21.08.2023

Keine Einstellung in den öffentlichen Dienst wegen Social-Media-Posts

Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen

Keine Einstellung in den öffentlichen Dienst wegen Social-Media-Posts

Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen

Ein Beitrag aus »apf« | © emmi - Fotolia / RBV
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Ein Social-Media-Post kann Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Einstellungsbewerbers begründen. Sichert eine Einstellungsbehörde einem Bewerber die Ernennung zum Beamten auf Widerruf zu, ist sie an diese nicht mehr gebunden, wenn sie bei Kenntnis des Posts die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen.

I. Sachverhalt

Ein Polizeibewerber erhielt nach erfolgreichem Auswahlverfahren ein Schreiben der Einstellungsbehörde vom 29. März 2021, das mit dem Betreff „Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei“ überschrieben ist. Ihm wurde nach der Anrede mitgeteilt, dass er für die Einstellung als Polizeimeisteranwärter vorgesehen sei. Die Behörde erklärte überdies, dass bei Dienstantritt im September 2021 seine Ernennung erfolge, und wünschte bereits einen „guten Start bei der Bundespolizei“.

Der Behörde wurden Ende Juni 2021 Aktivitäten des Bewerbers auf Facebook und Instagram bekannt. Wegen eines Verkehrsverstoßes im Jahr 2020 erhielt dieser eine Fahrverbotsverfügung, die er auf dem eigenen Facebook-Account mit dem Kommentar „Da is das ding“ nebst zwei Lachsmileys und einem Mittelfinger-Emoji postete.


Mit Schreiben vom 6. Juli 2021 teilte die Behörde dem Bewerber mit, dass deswegen die Bindungswirkung der Einstellungszusage entfallen sei und infolgedessen der Bewerber nicht im September 2021 ernannt werde.

Daraufhin stellte dieser einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim zuständigen Verwaltungsgericht (VG).

II. Darstellung des wesentlichen Entscheidungsinhalts

Die Entscheidung beinhaltet drei Themenkomplexe:

1. Anspruch auf Ernennung

Zum beamtenrechtlichen Kern des Falls, der charakterlichen Eignung des Bewerbers, führt das VG aus:

Nach der für Einstellungsbegehren und auch den Fall der Einstellungszusage einschlägigen Norm des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Diese Vorschrift gewährt allerdings keinen unbedingten Einstellungsanspruch, sondern vermittelt dem Bewerber lediglich ein grundrechtsgleiches Recht darauf, dass über seinen Antrag auf Zugang zu

öffentlichen Ämtern nur nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ermessensfehlerfrei entschieden wird. Dabei darf der Dienstherr die Einstellung eines Bewerbers bereits dann ablehnen, wenn berechtigte Zweifel an dessen Eignung bestehen.

Bereits das Posten eines Fotos einer gegen den Antragsteller gerichteten Fahrverbotsverfügung mit dem Titel „Da is das ding“ nebst zwei Lachsmileys und einem Mittelfinger-Emoji ist ausreichend, um Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers zu erwecken. Die Zurschaustellung des Fahrverbotes unter Einsatz von Lachsmileys zieht die Sanktion ins Lächerliche und zeigt, dass der Antragsteller den Bußgeldbescheid weder ernst nimmt noch dessen Besinnungsfunktion erkannt hat. Durch die Nutzung des Mittelfinger- Emojis suggeriert der Antragsteller, der als Polizeimeister selbst rechtliche Verstöße ahnden müsste, dass er rechtliche Vorgaben nicht respektiert. Da der entsprechende Post auf dem Account des Antragstellers immer noch gespeichert war, ist dessen Hinweis darauf, das zugrunde liegende verkehrswidrige Verhalten liege mehr als 1,5 Jahre zurück, ohne Belang, zumal die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Begründung nicht auf das Fahrverbot selbst abstellte, sondern auf die beschriebene Darstellung in den sozialen Netzwerken.1VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 18 ff. Somit fehlt dem Bewerber die erforderliche charakterliche Eignung für eine Ernennung zum Beamten auf Widerruf.

2. Auswirkungen auf eine zuvor abgegebene Einstellungszusage

Hieran schließt sich die Frage an, welche Auswirkung der nachträglich festgestellte Eignungsmangel auf die bereits abgegebene Einstellungszusage hat.

a) Dies hängt zunächst von der Rechtsnatur der Einstellungszusage vom 29. März 2021 ab. Das VG ordnet sie als Zusicherung i. S. d. § 38 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) mit dem Inhalt ein, den Bewerber als Beamten auf Widerruf zum Polizeimeisteranwärter einzustellen. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG definiert die Zusicherung als eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Die Zusicherung stellt eine verbindliche Selbstverpflichtung der Behörde dar, unter den angegebenen Voraussetzungen einen i. S. d. § 37 Abs. 1 VwVfG hinreichend bestimmten künftigen Verwaltungsakt (nicht) zu erlassen.

