22.10.2021

Kommunale Homepage: Über das CMS hinausdenken

Überlegungen zu Grundlagen von Internetauftritten - Teil 2

Kommunale Homepage: Über das CMS hinausdenken

Überlegungen zu Grundlagen von Internetauftritten - Teil 2

Eine Kommune stößt oft an Grenzen ihres Internetauftritts, wenn sie ihre Bürger*innen auf bestimmte Seiten lenken will.  | © STOATPHOTO - stock.adobe.com
Eine Kommune stößt oft an Grenzen ihres Internetauftritts, wenn sie ihre Bürger*innen auf bestimmte Seiten lenken will.  | © STOATPHOTO - stock.adobe.com

Fortsetzung von Teil 1

Homepages gehören zum Standard kommunaler Verwaltungen. Wahrscheinlich hat mittlerweile jede Kommune ein Content Management System (CMS), mit dem sie die Inhalte ihrer kommunalen Homepage verwaltet. Genau dafür ist ein CMS da. Im zweiten Teil des Beitrags wird die Problematik der Ablagestruktur von Informationen und der Zielgruppe erörtert. Des Weiteren werden juristische Fragestellungen beantwortet.

Erschließung der Homepage über die Startseite

Wer solche Zuführungsdomains nutzt, schafft Anschluss an die analoge Welt. Und gleichzeitig entlastet er die Anforderungen an die Startseite des kommunalen Internetauftritts deutlich. Diese Startseite erreicht, wer den puren Domainnamen www.beispielstadt.de in den Browser eingibt. Das ist das oberirdisch sichtbare Blattwerk, von dem aus sich die Wurzeln verzweigen. Und es ist eine einzige Internetseite, die oft extrem viel leisten soll. Manche Bürgermeister*innen fordern, dass die Startseite vor allem eine emotionale Identifikation mit ihrer Kommune herstellen soll. Dafür nutzen sie vielleicht ein vollformatiges Foto, ein „heroepicture“. Oder es gibt einen persönlichen Begrüßungstext. Andere sehen in der Startseite eher den nüchternen Zugang zu einem hierarchisch aufgebauten und sichtbar gemachten Informationsangebot und den Zugang zu Online-Verfahren. Sie versuchen, Zugang zum Wurzelwerk zu schaffen. Die Dritten bevorzugen ihre Startseite als Träger von aktuellen Informationen und Pressemitteilungen. Das ist ein bisschen wie der Gemeindebote im Internet. Nicht wenige wollen alles gleichzeitig. Angesichts vieler Wünsche sind die Startseiten von Internetauftritten oft überstrapaziert. Glücklicherweise ist das nicht ganz so schlimm, weil viele Bürger*innen ohnehin nicht über die Startseite zu gesuchten Inhalten finden, sondern eben über Suchmaschinen. Auf der Basis ausgewerteter Zugriffe auf kommunale Homepages ist davon auszugehen, dass mehr als 80 Prozent der Nutzungsvorgänge über Suchmaschinen erfolgen. Deren Problematik habe ich oben dargestellt. Trotzdem nimmt eine deutliche Mehrheit die strukturellen Nachteile des Suchens in Kauf. Um wieviel aufwändiger, unkomfortabler oder unattraktiver muss da die jeweilige Startseite auf sie wirken? Die Probleme hat schon, wer seinen Internet-Auftritt aufbaut. Was will er auf der Startseite unterbringen? Und was seine Chefin und andere Interessengruppen? Die Unattraktivität vieler Startseiten hängt vermutlich mit deren Übernutzung zusammen. Man will zu viel mit dieser einen Seite erledigen. Das hängt mit zwei grundsätzlich verschiedenen Perspektiven auf die Anforderungen an eine Startseite zusammen.


