13.03.2023

Die Bedeutung von Werten für ein nachhaltiges Führen

Die Wichtigkeit eines werteorientierten Führungshandelns für Führungskräfte

Die Bedeutung von Werten für ein nachhaltiges Führen

Die Wichtigkeit eines werteorientierten Führungshandelns für Führungskräfte

Ein Beitrag aus »Deutsches Polizeiblatt« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Deutsches Polizeiblatt« | © emmi - Fotolia / RBV

Aufgrund der dynamischen gesellschaftlichen und technologischen Änderungsprozesse stellt sich die Frage, wie sich ein Wertewandel auf die notwendige vertrauensvolle Zusammenarbeit im Sinne der Kooperativen Führung auswirkt. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, welche Werte im Führungsgeschehen eine zeitlose Bedeutung haben und wie diese aufgrund veränderter Erwartungshaltungen einer zeitgemäßen Auslegung bedürfen. Es ist davon auszugehen, dass nur Führungskräfte mit einem zeitgemäßen Wertegerüst den Herausforderungen des Führungsalltags in der Zukunft gewachsen sein werden.

Die Bedeutung von Werten für ein nachhaltiges Führen

Der Bedeutung von Werten für die menschliche Gemeinschaft und für den Menschen selbst kann man sich aus unterschiedlichen Richtungen annähern, wobei die Antworten höchstwahrscheinlich sehr unterschiedlich ausfallen werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass je nach den individuellen Erfahrungswerten des Menschen die Deutungen aus philosophischer, psychologischer, soziologischer, religiöser oder kultureller Sicht unterschiedlich interpretiert werden.

Aus diesem Grund wird in den nachfolgenden Ausführungen erst gar nicht der Versuch unternommen, ein allgemeines Wertegerüst zu formulieren, das für Führungskräfte bei der Polizei als Orientierungsrahmen dienen könnte. In diesem Zusammenhang ist auch die Problematik zu beachten, dass aufgrund sehr dynamischer gesellschaftlicher Veränderungsprozesse auch Werte und Wertevorstellungen einer ständigen Neubewertung und Neuausrichtung unterliegen.


Es stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, welche Werte in ihrem Kern eine zeitlose Bedeutung haben und welche Wertebereiche eher einer grundlegenden Betrachtung hinsichtlich ihrer Aktualität bzw. Wirksamkeit bedürfen. Diese Überlegungen sind für Führungskräfte für die Gestaltung des Führungsalltages deshalb von so großer Bedeutung, da der Werterahmen der Kooperativen Führung die Grundlage für eine wirksame und erfolgreiche Gestaltung des Führungsalltages darstellt.

Der US-Autor und Hochschuldozent für Betriebswirtschaftslehre, Steven Covey, hat in der Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Führung und Werten folgende Feststellung getroffen: „Führung ist der Prozess, in dem man sich seine Visionen und Werte vor Augen hält und seine Leben danach ausrichtet, dass es mit ihnen übereinstimmt.“ Auf Grundlage dieses Zitates stellen sich nun einige Fragen, die im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollen.

Werte und Normen

Werte sind grundlegende und bedeutsame Überzeugungen, Einstellungen, Ideale und Bedürfnisse, die im Allgemeinen von den Mitgliedern einer Gesellschaft auf unbestimmte Zeit individuell geteilt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle Mitglieder einer menschlichen Gemeinschaft alle für das gemeinsame Zusammenleben bedeutsamen Werte gleich einschätzen oder einordnen. Da Werte nicht verordnet werden können, wird das individuelle Empfinden immer vom eigenen Erleben abhängen, wie die in der jeweiligen menschlichen Gemeinschaft vorherrschenden Wertvorstellungen vorgelebt werden und eine für alle verbindliche Wirkung entfalten. Wenn diese Wirksamkeit gegeben ist, erfüllen diese Werte eine hohe Orientierungsfunktion für das gesellschaftliche Miteinander.

