14.04.2023

Pschorr: „Verbale Gewalt hat bereits in der Vergangenheit stattgefunden.“

PUBLICUS-Serie zu Hassrede und Online-Hetze – Folge 2

Pschorr: „Verbale Gewalt hat bereits in der Vergangenheit stattgefunden.“

PUBLICUS-Serie zu Hassrede und Online-Hetze – Folge 2

Ein Beitrag aus »Publicus« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus« | © emmi - Fotolia / RBV

Amtsträger nutzen bereits ein breites Spektrum an Onlineplattformen, um mit Bürgern in Kontakt zu treten. Dadurch können Vorteile, wie eine größere Reichweite, erreicht werden, jedoch muss dafür teilweise ein hoher Preis gezahlt werden. Online-Hetze oder „Hatespeech“ ist zu einem Problem geworden. Um festzustellen, wie Kommunalpolitiker damit umgehen, hat PUBLICUS eine Serie von Interviews geführt.

In der zweiten Folge berichtet Simon Pschorr über seine Erfahrungen.

PUBLICUS: Hate-Speech und Online-Hetze sind mittlerweile ein beliebtes Mittel, um Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker einzuschüchtern. Erleben Sie diese Form von Gewalt persönlich?


Pschorr: Nein, allerdings habe ich mich bewusst von Plattformen zurückgezogen, auf denen solche Formen des Umgangs üblich sind. Deshalb nutze ich kein Facebook.

PUBLICUS: In welchem Umfang hat sich die Ausübung von Gewalt gegenüber Amtsträgern, ob physischer oder verbaler Natur, aus Ihrer Sicht in letzter Zeit verändert?

Pschorr: Durch das Internet besteht die Möglichkeit, anonym verbale Schmähungen und Drohungen zu verbreiten. Diese wirkungsvolle, breitenwirksame Tatbegehungsweise ist neu. Allerdings besteht zugleich die Möglichkeit, die Akteur*innen zu sperren und sich so von verbaler Gewalt zu distanzieren. Änderungen physischer Gewalt habe ich nicht erfahren und lassen sich auch statistisch nicht belegen.

PUBLICUS: Sind Ihre direkten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von dieser Art der Gewaltandrohung oder -ausübung betroffen?

Pschorr: Nein.

PUBLICUS: Die Berichte über Übergriffe auf Amtsträger reichen zuweilen auch in den privaten Bereich. Haben Sie eine solche Art der Gewalt bereits selbst erlebt oder sind damit in Berührung gekommen?

Pschorr: Nein.

PUBLICUS: Welche Konzepte haben Sie entwickelt, um sich selbst, aber auch Ihre Mitarbeitenden vor möglichen Gefährdungen zu schützen? Mit welchen Maßnahmen stärken Sie die Resilienz und welche Präventionsmaßnahmen haben Sie ergriffen?

Pschorr: S.o. Rückzug von Facebook. Darüber hinaus begleitet mich immer zumindest ein*e Kolleg*in zu öffentlichkeitswirksamen Terminen im Wahlkampf bzw. bei konfliktträchtigen Veranstaltungen.

PUBLICUS: Welche juristischen Schritte haben Sie darüber hinaus gegen Hate-Speech und Online-Hetze ergriffen – und mit welchem Ergebnis?

Pschorr: Keine. In den seltensten Fällen haben diese Aussicht auf Erfolg, da die Täterschaft nur schwer ermittelbar ist.

PUBLICUS: Wie werden die Aggressionen gegen Amtsträger – in allen ihren Ausformungen – in den Griff zu bekommen sein?

Pschorr: Meines Erachtens wird dies schwierig werden – ist aber auch nicht zwingend erforderlich. Verbale Gewalt hat bereits in der Vergangenheit (im Hinterzimmer) stattgefunden. Durch Blockfunktionen etc. kann man damit auch online klarkommen. Effektivster Durchsetzungsweg wäre, den Plattformbetrieb von Onlineplattformen stärker zu regulieren und Abschaltdrohungen im Falle der Nichtumsetzung wahr zu machen.

PUBLICUS: Haben Sie in Ihrer Gemeinde bereits Erfahrungen mit sogenannten Intensivpetenten gemacht – also mit Personen, die durch unzählige Eingaben per Brief, E-Mail oder Telefonat einen hohen Arbeitsaufwand für die Verwaltung erzeugen? Falls ja, wie gehen Sie mit diesem Phänomen um?

Pschorr: Ja. Sofern ein nachvollziehbares Anliegen zugrunde liegt, ist eine frühzeitige persönliche Kontaktaufnahme sehr gut geeignet. Sofern das Anliegen nicht nachvollzieh- bzw. rationalisierbar ist, hilft nur konsequentes Blocken.

PUBLICUS: Welche Form der Unterstützung würden Sie sich wünschen, um die mit Ihrem Amt verbundenen Herausforderungen noch besser bewältigen zu können?

Pschorr: Amtsangemessene Besoldung. Als Gemeinde- und Kreisrat wird nur eine geringe Aufwandsentschädigung gezahlt, die fernab der aufgewendeten Arbeitszeit liegt. Eine entsprechende Besoldung würde mir ermöglichen, Unterstützung für den Haushalt und unsere politische Tätigkeit zu finanzieren.

 

Zur Person:

Simon Pschorr ist Staatsanwalt und abgeordneter Praktiker an der Universität Konstanz. Dort lehrt er Strafrecht und Strafprozessrecht. Darüber hinaus ist er Stadtrat der Stadt und Kreisrat des Landkreises Konstanz. Er publiziert in den Bereichen Straf(prozess)recht und Sicherheitsrecht, Kommunalrecht und Arbeitsrecht des akademischen Mittelbaus. Dieses kommentiert er in Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern. Zusammen mit Prof. Dr. Dr. Christoph Nix gibt er einen Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz heraus.

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Die Serie: Bürgermeisteramt in Krisenzeiten:

 

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