11.05.2016

Im Blickpunkt: Polizeirecht in Hessen

Aktuelle Entwicklungen des HSOG – Ein Überblick

Im Blickpunkt: Polizeirecht in Hessen

Aktuelle Entwicklungen des HSOG – Ein Überblick

Angesichts anhaltend
hoher Gefährdungslagen in Bezug auf
terroristische Anschläge müssen
polizeiliche Taktiken
fortlaufend verbessert werden,. | © pattilabelle  - stock.adobe.com
Angesichts anhaltend hoher Gefährdungslagen in Bezug auf terroristische Anschläge müssen polizeiliche Taktiken fortlaufend verbessert werden,. | © pattilabelle - stock.adobe.com

Der Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in den letzten zehn Jahren. Derzeit gilt das HSOG in der Fassung vom 14. 01. 2005 (GVBl. I S. 14) und wurde zuletzt durch Art. 7 des Gesetzes vom 28. 09. 2015 (GVBl. S. 346) geändert.

Kommunalisierung des Landrats

Von den im Jahre 2005 erfolgten Änderungen ist die durch Art. 7 des Gesetzes zur Kommunalisierung des Landrats sowie des Oberbürgermeisters als Behörden der Landesverwaltung – Kommunalisierungsgesetz – vom 21. 03. 2005 (GVBl. I S. 229) erwähnenswert. Durch dieses Gesetz wurden Aufgaben und Personal des Landrats sowie des Oberbürgermeisters als Behörden der Landesverwaltung weitgehend auf die Landkreise und kreisfreien Städte überführt. Das hatte auch Auswirkungen auf die Organisation der Gefahrenabwehrbehörden, sodass die §§ 83, 85, 86, 106 anzupassen waren. In dem Jahr der Neufassung des HSOG erfolgten weitere Änderungen durch Art. 3 des Dritten Gesetzes zur Verwaltungsstrukturreform vom 17. 10. 2005 (GVBl. I S. 674, 676), die die §§ 27, 71a, und erneut die §§ 83, 85, 86, 106 betrafen. Bei diesem Gesetz handelt es sich um ein Maßnahmenbündel zur Aufgabenreduzierung und Neuorganisation der Regierungspräsidien, die beispielsweise weitgehend ihre Aufgabe als Widerspruchsbehörde verloren; es enthält aber auch in § 71a die Ermächtigung, ein Zuchtverbot für gefährliche Hunde in die HundeVO aufzunehmen.

Wildtiere als Hobby

Im Jahre 2007 ist durch das 9. HSOG-Änderungsgesetz vom 28. 09. 2007 (GVBl. S. 634) § 43a in das HSOG eingefügt worden. Die Vorschrift enthält das grundsätzliche Verbot hobbymäßig gefährliche Wildtiere zu halten. Eine Verfassungsbeschwerde dagegen ist wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen worden (BVerfG, Beschl. v. 02. 12. 2008 – 1 BvR 2639/08 –, EuGRZ 2008, 766). Eine Grundrechtsklage vor dem Hessischen Staatsgerichtshof wurde als unzulässig zurückgewiesen (Beschl. v. 11. 02. 2009 – P.st. 2184 –, StAnz. 20/2009 S. 1154). Das VGH Kassel, Urt. v. 04. 03. 2010 – 8 A 265/09 – NVwZ-RR 2010, 716 und das BVerwG, Beschl. v. 28. 01. 2011-6 B 61/10-, juris haben ebenfalls keine verfassungsmäßen Bedenken gegen diese Vorschrift.


Rasterfahndung und Automatische Kennzeichenlesesysteme

Im Jahre 2009 wurde das Gesetz zur Änderung des HSOG und anderer Gesetze vom 14. 12. 2009 (GVBl. I S. 635) beschlossen. Besonders sind die aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgten Neuregelungen zur Rasterfahndung (§ 26) und zum Einsatz von Automatischen Kennzeichenlesesystemen (§ 14a) sowie die Berücksichtigung der Strafverfolgungsvorsorge als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (§ 1 Abs. 4) zu erwähnen. Das Bundesverfassungsgericht (Beschl. vom 04. 04. 2006 – 1 BvR 518/02 –, NJW 2006, 1939) hat die Rasterfahndung nur bei konkreter Gefahr für hochrangige Rechtsgüter für zulässig erklärt. Die bisherige, durch das Gesetz vom 06. 09. 2002 in § 26 getroffene Regelung, knüpfte an die Verhütung von Straftaten an und musste daher geändert werden. Die in § 14a getroffene Regelung über den Einsatz automatischer Kennzeichenlesesysteme (AKLS) wurde aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11. 03. 2008, NJW 2008,1505 erforderlich, durch den die bisher geltende Vorschrift des § 14 Abs. 5 für verfassungswidrig und nichtig erklärt worden ist. Gegen § 14a ist auch eine Verfassungsbeschwerde erhoben worden (1 BvR 1782/09), über die noch nicht entschieden worden ist. Das BVerwG (Urt. v. 22. 10. 2014 – 6 C 7.13 – DÖV 2015,346) hat einer Klage gegen die bayerische Regelung nicht stattgegeben.

