Was tun, wenn die „Generation Y” kommt?
Eine Herausforderung für die Verwaltung: Wer führt morgen wen?
Was tun, wenn die „Generation Y” kommt?
Eine Herausforderung für die Verwaltung: Wer führt morgen wen?
Heute stellen sechs von 10 BerufsanfängerInnen der „Generation Y” Ansprüche auf eine Führungsposition. 2020 werden über die Hälfte der ArbeitnehmerInnen aus der „Generation Y” stammen (Kienbaumstudie 2015). Wer sind diese „Y” überhaupt? Was treibt sie an, was zeichnet sie aus? Wie gehen Verwaltungen mit dieser Spezies am besten um – vor allem dann, wenn diese in Führungspositionen gelangen?
Worum geht´s?
Ein Drittel der Führungskräfte im öffentlichen Dienst ist heute 55 Jahre und älter. Ab 2020 beginnt die Pensionierungswelle. Darin liegt eine Chance für den gut ausgebildeten Nachwuchs, nicht nur sichere Arbeitsplätze, sondern auch relativ schnell Führungsverantwortung zu bekommen. Das fordert die Verwaltungen heraus, weil das Thema „Jung führt Alt” auf die Tagesordnung kommt und in der Personalentwicklung eine Rolle spielt.
Wer gilt eigentlich als „älter”? Und wer als jung?
Laut OECD gilt man ab der zweiten Hälfte des Berufslebens bzw. ab 50 Jahren als „älter”. Junge Führungskräfte hingegen sind weniger klar zu definieren. In den Verwaltungen sind es diejenigen, die bereits mit Mitte 20 eine Sachgebiets-, Team- oder Referatsleitung innehaben. In kleineren Kommunen sind es häufig auch AmtsleiterInnen, die mit Ende 20 in diese Funktionen kommen und Teams leiten, in denen die MitarbeiterInnen bis zu 10 Jahre älter sind als sie selbst.
Wieso ist das brisant?
Spannend wird es, wenn man den Blick darauf richtet, was Jüngere und Ältere im Berufsleben voneinander denken. Hier betritt man das Reich der Stereotype, die in den Köpfen verankert sind. Gegenseitige Vorbehalte prägen das Bild vom jeweils anderen.
Wer führt heute wen – und wie sieht das in Zukunft aus?
Bis vor kurzem waren Führungspositionen in der Regel mit älteren und berufserfahrenen Personen besetzt. Als normal gilt: Alt führt Jung. Führungskräfte haben einen hierarchischen Vorsprung, mehr Fachkompetenz, ein höheres Lebensalter – und sind in der Regel männlich. Aktuell gibt es nun aber eine kulturelle Überschneidungssituation: Das Senioritätsprinzip wird als Grundlage für Führung in Frage gestellt. Inverse Führungssituationen entstehen und sind für alle Beteiligten, aber auch für die Organisationen gewöhnungsbedürftig. Hier muss von den Verantwortlichen ganz bewusst Akzeptanz geschaffen werden.
Heute ist die sogenannte Generation der Baby Boomer am Arbeitsmarkt bestimmend, also diejenigen, die zwischen 1950 und 1964 geboren wurden. Sie sind etabliert in den Führungspositionen. Ihre Berufsbiografie zeichnet sich aus durch eine Arbeits- und Dienstleistungsorientierung, der Begriff „Workaholic” ist mit ihnen verbunden. Erfolg, Liberalität und Loyalität sind wichtig, die Karrieremuster sind in der Regel linear, jedenfalls bei den Männern. Sie stellen ab 2020 die größte Alterskohorte.
Die Generation der zwischen 1965 und 1980 Geborenen wird gerne als Generation X bezeichnet. Sie sind aktuell auf ihrem Karrierehöhepunkt, gelten als ambitioniert, antiautoritär und individualistisch. Sie sind gut ausgebildet, wohlstandsorientiert und werten eine Work-Life-Balance als wichtige Option. Sie sind die Elterngeneration der „Y”. Zwar haben auch sie noch einen roten Faden im Karriereverlauf, sind aber mit ersten Brüchen konfrontiert. Als Digital Immigrants bleiben sie am Puls der technologischen Entwicklungen, kennen aber noch die Zeit ohne Tablet, Handy und Soziale Medien. Die Patchwork-Familie hat sich hier ausgeprägt.
Diese beiden Generationen treffen nun auf die sogenannte Generation Y der zwischen 1981 und 2000 Geborenen. Sie gelten als anspruchsvoll-fordernd, individualistisch, mit einem Hang zu Spaß, Sinn und Flexicurity. Sie lehnen Hierarchien und Führungsautorität „qua Position” ab. Feedbackkultur, Teamorientierung und Work-Life-Balance werden als Selbstverständlichkeiten angesehen. Sie gelten als Digital Natives, ihre Berufsverläufe sind nichtlinear und von Projektarbeit bestimmt. Statt der Karriereleiter steht das berufliche Klettergerüst als Leitbild zur Verfügung.
Wie schätzen jüngere Führungskräfte diese Konstellationen ein?
