04.10.2021

Arbeitszeitgestaltung in kommunalen Ordnungsdiensten (3)

Qualitätskriterium salutogener Arbeitsbedingungen – Teil 3

Arbeitszeitgestaltung in kommunalen Ordnungsdiensten (3)

Qualitätskriterium salutogener Arbeitsbedingungen – Teil 3

Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Kommunale Ordnungsdienste sind im Hinblick auf die Erfüllung der ordnungsbehördlichen Sicherheitsaufgaben in den Fokus der NRW-Kommunen geraten. Die meisten Kommunen verfügen inzwischen über einen Ordnungsdienst, wobei die Möglichkeiten zur Einrichtung und die konkrete Ausgestaltung neben der Finanzierung auch von der Größe der Städte und Gemeinden abhängen. Das hohe Interesse spiegelt sich bspw. in der Teilnahme der Kommunen an Veranstaltungen zu dem Thema wider (siehe z. B. Opielka & Breuer, 2019). Die Notwendigkeit für die Etablierung kommunaler Ordnungsdienste ergibt sich aus einer Vielzahl von Aspekten. Der dritte und letzte Teil der Reihe befasst sich mit Vergleichen aus ähnlichen Berufen und gibt eine Zusammenfassung.

3.Vergleiche aus ähnlichen Berufen

Im Vergleich zu anderen Aufgaben der Kommunen sind die Ordnungsdienste in ihrer heutigen Form vergleichsweise jung. Dementsprechend ist auch kein Rückgriff auf valide Befunde hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung möglich. Ein Blick in die internationale Literatur bringt die Schwierigkeit mit sich, dass die Schnittstellen der Aufgaben von Polizeien und Ordnungsbehörden von denen in Deutschland bzw. in NRW abweichen. „Law enforcement“, übersetzt mit „Strafverfolgung“, bezieht sich auf eine Aufgabe, die weder ausschließlich Polizei- noch Ordnungsbehörden obliegt. In Ermangelung orientierender Literatur scheint der Blick in Berufe mit ähnlichen Aufgaben geboten. Allen voran ist hier der Polizeiberuf zu nennen. Beide Berufe teilen sich Merkmale wie eine starke Außendienstlastigkeit, ein hohes Konfliktpotential im Einschreiten, ein Auftreten in Uniform, Schichtarbeit, und auch die Einsatzanlässe sind in Teilen ähnlich.


Was den Polizeiberuf angeht, standen lange Zeit insbesondere die Belastungen durch sog. „operative“ Tätigkeiten in Einsätzen mit hoher Eigengefährdung oder psychosozialer Belastung im Vordergrund. Hierzu sind Ereignisse zu zählen wie die Tötung eines Menschen oder das Erleben eines körperlichen Angriffs. In der Folge wurden Stressorenreihenfolgen (vgl. z. B. Violanti & Aron, 1994) erstellt. In den Jahrzehnten danach sind sog. „administrative“ Merkmale wie Personalknappheit, unzureichende Arbeitsmittel oder das Gefühl des fehlenden Rückhalts von Vorgesetzten in den Fokus gerückt (vgl. z. B. Fährmann, Remke & Reschke, 2006). Klar ist inzwischen, dass sich Stressoren beider Gruppen, sowohl administrative Bedingungen, die im Berufsalltag ständig präsent sind, als auch operative, die selten auftreten, dafür aber starke Effekte haben, auf die Gesundheit von Polizeivollzugsbeamten auswirken. Garbarino et al. (2011) kommen zu dem Schluss, dass sich Stressoren beider Gruppen sogar gegenseitig beeinflussen. Weiterhin ist in Bezug auf den Polizeiberuf bekannt, dass nicht nur das Schichtdienstmodell, die Tatsache, ob am Tag oder in der Nacht gearbeitet wird, Einfluss auf physische und psychische Gesundheitsmerkmale hat, sondern dass im Wesentlichen die ausgeführten Tätigkeiten Einfluss ausüben. Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Aachen im Schichtdienst berichten im Vergleich zu ihren Kolleg(inn)en aus dem Tagesdienst über geringere Arbeitszeitautonomie und geringere Möglichkeiten, Arbeitsprozesse gestalten zu können. Andererseits berichten sie jedoch auch über Bedingungen, die in positivem Zusammenhang mit Gesundheit stehen. Dies sind eine geringere zeitliche Überforderung und eine bessere Möglichkeit, Arbeitstätigkeiten in einer Schicht abschließen zu können. Letzteres wirkt sich positiv auf eine für die Erholung wichtige starre Grenze zwischen Arbeitszeit und arbeitsfreier Zeit aus (vgl. Opielka, 2019). Unklar ist jedoch, ob und inwieweit die Erkenntnisse aus dem Polizeidienst tatsächlich bei der Gestaltung von Arbeitszeitmodellen kommunaler Ordnungsdienste berücksichtigt werden sollten. Ein Vergleich der Aufgaben und eine Bejahung der Ähnlichkeit reichen hier keinesfalls aus. Die Erkenntnisse sind nicht ohne Weiteres übertragbar und sollten überprüft werden.