Ob der Inhalt einer behördlichen Erklärung die Voraussetzungen einer Zusicherung erfüllt, ist durch Auslegung nach dem objektiven Sinngehalt, wie er für den Adressaten unter Berücksichtigung aller Umstände erkennbar ist (objektiver Empfängerhorizont), zu ermitteln. Von einer Zusicherung abzugrenzen sind Auskünfte, Hinweise und informelle Absprachen, die für das künftige Verhalten der Behörde von Bedeutung sind oder sein können. Gemessen daran ist das Schreiben der Antragsgegnerin als verbindliche Erklärung einzustufen. Es ist mit dem Betreff „Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei“ überschrieben und deutet hierdurch den Erhalt einer gesicherten Rechtsposition an. Dem Antragsteller wird bereits nach der Anrede mitgeteilt, dass er für die Einstellung als Polizeimeisteranwärter vorgesehen sei. Die Antragsgegnerin erklärt überdies, dass bei Dienstantritt im September 2021 seine Ernennung erfolge, und wünscht bereits einen „guten Start bei der Bundespolizei“. Das Schreiben lässt den eindeutigen Willen erkennen, den Antragsteller im September 2021 zum Polizeimeisteranwärter zu ernennen, ohne dass es dazu noch weiterer Prüfungen, Zwischenschritte oder Voraussetzungen bedürfte.2VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 10 ff.

b) Eine bereits abgegebene Zusicherung kann ihre Wirksamkeit verlieren. Für den Fall, dass der Behörde nachträglich für die Zusicherung relevante Tatsachen bekannt werden, hält das Verfahrensrecht zwei Optionen bereit. Es muss unterschieden werden, ob diese Tatsachen bereits bei Abgabe der Zusicherung vorgelegen haben oder erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind. In der ersten Konstellation findet auf die Rücknahme der Zusicherung § 48 VwVfG entsprechende Anwendung (§ 38 Abs. 2 VwVfG), da für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zusicherung der Zeitpunkt ihrer Abgabe maßgebend ist.

Für den zweiten Fall bestimmt § 38 Abs. 3 VwVfG:

„Ändert sich jedoch nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden.“

Die nachträgliche Erkenntnis der Behörde, dass sie die Zusicherung aufgrund falscher tatsächlicher und rechtlicher Voraussetzungen erteilt hat, steht jedoch einer Änderung der Sach- und Rechtslage nicht gleich. Sie kann aber eine Rücknahme rechtfertigen.3Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 38 Rn. 99. Das VG nimmt an, dass die Bindungswirkung der Zusicherung nachträglich gem. § 38 Abs. 3 VwVfG entfallen ist.

§38 Abs. 3 VwVfG enthält einen spezialgesetzlich geregelten Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Diese Regelung geht den Widerrufsgründen des § 49 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG vor. Sie gibt – insoweit ähnlich wie § 49 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG und § 60 VwVfG – in Abwägung des individuellen Vertrauens des Bürgers auf den Bestand einer einmal gegebenen Zusicherung einerseits und des öffentlichen Interesses an der Berücksichtigung nachträglicher Veränderungen der objektiven Sach- oder Rechtslage andererseits dem letztgenannten Gesichtspunkt den Vorrang. Insofern enthält § 38 Abs. 3 VwVfG im Falle nachträglicher Veränderungen der Sach- oder Rechtslage weitere spezielle Grenzen für den Schutz von Vertrauen auf Wirksamkeit und Fortbestand einer einmal gegebenen behördlichen Zusicherung.

Die Bindungswirkung entfällt nach dieser Vorschrift unabhängig von der Bekanntgabe einer Aufhebungsentscheidung bereits mit der objektiven Änderung der Sach- oder Rechtslage. Maßgebend dafür, ob solche nachträglichen, rechtsvernichtenden Umstände eingetreten sind, ist ein Vergleich der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der ursprünglichen Zusicherung mit denjenigen im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung. Es kommt dabei nicht auf die subjektiven Vorstellungen des einzelnen Bediensteten an, der die Zusicherung gegeben hat, sondern darauf, ob bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Rechtssätze, deren Vollzug oder Wahrung der zugesicherte Verwaltungsakt dient, zu erwarten wäre, dass die Zusicherung auch in Ansehung der veränderten Umstände erneut gegeben worden wäre.4VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 15.