Die Bedeutung von Werten kann sich jedoch aufgrund inner- und außergesellschaftlicher Veränderungen auch wandeln oder fortentwickeln. Als prägnantes Beispiel für einen solchen Wertewandel können die durch die Außerparlamentarische Opposition (APO) zur Zeit der Großen Koalition (1966-1969) ausgelösten gesellschaftlichen Veränderungsprozesse genannt werden. Die durch die Studentenproteste (68-er Bewegung) ausgelöste Auseinandersetzung mit der bis dahin in der bundesdeutschen Gesellschaft existierenden Gesellschafts- und Werteordnung führten in der Folge auch zu einer Neuausrichtung der bisher gültigen Wertevorstellungen in der deutschen Polizei.

Vor diesem Hintergrund war zu beobachten, dass es in der bundesdeutschen Gesellschaft und in der weiteren Entwicklung auch in der Polizei zu einer zunehmenden Abkehr von Pflicht- und Akzeptanzwerten und im Gegenzug zu einer stärkeren Hinwendung zu Selbstverwirklichungswerten kam.

Als Pflicht- und Akzeptanzwerte sind in diesem Zusammenhang folgende zu nennen:

  • Gehorsam
  • Disziplin
  • Pflichterfüllung
  • Fleiß
  • Pünktlichkeit
  • Selbstbeherrschung
  • Bescheidenheit

Wie bereits beschrieben, rückten in der Folge die folgenden Selbstverwirklichungswerte in den Vordergrund:

  • Erhöhung des Anspruches auf Selbstverwirklichungswert
  • Abwendung von der Idee, dass Arbeit als reine Pflichterfüllung zu verstehen ist
  • Grundsätzliche Abwendung von Unterordnung und Verpflichtung
  • Zunehmende Bedeutung von Freizeit und Privatsphäre

Dieser beschriebene Wertewandel bedeutete jedoch nicht, dass alle Pflicht- und Akzeptanzwerte abgeschafft und durch neue Selbstverwirklichungswerte ersetzt wurden. Es wurde ja bereits darauf hingewiesen, dass man Werte nicht verordnen kann, sondern sich aus gesellschaftlichen Veränderungsprozessen entwickeln. Ob es zu einer Werteverschiebung kommt, hängt davon ab, ob Menschen in der jeweiligen Gemeinschaft (z. B. Staat, Kirche, Organisation) der Meinung sind, dass aufgrund einer gesellschaftlichen Entwicklung die Zeit für eine Neuausrichtung des bisher gültigen Wertegerüstes gekommen ist.

In einer solchen Situation wird es stets dazu kommen, dass jeder Mensch aufgrund seiner Sozialisation individuell darüber entscheidet, inwieweit er einem solchen Wertewandel folgt. Im Bereich der Polizei wird bis zum heutigen Tage die Notwendigkeit von Pflicht- und Akzeptanzwerten als Grundlage für eine optimale Aufgabenerfüllung angesehen. Gleichzeitig muss jedoch von Führungskräften beachtet werden, dass im dienstlichen Alltag die Selbstverwirklichungswerte der Mitarbeiter eine hohe Bedeutung für die gemeinsame Zielerreichung haben.

Dieser Herausforderung haben Führungskräfte in der Polizei im Rahmen der Kooperativen Führung grundsätzlich gerecht zu werden. Jedoch werden die Erwartungshaltungen von Mitarbeitern an ihre Führungskräfte angesichts neuer fundamentaler Herausforderungen (Digitalisierung, demographische Entwicklung, Fortbildung, Einforderung einer angemessenen Work-life-balance usw.) zunehmen.

Diese Herausforderungen werden nur dann erfolgreich bewältigt werden können, wenn sowohl Führungskräfte, als auch Mitarbeiter auf einer tragfähigen gemeinsamen Wertebasis zusammenarbeiten. An dieser Stelle sei nochmals der Hinweis erlaubt, dass Werte nicht angeordnet werden können, sondern sich durch vorbildhaftes Verhalten von Führungskräften entwickeln sollen, woran sich Mitarbeiter in ihrer Dienstausführung orientieren können.