IV. Zusammenfassung und Fazit

Die organisatorischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit der kommunalen Ordnungsdienste sind sehr dynamisch und entwickeln sich stetig weiter. Die Schlüsselrolle als wichtiger Akteur in der Sicherheitsstruktur der Städte und Gemeinden wird spätestens seit Beginn der Corona-Krise nicht nur von Politik und Verwaltung erkannt, sondern ist auch in der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung angekommen. Sowohl die Ansprüche verschiedener Beteiligter hinsichtlich der Aufgabenerledigung, als auch die Tätigkeiten selbst wirken sich dabei auf die Erreichbarkeiten, die Spanne der Dienstzeiten und die konkrete Arbeitszeitgestaltung aus. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitgeberattraktivität und Personalgewinnung gegenseitig beeinflussen und ihrerseits Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeitenden haben. Der diesbezügliche Handlungsbedarf wird von den NRW-Kommunen zweifelsohne erkannt. Dies ist dem Apell der Verantwortlichen nach einheitlichen Standards in Ausbildung und Ausstattung zu entnehmen, der u. a. i. R. d. Praxisdialogs im November 2019 deutlich formuliert wurde.

Auch im Hinblick auf die organisatorische Gestaltung der Arbeitszeiten besteht ein weites Spektrum an Möglichkeiten, welches geringen wissenschaftlichen Befunden zu gesundheitlichen Auswirkungen der Schicht- und Nachtarbeit in diesem Beruf gegenübersteht. Wie wichtig die Unterstützung der Kommunen im Ausbau ihrer Vollzugsdienste ist, wurde zwischenzeitlich auch im NRWLandtag deutlich. Dort wurde zuletzt durch den Antrag „Auch die kommunale Sicherheitsverantwortung macht unser Land sicherer!” die Stärkung kommunaler Ordnungsdienste in NRW beschlossen. Es ist nicht auszuschließen, dass die präsente Arbeit der kommunalen Ordnungsdienste während der Corona-Krise ursächlich für diese Initiative war. Beim Blick auf salutogene Arbeitsbedingungen wird deutlich, dass die materielle oder personelle Ausstattung der Dienste ebenso Einflüsse auf das Befinden der Mitarbeitenden haben kann wie die konkreten Arbeitszeitmodelle. Die Gestaltung von ergonomischen Schichtplänen für kommunale Ordnungsdienste dient daher als entscheidendes Qualitätskriterium dem Gesundheitsschutz der Einsatzkräfte und sollte in den Fokus der Arbeitgeber rücken. Für die Arbeitszeitgestaltung kommunaler Ordnungsdienste in NRW sind verlässliche Richtlinien zur Orientierung wünschenswert, ohne dabei die kommunale Selbstverwaltung und örtlichen Gegebenheiten einzuschränken. Derartige Standards sollten den jeweiligen Istzustand in den Kommunen abholen und gleichzeitig rechtliche, arbeitsmedizinische und sozialwissenschaftliche Aspekte sowie die breit gefächerten Erwartungen bestmöglich vereinen. Mit Blick auf die qualitativ und quantitativ steigenden Aufgaben zeigt sich für die Zukunft eine fortlaufende Entwicklung des Auf- und Ausbaus der kommunalen Ordnungsdienste in NRW. Dabei ist nicht auszuschließen, dass diese Tendenz sich auch weiter auf die Arbeitszeiten auswirken wird, was bspw. langfristig in einer Umstellung auf einen 3-Schicht-Betrieb im 24-Stunden-Dienst analog der Polizeibehörden in NRW münden könnte. Im Ergebnis ist die arbeitswissenschaftliche Forschung mit dem Ziel valider Befunde zwingend erforderlich, um den Entwicklungen der Arbeitszeitgestaltung kommunaler Ordnungsdienste im Kontext des Gesundheitsschutzes kommunaler – auch perspektivisch – gerecht zu werden.

V. Ausblick

Aufbauend auf diesen Artikel wird in einigen nachfolgenden Ausgaben der a p f eine Beitragsreihe zum Thema „Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert“ erscheinen. Folgende Aspekte werden dazu aufgezeigt:

  1. Originäre und subsidiäre Zuständigkeit in Pandemielagen
  2. Herausforderungen für kommunale Ordnungsdienste bei der Durchsetzung von Corona-Schutzverordnungen
  3. Aufgabenverschiebung bei den Polizeibehörden durch ein verändertes Kriminalitätsbild
  4. Möglichkeiten und Grenzen von Homeoffice in Sicherheitsberufen
  5. Effekte von Krisen auf das Attraktivitätsempfinden eines Sicherheitsberufs
  6. Megatrend Digitalisierung und Auswirkungen auf die Arbeit von Gefahrenabwehrbehörden

 

Erschienen in apf Heft 11/12 2020

 

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Die Serie: Arbeitszeitgestaltung in kommunalen Ordnungsdiensten

 

 

 

Susanne Aumann

Fachpraktikerin in der Kommunalverwaltung, Lehrbeauftragte am Studieninstitut für kommunale Verwaltung Aachen
 

Dr. Sascha Opielka

Leiter der Fortbildungsstelle im Polizeipräsidium Aachen
n/a