Die eine Perspektive ist die der Konzeption, des Aufbaus und der Bearbeitung des Internetauftritts. Das ist die Sicht der Macherinnen und Macher, die ihre Informationen in eine Systematik einordnen und verwalten müssen. Letztlich geht es aus dieser Perspektive um die Ablagestruktur von Informationen. Die Ablagestruktur ist die inhaltliche Gliederungsstruktur des CMS, in die die html-Seiten eingeordnet sind. Das ist das Wurzelwerk des Baumes. Die Zielgruppe dieser Ablagestruktur sind Redakteur*innen des kommunalen Internetteams. Sie finden darüber Zugang zu den Seiten, die sie verwalten oder bearbeiten möchten, auf denen sie Informationen eintragen wollen. Oft spiegeln die URL-Adressen die Komplexität dieser Ablagestruktur wieder. Je fein verästelter ein Internetauftritt ist, desto komplizierter wird die URL-Adresse.

Das führt zur Frage, inwiefern diese Ablagestruktur für Nutzer*innen wichtig ist. Zwar versuchen CMS-Ingenieure beim Aufbau eines kommunalen Internetauftritts immer auch mögliche Zugangswege für Externe in den Blick zu nehmen, das verlangt jedoch oft zahlreiche Kompromisse. Meine Empfehlung ist, den Zweck der Ablagestruktur klar zu priorisieren: Diese dient vorwiegend internen Arbeitserfordernissen. Die Ablagestruktur hat einen großen Vorteil: Sie ist relativ stabil und bleibt in der Regel solange bestehen, wie die Kommune ihr erworbenes CMS einsetzt. Der Zweck sollte jedoch die Seitenverwaltung sein, nicht der Zugang zu den Seiteninhalten für Nutzer*innen. Wer dies zugesteht, wird von der Ablagestruktur und ihrem Abbild in der URL-Adresse keine Wunder erwarten. Das ist nicht die perfekte Zugangsstruktur für externe Nutzer*innen! Umgekehrt schadet es nichts, diese Ablagestruktur für Nutzer*innen sichtbar zu halten. Einige mögen Verständnis für die Ablagestruktur finden und sich daran auf ihrem Weg in die Tiefen des Internetauftritts orientieren wollen.

Die andere Perspektive ist die der Bürger*innen, die über die Startseite zu Informationen gelangen möchten, das ist die Zugangsstruktur. Viele Macher*innen haben auch diese Perspektive mit im Blick und versuchen, ihre Ablagestruktur für Nutzer*innen zu gliedern. Das ist gut gemeint. Lohnt sich jedoch die Investition in dieses Anliegen? Meiner Überzeugung nach sollte man die Zugangsstruktur gedanklich von der Ablagestruktur lösen. Das ist problemlos möglich, weil sich die Navigation innerhalb der Domain für Nutzer*innen anders lösen lässt. Ich würde bevorzugen, den Nutzer*innen thematische Linklisten auf Bündelungsseiten anzubieten. Auf diesen sind Links zusammengestellt, die Nutzer*innen interessieren könnten.  Ganz oben, auf der Startseite, erhalten Bürger*innen den Zugang zu den Linklisten über Begriffe wie „Lebenslagen“ oder „Verwaltungsaufgaben“ oder „Dienstleistungen“ oder „Organisation“. Die Links auf der Startseite führen dann innerhalb der Domain www.beispielstadt.de unmittelbar zu den thematischen Bündelungsseiten. Eine solche Bündelungsseite könnte zu einer einzelnen Lebenslage wie „Familie“ bestehen. Die Links auf dieser Bündelungsseite verlinken dann die thematischen html-Seiten unterer Ebene, beispielsweise zu „Erziehungsgeld“ oder „Kindergartenanmeldung“. Solche Bündelungsseiten mit themenbezogenen Linklisten sind ohnehin Standard von Homepages. Ich plädiere dafür, diesen die Aufgabe Zugangsstruktur zuzuordnen und die Ablagestruktur von dieser Funktion zu entlasten.

