17.08.2023

Die Entwicklung des hessischen Polizeirechts in den Jahren 2016 bis 2023

Die Jahre 2016 bis 2020 Teil I B

Die Entwicklung des hessischen Polizeirechts in den Jahren 2016 bis 2023

Die Jahre 2016 bis 2020 Teil I B

Änderungen des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)| © christophe papke  - stock.adobe.com
Änderungen des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)| © christophe papke - stock.adobe.com

Die nachfolgenden Ausführungen knüpfen an den Beitrag des Autors in PUBLICUS vom 11.05.2016 an, der sich mit den Änderungen des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) der Jahre 2005 bis 2015 befasste.

Fortsetzung des Teils I A.

Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) gilt derzeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2005 (GVBl. I S. 14), zuletzt geändert durch Art. 2 und 4 des Gesetzes vom 29.06.2023 (GVBl. S. 456).


Datenverarbeitung

Als 25a HSOG ist eine neue Befugnisnorm geschaffen worden, die den Polizeibehörden die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten mittels einer automatisierten Anwendung zur Datenanalyse erlaubt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen knüpfen im Hinblick auf die Verhütung von Straftaten an § 100 Abs. 2 der Strafprozessordnung und im Hinblick auf die Gefahrentatbestände an die für die Rasterfahndung geltenden Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 HSOG an. Die Maßnahme steht unter einem Behördenleitungsvorbehalt (das Bundesverfassungsgericht hat Anfang 2023 entschieden, dass § 25a Abs. 1 Alternative 1 HSOG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Fassung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist; § 25a HSOG ist daraufhin neu gefasst worden; Näheres dazu in Teil II).

In § 26, in dem die so genannte Rasterfahndung geregelt ist, erfolgte eine Wiederaufnahme des Richtervorbehalts. Dieser war bereits am 01.01.1990 in das HSOG aufgenommen, aber im Jahr 2002 wieder gestrichen worden.1Art. 1 Nr. 4 (§ 44 m) des Gesetzes zur Änderung des HSOG vom 18.12.1989 (GVBl. I S. 469) und Art. 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung des HSOG vom 06.09.2002 (GVBl. I S. 546).

Sonstige Bestimmungen

Meldeauflage

Mit der Regelung über Meldeauflagen ist durch § 30a HSOG ist eine weitere Befugnisnorm geschaffen worden. Die Befugnis ist nicht neu. Sie war bisher auf die Generalklausel des § 11 HSOG gestützt worden, wurde nunmehr als Standardmaßnahme ausgestaltet und enthält eine Legaldefinition der Meldeauflage. Der Anwendungsbereich erstreckt sich allgemein auf die Verhütung von Straftaten.

Die Zuständigkeit ist auf die Polizeibehörden beschränkt worden.

Kontaktverbot

In § 31 HSOG sind Kontaktverbote, die bisher auf die Generalklausel des § 11 HSOG gestützt worden sind, in § 31 Abs. 2 und 3 als Standardmaßnahmen aufgenommen worden.

Elektronische Aufenthaltsüberwachung

Mit der Einfügung des § 31a HSOG ist eine Rechtsgrundlage für die elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) geschaffen worden. Tatbestandlich wird an die Verhütung terroristischer Straftaten im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 2 HSOG angeknüpft. Es müssen jedoch noch weitere Voraussetzungen im Hinblick auf die Prognose vorliegen, dass die von der Maßnahme betroffene Person eine terroristische Straftat begehen wird. Die Maßnahme steht unter Richtervorbehalt. Im Zusammenhang mit der EAÜ können auch Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverbote angeordnet werden.

Ingewahrsamnahme und Dauer der Ingewahrsamnahme

Im Zusammenhang mit der Regelung über die EAÜ ist in § 32 HSOG die Befugnis zu Ingewahrsamnahmen ergänzt worden. Danach dürfen Personen nunmehr auch dann in Gewahrsam genommen werden, wenn dies zur Durchsetzung einer Maßnahme der EAÜ nach § 31a HSOG unerlässlich ist. Als Höchstdauer einer solchen Ingewahrsamnahme werden in dem geänderten § 35 HSOG zehn Tage festgelegt.

Strafvorschrift

Ebenfalls im Zusammenhang mit der Regelung über die EAÜ ist in dem eingefügten 43b HSOG erstmals eine Strafvorschrift im HSOG geschaffen worden. Bestimmte Zuwiderhandlungen gegen § 31a HSOG werden mit Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe geahndet. Die Strafandrohungsbefugnis des Landesgesetzgebers, die nach Artikel 3 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB auf das Höchstmaß von zwei Jahren beschränkt ist, wird ausgeschöpft. Die Strafverfolgung erfordert einen Strafantrag der nach § 31a Abs. 3 HSOG zuständigen Behördenleitung.

Gefährliche Hunde

Durch eine Ergänzung des § 71a HSOG ist die Option geschaffen worden, zur Gefahrenvorsorge in der HundeVO2Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) vom 22.01 2003 (GVBl. I S. 54), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.11.2022 (GVBl. S. 686). Sachkunderegelungen für das Halten und Führen aller Hunde zu treffen sowie eine Chip- und Registrierungspflicht vorzusehen. Mit der Registrierung können auch nicht staatliche Stellen beauftragt werden.

