11.05.2016

Vergaberecht 2016

Teil 3: Vier weitere Verordnungen auf einen Streich

Vergaberecht 2016

Teil 3: Vier weitere Verordnungen auf einen Streich

Tragfähige Inhalte – neu dabei: die Konzessionsvergabeverordnung und die Vergabestatistikverordnung. | © Constantinos - Fotolia
Tragfähige Inhalte – neu dabei: die Konzessionsvergabeverordnung und die Vergabestatistikverordnung. | © Constantinos - Fotolia

Die am 18. 04. 2016 in Kraft getretene Vergabe­rechts­moderni­sierungs­verordnung vom 12. 4. 2016 (BGBl. I S. 624) umfasst als Mantel­verordnung neben der Vergabe­verordnung, über die wir im vorherigen Beitrag in dieser Ausgabe bereits berichtet haben, vier weitere Verordnungen, nämlich die Sektoren­verordnung, die Vergabe­verordnung Verteidigung und Sicherheit sowie die neue Konzessions­vergabe­verordnung und die neue Vergabe­statistik­verordnung. Hierzu ist auf Folgendes hinzuweisen:

Sektorenverordnung

Die neue Sektorenverordnung ist eine eigenständige Regelung, ein Rückgriff auf die allgemeinen oder die besonderen Regelungen der Vergabeverordnung ist weder notwendig noch zulässig, wie sich aus § 1 Abs. 2 der Vergabeverordnung ergibt. Die Sektorenverordnung findet ausschließlich Anwendung auf Auftragsvergaben durch Sektorenauftraggeber, § 100 GWB, im Zusammenhang mit einer Sektorentätigkeit aus den Versorgungsbereichen Verkehr, Trinkwasser oder Energie. Da es erklärtes Ziel des Verordnungsgebers ist, dem jeweiligen Rechtsanwender einen in sich geschlossenen Regelungskomplex ohne Verweisungen auf andere Normen (außer auf das GWB) zur Verfügung zu stellen, ist die Sektorenverordnung mit 64 Paragrafen recht umfangreich. Ein weiterer Grund für ihren erheblichen Umfang ist, dass sich der Verordnungsgeber dem Grundsatz verpflichtet hat, die zugrunde liegende EU-Richtlinie 2014/25/EU eins zu eins in nationales Recht umzusetzen.

Der Aufbau der Sektorenverordnung entspricht in weiten Teilen dem der Vergabeverordnung, trägt aber den Besonderheiten des Sektorenbereichs Rechnung. Identisch sind die Regelungen zur elektronischen Kommunikation sowie zur Zuschlagserteilung. Bei gleichem Inhalt ist es zulässig, einen Blick auf die in anderen Bereichen gemachten Erfahrungen, auf dortige Kommentierungen oder Beschlüsse von Vergabekammern oder Vergabesenaten zu werfen. Andere Regelungsbereiche der Sektorenverordnung unterscheiden sich deutlich von denen der Vergabeverordnung. So regelt die Sektorenverordnung z. B. auch die Antragsverfahren für Tätigkeiten, die unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt sind, § 3. Zur Wahl der Verfahrensart, § 13, ist festzustellen: Während die herkömmlichen öffentlichen Auftraggeber bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen lediglich eine Wahlfreiheit zwischen offenem und nicht offenem Verfahren haben, stehen dem Sektorenauftraggeber das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb sowie der wettbewerbliche Dialog zur freien Verfügung. Zu den Besonderheiten des wettbewerblichen Dialogs zählt, dass der Auftraggeber in der ersten Phase in der Leistungsbeschreibung lediglich seine Bedürfnisse und Anforderungen an die zu beschaffende Leistung beschreiben muss. Die zweite Phase des wettbewerblichen Dialogs beginnt mit dem Dialog, in dessen Rahmen der Auftraggeber gemeinsam mit den Unternehmen ermittelt, wie seine Bedürfnisse am besten erfüllt werden können. Der Dialog kann in mehreren aufeinanderfolgenden Phasen abgewickelt werden. Nach Abschluss der Dialogphase schließt sich die dritte Phase – die Angebotsphase – an. In dieser Phase sind die Unternehmen aufgerufen, auf der Grundlage der in der Dialogphase gefundenen Lösungen konkrete Angebote einzureichen. Weitere Unterschiede gegenüber der Vergabeverordnung bestehen bei den Anforderungen an die Unternehmen; das gilt insbesondere für die Qualifizierungssysteme, § 48. Die Qualifizierungssysteme haben zum einen den Zweck einer vorgezogenen Eignungsprüfung, zum anderen dienen sie der Bekanntmachung zu vergebender Aufträge. Ein ganz wesentlicher struktureller Unterschied zur Vergabeverordnung ist, dass die Sektorenverordnung für alle Arten von Leistungen gilt, also auch für Bauleistungen, § 2 Abs. 6. Die vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss überarbeitete VOB/A, Teil 2 ist daher im Bereich der Sektorenverordnung nicht anzuwenden. Für Konzessionsvergaben gilt jedoch auch für Sektorenauftraggeber ausschließlich die neue Konzessionsvergabeverordnung. Dort beträgt der Schwellenwert 5,225 Mio. Euro, ebenso für Bauleistungen. Für Dienst- und Lieferaufträge beträgt der Schwellenwert 418.000 Euro.