Verwaltung der html-Seiten

Bei der Ablagestruktur eines Internetauftritts ging es bereits um die Perspektive der kommunalen Internetredakteur*innen. Diese verwalten die kommunalen Internetseiten. Sie nehmen Inhalte seitens der Kommune entgegen, recherchieren und bearbeiten diese und laden sie ins Internet hoch. Bürger*innen können sich die hochgeladenen Informationen dann in ihrem Browser anzeigen lassen. Der Vorgang zeigt deutlich, dass die Inhalte eines kommunalen Internetauftritts Veröffentlichungen sind, ähnlich wie wenn die Kommune etwas in ihren Gemeindeboten schreibt, eine Pressemitteilung veröffentlicht, eine Broschüre herausgibt oder eine Informationsveranstaltung durchführt. Die veröffentlichten Informationen sind in der Regel in Schriftform, manchmal auch Ton- oder Videodateien, vielleicht auch GPS-Daten. Generell handelt es sich um öffentliche schriftliche Äußerungen der Kommune. Für diese gilt, was auf jede behördliche Äußerung zutrifft: Was die Kommune ins Internet gestellt hat, kann das Verhalten oder Entscheidungen von Bürger*innen beeinflussen. Bürger*innen haben ein Recht darauf, öffentlichen Äußerungen der Kommune vertrauen zu können. Da ist Streit darüber möglich, wer was wann geäußert und wie gemeint hat. Das kann bis hin zu Verwaltungsgerichtsverfahren gehen. Deshalb müssen Kommunen Rechenschaft darüber ablegen können, was sie im Internet wann und wie veröffentlicht haben. Und welcher Amtsträger das veranlasst hat.

Wegen dieser rechtlichen Qualität müssen Kommunen alle ihre öffentlichen Äußerungen dokumentieren. Das Bundesverfassungsgericht hat definiert, wie eine Kommune dieser Anforderung genügen kann: Eine Verwaltung muss zu jedem Vorgang eine Akte führen, die den Geschehensverlauf vollständig und geordnet abbildet. Aus dieser Akte muss insbesondere hervorgehen, wer auf der Basis welcher Erkenntnisse welche Verantwortung für eine Aussage/Information trägt, wer an der Veröffentlichung beteiligt war, wie und wann und in welcher Form die Information veröffentlicht wurde. Die Gerichte sind sich darüber einig, dass eine Sammlung von E-Mails eine Aktenführung nicht ersetzt. Da ein CMS in der Regel kein aktenführendes System ist, reicht auch dessen Historisierungsfunktion nicht aus. Ein CMS ist weder revisionssicher, noch bildet es den Geschehensverlauf im Sinne der obersten Rechtsprechung ab. Erschwerend kommt hinzu, dass digitale Anwendungen wie ein CMS nur relativ kurzlebig sind. Der Landkreis Tübingen hat das CMS für seinen Internetauftritt in den letzten zwei Jahrzehnten dreimal geändert. Wie könnte man die Historisierungen aus drei CM-Systemen lange genug abrufbar halten und sichern? Die Nachweispflichten für Veröffentlichungen einer Kommune hängen vom Thema der Veröffentlichung ab. Das können 10 Jahre oder 30 Jahre sein. Legt man die Aufbewahrungspflichten für die Veröffentlichungsform zugrunde, gelten weitergehende Anforderungen. Ihre Gemeindeboten muss eine Kommune beispielsweise dauerhaft aufbewahren. Es liegt daher nahe, dass eine Kommune bei der Dokumentation ihres Internetauftritts über das jeweilige CMS hinausdenken muss.