Im Gegensatz dazu stehen Normen, die für alle Mitglieder einer Gemeinschaft verbindlich vorgegeben werden (Gesetze, Verordnungen, Dienstvorschriften), um Regeln für das tägliche Miteinander festzulegen. Bei Nichtbeachtung dieser Regeln können Vorgesetzte in der Folge auch negative Sanktionen aussprechen (Kritik, Disziplinarverfahren). Die Existenz von Normen und von für alle verbindlichen Regeln dient in polizeilichen Organisationen ohne Zweifel dem nachvollziehbaren Sinn, eine gesetzeskonforme und aufgabenorientierte Diensterfüllung zu gewährleisten.

Aus diesem Grund müssen Führungskräfte sich jederzeit den Unterschied von Werten und Normen im Umgang mit ihren Mitarbeitern bewusst machen. Die Beachtung dienstlicher Normen darf von Mitarbeitern jederzeit eingefordert werden. Wenn man jedoch als Führungskraft den Führungsalltag mit seinen Mitarbeitern im Sinne der Grundsätze der Kooperativen Führung erfolgreich gestalten will, dann kann dies nur auf Grundlage einer vertrauensvollen und partizipativen gemeinsamen Wertebasis gelingen.

(…)

Zusammenfassung

Das Ziel dieser Ausführungen bestand darin, die Bedeutung von Werten bei der Gestaltung des Führungsalltages aufzuzeigen. In einem ersten Schritt wurde dargestellt, welche grundsätzliche Bedeutung Werte als Orientierungsrahmen in einer menschlichen Gemeinschaft haben. Als grundlegende Erkenntnis hat sich daraus ergeben, dass Werte nicht angeordnet werden können, sondern jeweils hinsichtlich ihrer Bedeutung in der individuellen Sichtweise der Menschen eingeordnet werden. Werden diese Werte von der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder als sinnvoller Orientierungsrahmen anerkannt, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass sich daraus ein akzeptiertes Wertegerüst für ein geordnetes Zusammenleben entwickelt.

In einem weiteren Schritt wurde die Bedeutung von Werten für Führungskräfte im Zusammenhang für die erfolgreiche Gestaltung des Führungsalltages dargelegt. Dabei wurde festgestellt, dass ein gemeinsames Werteverständnis die Grundlage darstellt, um als Führungskraft den Anforderungen der Kooperativen Führung entsprechen zu können. Führungskräfte sollten durch vorbildliches Vorleben der Werte der Kooperativen Führung unter Berücksichtigung der Erwartungshaltung der Mitarbeiter gemeinsam das notwendige Wertegerüst in der jeweiligen Organisation erarbeiten, um ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten im Sinne der Ziele der Kooperativen Führung zu gewährleisten.

In einer weiteren Betrachtung wurden die Zusammenhänge von Werten und Führung sowohl im Bereich der personal-interaktiven Führung, als auch der systemisch-strukturellen Führung aufgezeigt. Dabei wurde deutlich, dass ohne eine tragfähige Wertebasis die erfolgreiche Gestaltung des Führungsalltages kaum gelingen kann.

Aus diesem Grund sollten sich Führungskräfte immer das Zitat von Steven Covey in Erinnerung behalten, wonach Führung den Prozess darstellt, in dem man sich seine Werte vor Augen hält und sein Leben danach ausrichten sollte, dass es mit ihnen übereinstimmt.

Führungskräfte, die über einen ausgeprägten Wertekompass in ihrer Persönlichkeit verfügen, werden immer in der Lage sein, das dienstliche Zusammenwirken mit ihren Mitarbeitern auf einer vertrauensvollen Wertebasis zu gestalten und damit die Ziele der Kooperativen Führung zu erreichen.

 

Den vollständigen Bericht lesen Sie im Deutschen Polizeiblatt 5/2022, S. 15.

 

Jürgen Rauch

Polizeidirektor, Hochschule des Bundes - Fachbereich Bundespolizei, Lübeck
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