Nach dem neu gefassten § 13 Abs. 2 Nr. 4 kommt ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb in Betracht, wenn aufgrund äußerster Dringlichkeit die Fristen nicht eingehalten werden können, die für die anderen Vergabeverfahren vorgeschrieben sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH müssen dabei drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:

  • unvorhergesehenes Ereignis,
  • dringliche und zwingende Gründe, die die Einhaltung der in anderen Verfahren vorgeschriebenen Fristen nicht zulassen, und
  • ein Kausalzusammenhang zwischen dem unvorhergesehen Ereignis und den sich daraus ergebenden zwingenden, dringlichen Gründen.

Konzessionsvergabeverordnung

Die Verordnung über die Vergabe von Konzessionen regelt erstmals verbindlich ein einheitliches Verfahren zur Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen, an das alle Konzessionsgeber, seien es öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber, gebunden sind. Sie hebt die Besonderheit von Konzessionen gegenüber öffentlichen Aufträgen hervor, die geprägt sind von Leistung (die konkret in einer Leistungsbeschreibung festgelegt ist) und Gegenleistung (die regelmäßig als Vergütung in Geld vereinbart ist). Konzessionen sind in aller Regel langfristige und komplexe Vereinbarungen, bei denen der Konzessionsnehmer Verantwortlichkeiten und Risiken übernimmt, die üblicherweise vom Konzessionsgeber getragen werden. Es handelt sich um entgeltliche Verträge, bei denen dem Konzessionsnehmer eine Aufgabe übertragen ist, z. B. eine Bau- oder eine Dienstleistung zu erbringen, und die Gegenleistung dafür entweder allein im Recht zur Nutzung des Bauwerks oder zur Verwertung der Dienstleistung oder in diesen Rechten zuzüglich einer Zahlung besteht. Als Dienstleistungskonzessionen kommen zum Beispiel in Betracht der Betrieb eines städtischen Schwimmbads oder von Kantinen und Cafeterien in öffentlichen Einrichtungen. Bei Baukonzessionen kann es sich um den Bau und Betrieb eines Mautsystems auf Autobahnen oder um den Bau und Betrieb von Stadthallen oder Parkhäusern handeln. Konzessionsgeber sind nicht auf bestimmte Verfahrensarten festgelegt, sie dürfen das Vergabeverfahren grundsätzlich frei gestalten. Bei der Schätzung des Vertragswertes ist von dem voraussichtlichen Gesamtumsatz ohne Umsatzsteuer während der Vertragslaufzeit auszugehen, den der Konzessionsnehmer als Gegenleistung für die Bau- oder Dienstleistungen sowie für die damit verbundenen Lieferungen erzielt. Alle anderen finanziellen Vorteile, die dem Konzessionsnehmer aufgrund der Konzession vom Konzessionsgeber oder Dritten zufließen, sind in die Schätzung einzubeziehen. Das Vergabeverfahren darf ein- oder mehrstufig durchgeführt werden. Anders als bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind Verhandlungen mit Bietern zulässig, soweit der Konzessionsgegenstand und die Mindestanforderungen an das Angebot und die Zuschlagskriterien nicht geändert werden. Die Kommunikation im Vergabeverfahren erfolgt grundsätzlich mit elektronischen Mitteln. Angesichts des hohen Maßes an Flexibilität ist das Vergabeverfahren sorgfältig zu dokumentieren.

Vergabestatistikverordnung

Die Grundlage für die Sammlung und Auswertung von Vergabedaten ist im neuen § 114 Abs. 2 GWB gelegt. Die Bundesregierung hat mit der Verordnung zur Statistik über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen (Vergabestatistikverordnung) von der dort enthaltenen Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht. Die neuen Regelungen verpflichten die von § 98 GWB erfassten Auftraggeber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für den Ober- und eingeschränkt für den Unterschwellenwertbereich bestimmte Daten zu Beschaffungsvorgängen zur Verfügung zu stellen.

Die Datenübermittlung erfolgt für den Oberschwellenbereich in einem vollautomatisierten elektronischen Verfahren. Die in der Vergabestatistikverordnung in § 3 enumerativ aufgezählten Daten zu Vergaben ab den Schwellenwerten werden den Formularen zur Bekanntmachung vergebener Aufträge, die von jedem Auftraggeber auszufüllen und an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union elektronisch zu übermitteln sind, entnommen und automatisch in die Vergabestatistik eingespeist. Im Unterschwellenbereich, für den eine Bagatellgrenze von 25.000 Euro besteht, werden nur Basisdaten (Postleitzahl und nicht personenbezogene E-Mail-Adresse der Vergabestelle, Verfahrensart, Auftragswert und Menge der Leistung, sofern überhaupt quantifizierbar) abgefragt. Insbesondere bei den Wirtschafts- und Finanzressorts besteht oft Bedarf an Vergabedaten. Daher wird den obersten Bundesbehörden und den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein Nutzerkonto für den elektronischen Zugriff auf die Daten ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs anzufordern. Mithilfe dieser Daten können regionalspezifische Auswertungen erstellt werden.

Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit

Bedingt durch die Neufassung des GWB haben sich Folgeänderungen in der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit ergeben. Diese waren insbesondere veranlasst, weil die Ausschlussgründe für Bieter und Angebote nunmehr im GWB geregelt sind. Wesentliche inhaltliche Änderungen sind nicht zu vermelden.

Hinweis der Redaktion: In der nächsten Ausgabe des PUBLICUS folgt zum Thema Vergaberecht 2016 noch ein weiterer Beitrag – und zwar zur neuen VOB/A und B.

 

Michael Stemmer

Direktor a.D. beim Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband, München
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