Das Tätigwerden ausländischer Polizeikräfte in Hessen

Das Tätigwerden von Bediensteten von Polizeibehörden, die ihren Sitz außerhalb von Deutschland haben, auf hessischem Gebiet und dabei speziell die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist einheitlich in einem neuen § 102 Abs. 4 HSOG geregelt worden.

Das dritte Gesetz des Jahres 2018 trat am 4. September 2018 in Kraft und enthält Änderungen des Hessischen Brandschutz- und Katastrophenschutzgesetzes und des HSOG.3Gesetz zur Änderung des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes und des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 23. 08.2018 (GVBl. S. 374)

Die Änderungen des HSOG sind in Art. 2 Nummer 1 bis 10 dieses Gesetzes vorgenommen worden. Diese betreffen insbesondere Regelungen, die im Zusammenhang mit der Einführung des Digitalfunks bei der Polizei stehen.

Die wesentlichen Änderungen sind:

Sicherstellung von Forderungen

Durch eine Ergänzung des § 40 HSOG ist in Abs. 2 eine spezielle Regelung für die Sicherstellung einer schuldrechtlichen Forderung geschaffen worden.

Neue Behördenbezeichnung

Das bisherige Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung hat durch die Änderung des § 91 HSOG die Bezeichnung „Hessisches Polizeipräsidium für Technik“ erhalten, damit deutlich wird, dass es sich um eine Polizeibehörde handelt.

Zusätzliche Aufgaben für das Hessische Polizeipräsidium für Technik

Durch eine Änderung des § 95 HSOG ist dem Hessischen Polizeipräsidium für Technik (HPT) die Zuständigkeit übertragen worden, die Aufgaben einer so genannten Autorisierten Stelle wahrzunehmen, deren Einrichtung mit der Einführung des Digitalfunks in Hessen erforderlich geworden ist. Die Zuständigkeit besteht auch in den Fällen, in denen die Verfügbarkeit der Funkversorgung gefährdet ist.

Bereitstellungs- und Duldungspflichten

Im Zusammenhang mit der Umstellung des Polizeifunks auf den Digitalfunk ist in § 108 HSOG die Verpflichtung zur entschädigungslosen Bereitstellung eines Antennenstandortes und abgeschlossener Räume für die Systemtechnik sowie zur Duldung des Anbringens einer Gebäudefunkanlage auf einem privaten Grundstück aufgenommen worden.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat Ende 2018 entschieden, dass weite Teile der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Fassung der § 14a HSOG sowie § 18 Abs. 2 Nr. 5 HSOG, soweit darin polizeiliche Kontrollstellen zur Verhütung von versammlungsrechtlichen Straftaten vorgesehen sind, mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Die mit dem Grundgesetz unvereinbaren Regelungen durften nach Maßgabe der Entscheidungsgründe bis zum 31.12.2019 weiter angewendet werden. Die Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.4Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.12.2018 -1 BvR 2795/09; 1 BvR 3187/10. Die Entscheidungsformel ist im BGBl. I 2019 S. 195 sowie im hessischen GVBl. 2019 S. 195 veröffentlicht worden.  (§ 14a und § 18 Abs. 2 Nr. 5 HSOG sind im Jahr 2023 geändert worden, Näheres s. Teil II.)

Im Jahr 2019 ist das HSOG nicht geändert worden.

Änderungen des HSOG im Jahr 2020

Sonderstatus-Stadt

Im Zusammenhang mit Gesetzesänderungen im Bereich des Kommunalrechts5Gesetz zur Verbesserung der politischen Teilhalbe von ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern an der Kommunalpolitik sowie zur Änderung kommunal- und wahlrechtlicher Vorschriften vom 07.05.2020 (GVBl. S. 318). sind die §§ 83, 85 und 86 HSOG durch Art. 10 dieses Gesetzes redaktionell an die Neufassung des § 4a der Hessischen Gemeindeordnung angepasst worden, indem der Begriff „Sonderstatus-Stadt“ eingeführt worden ist.

Teil II folgt demnächst.

Hinweis: Die oben aufgeführten Änderungen werden in dem im Boorberg-Verlag erschienenen Kommentar des Verfassers: Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 13. Auflage 2020, ausführlich kommentiert.

 

Dirk Fredrich

Ministerialrat a.D. Dirk Fredrich, vormals Referatsleiter im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport
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  • 1
    Art. 1 Nr. 4 (§ 44 m) des Gesetzes zur Änderung des HSOG vom 18.12.1989 (GVBl. I S. 469) und Art. 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung des HSOG vom 06.09.2002 (GVBl. I S. 546).
  • 2
    Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) vom 22.01 2003 (GVBl. I S. 54), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.11.2022 (GVBl. S. 686).
  • 3
    Gesetz zur Änderung des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes und des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 23. 08.2018 (GVBl. S. 374)
  • 4
    Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.12.2018 -1 BvR 2795/09; 1 BvR 3187/10. Die Entscheidungsformel ist im BGBl. I 2019 S. 195 sowie im hessischen GVBl. 2019 S. 195 veröffentlicht worden.
  • 5
    Gesetz zur Verbesserung der politischen Teilhalbe von ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern an der Kommunalpolitik sowie zur Änderung kommunal- und wahlrechtlicher Vorschriften vom 07.05.2020 (GVBl. S. 318).
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