Zur Begründung des Eignungsmangels stellte die Behörde nicht auf den Verkehrsverstoß als solchen, sondern auf die öffentliche Kommentierung des Fahrverbots durch den Bewerber ab.5VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 15. Maßgeblich ist demnach das Datum des entsprechenden Facebook- Eintrags, das in der Entscheidung bedauerlicherweise nicht angegeben wird. Nimmt man an, dass der Post nach der Einstellungszusage erfolgte, sind die Voraussetzungen des § 38 Abs. 3 VwVfG erfüllt, wie das VG feststellt:

Vorliegend hat sich die Sachlage durch die Ende Juni 2021 bekannt gewordenen Aktivitäten des Antragstellers auf Facebook und Instagram geändert. Bei objektiver Betrachtung kann davon ausgegangen werden, dass die Behörde bei Kenntnis der maßgeblichen Umstände die Einstellungszusage nicht erteilt hätte, da in einer Gesamtschau ihre Einschätzung, es bestünden Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers, rechtlich nicht zu beanstanden ist.6VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 17.

Der Bewerber hat folglich keinen Ernennungsanspruch aufgrund der Zusicherung, da diese ihre Bindungswirkung verloren hat.

3. Rechtsschutz des Bewerbers

Angesichts des nahenden Einstellungstermins ersuchte der Bewerber das VG um einstweiligen Rechtsschutz. Sein Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf im September 2021 in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundesrepublik Deutschland einzustellen,7VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 2. ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da der Bewerber keinen Anordnungsanspruch (Anspruch auf Ernennung, s. o. II.) für den Erlass einer Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) glaubhaft machen konnte (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Gericht die Feststellung der Behörde, dass der Bewerber nicht die erforderliche charakterliche Eignung aufweise, nur eingeschränkt überprüfen konnte, da es sich bei dem dienstrechtlichen Begriff der Eignung um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum handelt.

Die von dem Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das angestrebte Amt ist ein Akt wertender Erkenntnis und unterliegt daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Das Gericht hat nur zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat.8VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 18. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.

III. Fazit der Entscheidung und Auswirkungen auf die Praxis

1. Personalabteilungen von Behörden (Gleiches gilt für private Arbeitgeber) ziehen im Rahmen von Einstellungsverfahren Erkundigungen über Bewerber mittlerweile auch via Internet ein.9Hierzu unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten: Gola, NZA 2019, 654. Erlangt die Behörde hierbei Kenntnis von Social-Media-Posts eines Bewerbers, können diese Zweifel an der charakterlichen Eignung begründen. Dies gilt auch für länger zurückliegende Eintragungen, zumal wenn sie nicht vom Accountinhaber gelöscht worden sind.

2. Aus Gründen der Planungssicherheit für Bewerber und Behörde erhalten erfolgreiche Bewerber nach Abschluss des Auswahlverfahrens üblicherweise eine Einstellungszusage, die in Form einer Zusicherung i. S. d. § 38 Abs. 1 VwVfG erfolgen kann. Werden erst danach Tatsachen bekannt, die auf einen Eignungsmangel schließen lassen, muss unterschieden werden:

Lagen diese Tatsachen bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Zusicherung vor, hat die Behörde nur die Möglichkeit, die Zusicherung zurückzunehmen (§ 38 Abs. 2 i. V. m. § 48 VwVfG). Hat sich die Sachlage nachträglich geändert, entfällt die Bindungswirkung unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 3 VwVfG. In diesem Fall ist eine alsbaldige Mitteilung an den Bewerber erforderlich.10Zu möglichen haftungsrechtlichen Folgen: Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 38 Rn. 42.

 

Entnommen aus apf – Ausbildung – Prüfung – Fachpraxis 2/2023, S. 62.

 

Andreas Lenk

Dozent an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Rheinland-Pfalz
----------
  • 1
    VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 18 ff.
  • 2
    VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 10 ff.
  • 3
    Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 38 Rn. 99.
  • 4
    VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 15.
  • 5
    VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 15.
  • 6
    VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 17.
  • 7
    VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 2.
  • 8
    VG Aachen, Beschl. v. 26.08.2021 – 1 L 480/21, Rn. 18.
  • 9
    Hierzu unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten: Gola, NZA 2019, 654.
  • 10
    Zu möglichen haftungsrechtlichen Folgen: Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 38 Rn. 42.
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