlichen Grundsätzen übereinstimmen. So fallen nach BGH solche Tätigkeiten des Mieters noch unter den Wohnbegriff, die in einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Weise ausgeübt werden (BGH, Urt. v. 10. 4. 2013 – VIII ZR 213/12 (LG Berlin)). Dieses Kriterium ist auch mit der bauplanungsrechtlichen Konzeption von „Wohnen“ vereinbar, wonach es für eine zulässige Wohnnutzung zumindest erforderlich ist, dass keine besonderen Störungen ausgehen. Zwar kann nicht daraus gefolgert werden, dass jede nicht nach außen in Erscheinung tretende Nutzung dem bauplanungsrechtlichen Wohnbegriff entspricht. Es kann jedoch daraus im Umkehrschluss folgen, dass nach außen in Erscheinung tretende Tätigkeiten auch nicht vom bauplanungsrechtlichen Wohnbegriff erfasst werden.

Anhaltspunkte, die eine die zulässige Wohnnutzung überschreitende Nutzung indizieren, können hierbei sein:

  • Kundschafts- und Lieferverkehr (VGH München Urt. v. 10.6.2010 – 15 BV 09.1491)
  • Häufiger Besuch durch Kollegen und Kolleginnen zu beruflichen Zwecken
  • Abhalten von Sitzungen/Meetings mit mehreren (präsenten) Teilnehmer*innen
  • Lärmemissionen (Überschreitung der TA-Lärm)
  • Verkehrslärm wegen durch Home-Office ausgelösten Andienungsverkehr
  • Wohnungsfremde Geräusche im reinen Wohngebiet (OVG Münster, Urteil vom 09.07.1992 – 7 A 158/91)
  • ausschließliche/überwiegende Nutzung der Wohnung zur Erwerbsarbeit

Baurechtliche Folgen unzulässiger Nutzung

Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, kann diese Benutzung nach dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht untersagt werden (vgl. etwa: § 82 Abs. 1 S. 2 HBO; Art. 76 S. 2 BayBO; § 65 Abs. 1 S. 2 LBO BW; § 82 BauO NRW; § 81 LBauO). Hierfür genügt grundsätzlich schon die formelle Illegalität des Vorhabens (Hornmann HBO § 82 Rn. 212), wobei unter Umständen eine Korrektur im Rahmen des Ermessens vorgenommen werden kann. Die Nutzungsuntersagung ist regelmäßig als Ermessensvorschrift ausgestaltet, sodass die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über den Erlass des Nutzungsverbots zu entscheiden hat. So kann ein Nutzungsverbot unverhältnismäßig sein, wenn die Art der Nutzung grundsätzlich genehmigungsfähig ist und eine Genehmigung bereits beantragt wurde (OVG Münster (2. Senat), Beschluss vom 12.05.2020 – 2 A 288/20). Gleiches gilt für den Fall, dass die Aufgabe der Nutzung unmittelbar und offenkundig bevorsteht (Hornmann HBO § 82 Rn. 232). Diese Nutzungsuntersagung kann sich sowohl gegen die Person richten, die die illegale Nutzung selbst ausübt (Eigentümer*in, Pächter*in, Mieter*in), als auch gegen die Person, die die illegale Nutzung, durch Überlassung der Anlage, ermöglicht (Vermieter*in, Verpächter*in)(Hornmann HBO § 82 Rn. 234).

Einer Nutzungsuntersagung aufgrund formeller Illegalität kann unter Umständen noch eine aktive Duldung entgegenstehen, welche aber nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen ist (OVG Münster (2. Senat), Beschluss vom 12.05.2020 – 2 A 288/20).

Die Vollstreckung der Nutzungsuntersagung kann bei deren Nichtbefolgung durch verschiedene Zwangsmittel erfolgen. Welche Zwangsmittel zur Vollstreckung der Nutzungsuntersagung eingesetzt werden können, richtet sich nach dem jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsrecht der Länder. In Betracht kommen hierbei unter anderem das Zwangsgeld, die Versiegelung und die Zwangsräumung.

Das Zwangsgeld ist regelmäßig das primär in Betracht kommende Zwangsmittel, da das in der Nutzungsuntersagung aufgegebene Unterlassen der Nutzung nur von dem Adressaten beziehungsweise der Adressatin der Nutzungsuntersagung befolgt werden kann und es sich um eine unvertretbare Handlung handelt (vgl. Hornmann HBO § 82 Rn. 245 m.w.N.; Simon/Busse/Decker BayBO Art. 76 Rn. 399).

Da sich die Nutzungsuntersagung von Wohnraum als Home-Office auch auf einen abgrenzbaren Bereich, wie ein Gebäude oder Räumlichkeiten bezieht, kommt zur zwangsweisen Durchsetzung grundsätzlich auch die Versiegelung in Betracht (vgl. Hornmann HBO § 82 Rn. 251; BeckOK BauordnungsR Hessen/Otting HBO § 82 Rn. 179 m.w.N.).

Bei einer Nutzungsuntersagung von Räumen, insbesondere von Wohnräumen, kommt als zwangsweise Durchsetzung auch die Zwangsräumung des Nutzers oder der Nutzerin – nicht des Inventars–, in Betracht (Hornmann HBO § 82 Rn. 253 m.w.N.)

Auswirkungen auf ein Mietverhältnis

Ein Nutzungsverbot kann auch, bei Wahrung des Bestimmtheitsgebots, ein Handlungsgebot zum Tätigwerden entnommen werden, was insbesondere auch die zur Verfügung stehenden eigentums- oder mietvertraglichen Möglichkeiten zu ergreifen beinhaltet, um die rechtswidrige Nutzung abzustellen (BeckOK BauordnungsR Hessen/Otting HBO § 82 Rn. 160). Mithin können sich gegebenenfalls auch Auswirkungen mietrechtlicher Art ergeben. Hierunter kann unter Vorliegen bestimmter Voraussetzungen insbesondere auch die Kündigung baurechtswidrig genutzter Räume in Betracht kommen (VGH Kassel, Beschluss vom 26.07.1994 – 4 TH 1779/93).

Zusammenfassung

Auch wenn die mit der Nutzung von Wohnraum als Home-Office zusammenhängenden potenziellen Probleme derzeit, gerade auch wegen der schlichten Notwendigkeit, nicht im Fokus stehen, kann sich dies jedoch im Laufe der Zeit ändern. Zu denken ist beispielsweise daran, dass sich die Nachbarschaft bei der Bauaufsicht, etwa wegen Lärms, beschwert und diese dann unter Umständen zu einer Prüfung der Situation und einem Einschreiten bewegt wird. In einem solchen Fall wäre dann nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen, ob durch die konkrete Art der Tätigkeit noch von einer der Baugenehmigung entsprechenden Wohnnutzung gesprochen werden kann. Im Regelfall dürfte die „klassische“ Telearbeit, in Form von einfacher Arbeit am Computer/Laptop mit gelegentlichen Telefonaten, nicht einer zulässigen Wohnnutzung widersprechen.

 

Lena Gutberlet-Wendorff

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich des öffentlichen Baurechts, Kanzlei Kapellmann und Partner, Frankfurt am Main; Assessorin
 

Prof. Dr. Stefan Pützenbacher, Notar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Kanzlei Kapellmann und Partner, Frankfurt am Main; Honorarprofessor für Baurecht an der Frankfurt University of Applied Sciences
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