07.04.2023

Raab: „Formen der Gewalt werden inzwischen öffentlicher eingesetzt“

PUBLICUS-Serie zu Hassrede und Online-Hetze – Folge 1

Raab: „Formen der Gewalt werden inzwischen öffentlicher eingesetzt“

PUBLICUS-Serie zu Hassrede und Online-Hetze – Folge 1

Ein Beitrag aus »Publicus« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus« | © emmi - Fotolia / RBV

Amtsträger nutzen bereits ein breites Spektrum an Onlineplattformen, um mit Bürgern in Kontakt zu treten. Dadurch können Vorteile, wie eine größere Reichweite, erreicht werden, jedoch muss dafür teilweise ein hoher Preis gezahlt werden. Online-Hetze oder „Hatespeech“ ist zu einem Problem geworden. Um festzustellen, wie Kommunalpolitiker damit umgehen, hat PUBLICUS eine Serie von Interviews geführt.

Im Auftakt unserer Serie berichtet Andreas Raab, der insgesamt 26 Jahre als hauptamtlicher Bürgermeister tätig war, über seine Erfahrungen.

Vorweg einige Anmerkungen des Autors:


PUBLICUS: Hate-Speech und Online-Hetze sind mittlerweile ein beliebtes Mittel, um Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker einzuschüchtern. Erleben Sie diese Form von Gewalt persönlich?

Raab: Diese Formen der Meinungsäußerung hat es schon immer gegeben, man hatte nur andere Bezeichnungen dafür. Ich habe diesen Formen der Gewalt bereits von Anfang der 80-er Jahre an bis zum Ende meiner öffentlichen Ämter durchaus miterleben müssen, wenn auch noch nicht soviel „online“ wie heute.

PUBLICUS: In welchem Umfang hat sich die Ausübung von Gewalt gegenüber Amtsträgern, ob physischer oder verbaler Natur, aus Ihrer Sicht in letzter Zeit verändert?

Raab: Diese Formen der Gewalt werden inzwischen öffentlicher eingesetzt. Früher hat man das eher „untergrundmäßig“ betrieben, was für die Betroffenen aber oftmals vielleicht noch belastender war. Man wusste ja nicht „von wem?“

PUBLICUS: Sind Ihre direkten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von dieser Art der Gewaltandrohung oder -ausübung betroffen?

Raab: Gegenüber leitenden Mitarbeitern war dies sicherlich öfter der Fall, bei nachrangigen Mitarbeitern war dies die absolute Ausnahme. Ich war dafür bekannt, dass ich mich vor meine Mitarbeiter stelle, das hat in der Regel schon gewirkt.

PUBLICUS: Die Berichte über Übergriffe auf Amtsträger reichen zuweilen auch in den privaten Bereich. Haben Sie eine solche Art der Gewalt bereits selbst erlebt oder sind damit in Berührung gekommen?

Raab: Ich hatte durchaus auch mit persönlichen Übergriffen zu tun, in einem Fall habe ich in Bezug auf einen renitenten und gewalttätigen selbsternannten „Bürgerrechtler“ sogar Schutz von außerhalb in Anspruch nehmen müssen.

PUBLICUS: Welche Konzepte haben Sie entwickelt, um sich selbst, aber auch Ihre Mitarbeitenden vor möglichen Gefährdungen zu schützen? Mit welchen Maßnahmen stärken Sie die Resilienz und welche Präventionsmaßnahen haben Sie ergriffen?

Raab: Mein Bestreben war es in all den Jahren mit einem Höchstmaß an Offenheit ein Verständnis in der Sache herzustellen. Das wurde allerdings, auch bedingt durch die allgemeinen Entwicklungen, immer schwieriger.

PUBLICUS: Welche juristischen Schritte haben Sie darüber hinaus gegen Hate-Speech und Online-Hetze ergriffen – und mit welchem Ergebnis?

Raab: Juristische Schritte wären meines Erachtens gegenüber meinem Bestreben auf ein Höchstmaß an Offenheit und Verständnis in der Sache kontraproduktiv gewesen.

PUBLICUS: Wie werden die Aggressionen gegen Amtsträger – in allen ihren Ausformungen – in den Griff zu bekommen sein?

Raab: Mit Begegnungen und Verständnis, so schwer es auch den Betroffenen fallen mag.

PUBLICUS: Haben Sie in Ihrer Gemeinde bereits Erfahrungen mit sogenannten Intensivpetenten gemacht – also mit Personen, die durch unzählige Eingaben per Brief, E-Mail oder Telefonat einen hohen Arbeitsaufwand für die Verwaltung erzeugen? Falls ja, wie gehen Sie mit diesem Phänomen um?

Raab: Das habe ich bis zur Schmerzgrenze und auch darüber hinaus erlebt, in jeder Form. Ich habe es aber auch überlebt, und zwar im Wissen dessen, dass unserem Herrgott bei der Erschaffung des Menschen und damit auch des Gemeindebürgers kein fehlerfreies Werk gelungen ist. Und damit darf sich auch ein Schultes mal einen kleinen Fehler leisten, ohne dass er gleich in Demut versinken muss.

PUBLICUS: Welche Form der Unterstützung würden Sie sich wünschen, um die mit Ihrem Amt verbundenen Herausforderungen noch besser bewältigen zu können?

Raab: Noch ein wenig mehr Vertrauen der vernünftigen Bürger und etwas mehr Unterstützung von diesen, wenn es wirklich nötig ist.

Zur Person:

Oberbürgermeister a. D., Dinkelsbühl | © privat

Seit 14 Jahren arbeitet Andreas Raab beim Richard-Boorberg Verlag als Autor mit. Insbesondere gilt seine Aufmerksamkeit der „Fundstelle Baden-Württemberg“, deren meiste Beiträge aus seiner Feder stammen. Dasselbe gilt für die Ausgaben Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der „Kommunalverwaltung“. Auch der Publicus veröffentlicht Beiträge von ihm. Das Rüstzeug dafür hat er u.a. in insgesamt über 26 Jahren als hauptamtlicher Bürgermeister der 11.000 Einwohner-Stadt Laichingen und später als Oberbürgermeister der 33.000 Einwohner zählenden Großen Kreisstadt Crailsheim erworben. Vom Jahr 1980 bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2009 hat er dabei durchaus miterlebt, wie sich der Umgang miteinander verändert hat. Seit seinem Ausscheiden steht er zudem mit verschiedenen Ämtern weiter in der Öffentlichkeit und erlebt die Dinge mit.

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Die Serie: Bürgermeisteramt in Krisenzeiten:

 

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