Sie halten das Thema „Jung führt Alt” für anstrengend und konfliktreich. Das Spannungsfeld entsteht aus der gegenseitigen Wahrnehmung und Einschätzung. Jungen Führungskräften wird von den Älteren nachgesagt, dass sie ein Praxis- und Erfahrungsdefizit haben. Deshalb treibt sie die Frage um: Wie behaupte ich mich in meiner Führungsrolle gegenüber Älteren? Aufgrund mangelnder Vorbereitung auf diese Rolle kommt es häufig zur Inszenierung der Machtposition, was sich im Auftreten oder in ungebetenen Ratschlägen zeigt. Statussymbole werden zur Betonung der Führungsrolle benutzt: Der junge Abteilungsleiter streitet bereits vor Amtsantritt um das große Eckbüro, gibt Anweisungen nach dem Motto „Ober sticht Unter” statt den Dialog zu suchen und empfindet Nachfragen seiner MitarbeiterInnen als Kritik. Mit einem solchen Verhalten untergraben die Jüngeren ihre eigene Souveränität.
Die Älteren wiederum stellen sich ab einer gewissen Berufserfahrung die Frage: Von wem lasse ich mir noch etwas sagen? Aufgrund ihres expliziten und impliziten Erfahrungs- und Organisationswissens zweifeln sie schneller an der Führungs- und Fachkompetenz Jüngerer. Sie reagieren bei jungen Führungskräften eher mit Geringschätzung oder Konkurrenzverhalten. Gewohnheitsmuster und ein Bewahrenwollen bei den Älteren können auf Unsicherheiten und dem Wunsch nach mehr Flexibilität und Veränderung bei den Jüngeren prallen. Die junge Dezernentin hält es für ausreichend, wesentlich Informationen über Email auszutauschen und das papierlose Büro anzustreben. Ein älterer Mitarbeiter spricht aber lieber face-to-face mit ihr und fühlt sich durch die Fülle der Emails gestört und unzureichend informiert.
Wie können solche Situationen entschärft werden?
Fokussiert man sich jenseits der Stereotypen auf die Frage, wie Ältere und Jüngere heute geführt werden wollen, wie also Führung definiert wird, kommt man zu verblüffenden Ergebnissen: Ältere wollen vor allem eine Individualisierung des Führungsverhaltens ihnen gegenüber, gepaart mit einem kooperativen Führungsstil, der Vorgehen und Ziele erklärt. Zudem legen sie Wert auf Transparenz, Partizipation an Entscheidungsprozessen sowie Wertschätzung ihrer Arbeitsleistung. Berechenbarkeit und eine gewisse Sicherheitsorientierung, außerdem klare Kompetenzen und Verantwortungen kombiniert mit Freiheit bei der Aufgabenbearbeitung und Sinnhaftigkeit sind wichtig. Schließlich fordern sie Regeln für den Umgang miteinander.
Was aber wollen die Jüngeren? Sie fordern ebenfalls genau dieses Führungsverständnis! Der große Unterschied liegt in Nachdrücklichkeit und Radikalität, in der die „Generation Y” dieses einfordert. Sie sind schneller bereit, den Arbeitgeber zu wechseln, wenn ihren Bedürfnissen und Erwartungen nicht nachgekommen wird. Ihre Frustrationstoleranz ist ein ganzes Stück geringer als bei den Vorgängergenerationen. So zeigt sich, dass es beim Thema Führung mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt. Ein konstruktiver Ansatz ist möglich, der Abbau gegenseitiger Altersstereotype notwendig.
Was können Verwaltungen konkret tun?
Generell entwickelt sich das Führungsverständnis im 21. Jahrhundert weg vom dominanz- hin zum sozialorientierten Führungsverhalten. Junge Führungskräfte können hier speziell geschult und unterstützt werden. Sie müssen lernen, mit der Besonderheit „Jung führt Alt” offen umzugehen und es in ihren Teams anzusprechen. Die Bewertung der Jüngeren muss sich ändern, von „alt bedeutet leistungsschwach” hin zu „alt bedeutet erfahren” – und diese Erfahrung gilt es zu nutzen. Wechselseitiger Respekt und Perspektivwechsel sind die Schlüssel. Die Älteren aktiv bei Veränderungs- und Entscheidungsprozessen einzubeziehen, sie um Rat zu fragen und einen individuellen Zugang zur Führungskraft in der Kommunikation, Arbeitsplanung und Arbeitsgestaltung zu gewährleisten, ist zentral. Zudem können Standards für Kommunikationsstrukturen (was digital, was analog?) vereinbart werden. Der Verzicht auf Machtdemonstrationen sollte selbstverständlich sein. Hilfreiche Maßnahmen sind: ein integriertes Führungs- und Teamcoaching, um gegenseitige Erwartungen zu klären und füreinander zu sensibilisieren. Kollegiale Beratung für junge Führungskräfte, um eine Entlastung in der Führungsrolle zu schaffen. Coaching und Mentoring für junge Führungskräfte, um diese kontinuierlich und individuell zu unterstützen. Age-Management als Maßnahme von Diversity-Management, um eine Sensibilisierung durch Workshop-Reihen, Best Practice-Beispiele oder altershomogene Expertengruppen zu erreichen. Schließlich helfen alters- und funktionsgemischte Tandems in den Verwaltungen, Innovation und Erfahrung systematisch zu erschließen und zu verknüpfen.