Strafverfolgungsvorsorge

Regelungen, die der Vorsorge für Verfolgung künftiger Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge) dienen, werden als Strafverfolgungsmaßnahmen im weiteren Sinne angesehen und unterliegen somit der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ( BVerfG, Urt. v. 27. 07. 2005 – 1 BvR 668/04 –, NJW 2005, 2603 ). Solange der Bundesgesetzgeber nicht eine abschließende flächendeckende Normierung der Strafverfolgungsvorsorge vorgenommen hat, sondern nur einzelne Regelungen, wie z. B. §§ 81b 2. Alt. und 81 g StPO getroffen hat, darf der Landesgesetzgeber insoweit bestehende bundesrechtliche Lücken ausfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. 01. 2012- 6 C 9/11- NVwZ 2012,757). Für den Bereich der Telekommunikationsüberwachung hat das BVerfG (vgl. Urt. v. 27. 07. 2005 – 1 BvR 668/04, NJW 2005, 2603) eine abschließende Regelung angenommen. Aber die Zuständigkeit für polizeiliche Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge beurteilt sich nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach den Polizeigesetzen der Länder (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. 11. 2005 – 6 C2/05 – NJW 2006, 1225). Durch die Änderung des § 1 Abs. 4 HSOG ist klargestellt worden, dass die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten Aufgabe der Polizeibehörden bleibt.

Die Gefahren des Terrorismus

In diesem Änderungsgesetz des Jahres 2009 wurde auch – insbesondere zur Abwehr von Gefahren, die vom internationalen Terrorismus ausgehen – die neue Befugnisnorm zur Quellentelekommunikationsüberwachung (§ 15b) geschaffen. Von einer Regelung über die sogenannte Online-Durchsuchung wurde dagegen abgesehen. Das Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 11. 11. 2014 – LVG 9/13- , DÖV 2015,116- LS) hat den § 17c SOG LSA, der eine Regelung über die Quellen-Telekommunikationsüberwachung enthielt, mit der Begründung für verfassungswidrig erklärt, es gebe derzeit keine technischen Mittel, um die Maßnahme durchführen zu können. Diese Begründung überzeugt nicht. Insbesondere wenn es darum geht, Leben zu retten, muss der Gesetzgeber auch vorsorglich Regelungen treffen dürfen. In den §§ 12, 15, 15a sind Berufsgeheimnisse berücksichtigt worden. Die Regelungen über den Kernbereich privater Lebensgestaltung sind in § 27 zusammengefasst worden. Bei der Zusammenarbeit der Kommunen wurde eine zusätzliche Variante eröffnet (§ 82). Die Hessische Polizeischule wurde zur Polizeibehörde und hat die Bezeichnung „Polizeiakademie Hessen” erhalten (§ 91).

Das Doppeltürmodell

Im Jahre 2012 wurde im Art. 3 des Hessischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes vom 12. 12. 2012 (GVBl. S. 581) dem § 99 ein Absatz 5 angefügt und das HSOG erstmals ohne die Angabe „I” zitiert, weil das „GVBl. II” durch Gesetz vom 8. 3. 2011 (GVBl. I S. 151) mit Wirkung vom 1. 1. 2012 abgeschafft worden ist.

Im Jahre 2013 wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des HSOG und des LfV-Gesetzes vom 27. 6. 2013 (GVBl. S. 444) die Entscheidung des BVerfG vom 24. 1. 2012-BvR 1299/05, NJW 2012, 1419 zur Bestandsdatenabfrage in § 15 a umgesetzt. In diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht ein von ihm sogenanntes Doppeltürmodell geschaffen, wonach es einer Norm zur Datenübermittlung (erste Tür) und einer Abrufnorm (zweite Tür) bedarf. Die Datenübermittlung ist dabei im Telekommunikationsrecht des Bundes zu regeln (s. das Gesetz vom 20. 06. 2013 – BGBl. I S. 1602), während die Pflicht des TK-Unternehmens, Auskunft zu erteilen, in dem entsprechenden Fachgesetz – also für den Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr im HSOG- zu regeln ist. In diesem Gesetz wurde Regelung über das Außerkrafttreten in § 115 aufgehoben, sodass das HSOG wieder unbefristet gilt.

Die neuesten Änderungen

Im Jahr 2015 schließlich wurden zunächst durch Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes vom 29. 04. 2015 (GVBl. S.20295) als Folge der Regelung des unmittelbaren Zwanges in § 7b des Maßregelvollzugsgesetzes die §§ 63 und 114 HSOG angepasst. Weitere Änderungen folgten durch Art. 7 des Gesetzes zur Änderung des Melderechts, des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Hessischen Glücksspielgesetzes vom 28. 09. 2015 (GVBl. S. 346). Dieses Änderungsgesetz, das am 01. 11. 2015 in Kraft getreten ist, enthält Regelungen über Zuverlässigkeitsüberprüfungsverfahren (§§ 13a und 13b), die Ergänzung der Videoüberwachung zur Eigensicherung um Tonaufnahmen (§ 14 Abs. 6), die Einführung der Gezielten Kontrolle einschließlich von Folgeänderungen (§§ 17, 18, 36, 37), die Aufzeichnung insbesondere von Notrufen (§ 20 Abs. 11) sowie die Eilzuständigkeit des Zolls (§ 102 Abs. 3).

Hinweis der Redaktion: Die erwähnten Änderungen der letzten zehn Jahre werden in der in Kürze erscheinenden 12. Auflage des vom Richard Boorberg Verlag herausgegebenen Kommentars zum HSOG von Meixner/Fredrich ausführlich behandelt.

 

Dirk Fredrich

Ministerialrat a.D. Dirk Fredrich, vormals Referatsleiter im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport
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