Hierbei heißt die Ausgangsfrage: Was muss man eigentlich dokumentieren? Die Dokumentationspflicht bezieht sich in erster Linie auf die im Internet veröffentlichten html-Seiten, die sich die Bürger*innen in ihrem Browser anzeigen lassen. Es geht um diese Veröffentlichung und um ihr Zustandekommen. Das ist nicht die Perspektive des CMS. Im Grunde genommen muss eine Kommune jede von ihr veröffentlichte html-Seite dauerhaft nachweisen, unabhängig von dem CMS, in dem sie erstellt, hochgeladen und verwaltet wurde. Dazu kommt der Schriftverkehr über die Gestaltung und Redaktion der Inhalte sowie deren Veranlassung und Freigabe. Das bewährte Instrument für die geforderte Dokumentation sind Akten. Je nach Umfang der Dokumentation kann die Ablage der Dokumente in einer Sammelakte „Internetseiten pro Jahr“ oder „Internetseiten pro Monat“ erfolgen, oder sogar zu einzelnen Internetseiten.

Wichtig ist, die Internetseiten eindeutig bezeichnen zu können. Dafür hat die Kommunalverwaltung ein bewährtes Instrument, die Inventarisierung. So, wie eine Verwaltung jeden Bürostuhl und jedes Möbel inventarisiert, so sollte sie auch jede von ihr veröffentlichte Internetseite inventarisieren. Für die Büromöbel gibt es eine Liste, das Inventarverzeichnis. In dem Inventarverzeichnis hat jedes Möbel eine eindeutige, fortlaufende Nummer. Diese Nummer findet sich dann auch auf einem Inventaraufkleber auf dem Möbel selbst. In der Liste steht bei der Nummer beispielsweise das Ankaufsdatum und der Preis, vielleicht auch der Standort. Das Inventarverzeichnis für die Internetseiten sollte die einzelnen Seiten ebenfalls durch eine fortlaufende Nummer identifizieren. Diese Seiteninventarnummer aus dem Seiteninventarverzeichnis muss sich entsprechend auf der veröffentlichten Internetseite finden. Dies kann dadurch erfolgen, dass die im Internet veröffentlichte html-Datei die Seiteninventarnummer bereits mit im Dateinamen trägt. Untauglich sind demgegenüber von einem CMS generierte interne Identifikationsmerkmale. Diese sind nicht ununterbrochen vergeben und sie taugen höchstens solange, wie das CMS im Einsatz bleibt. Das Inventarverzeichnis der veröffentlichten Internetseiten muss hingegen gültig und funktionsfähig bleiben, auch wenn eine Kommune auf ein neues CMS umstellt. Die einmal vergebene Inventarnummer bleibt dauerhaft belegt. Falls die entsprechende Seite gelöscht wird, bleibt die Nummer erhalten, im Seiteninventarverzeichnis wird der Löschvermerk eingetragen. In der zugehörigen Einzelakte oder Sammelakte besteht ein bleibender Nachweis über den früheren Inhalt und sein Zustandekommen, beispielsweise in Form von gespeicherten PDF-Dateien, abgelegten E-Mails und Besprechungsnotizen.

Der Kommunale Aktenplan 21 (KAP 21) bietet für Akten zum Internetauftritt der Kommune eine eigene Aktenplansachgruppe. Diese ist der Aktenplanuntergruppe 047 Öffentlichkeitsarbeit nachgeordnet. Hier ist die Aktenplansachgruppe 047.6 für Akten über den Internetauftritt der Kommune vorgesehen. Der KAP 21 folgt bei der Vergabe der folgenden Endziffern auf der 5. Gliederungsstufe einem Schema. Unter der Endziffer -0 werden in der Regel die allgemeinen Informationsakten zu einem Thema abgelegt, unter der Endziffer -9 die Fallakten zum Thema. Dieses Schema findet auch für das Internet Anwendung. Dementsprechend dient das Aktenzeichen 047.60 zur Ablage von Unterlagen über Allgemeines zum Internet. Das sind die klassischen Informationsakten, beispielsweise dieser Aufsatz. Das Aktenzeichen 047.61 wird zur Ablage von Unterlagen zu rechtlichen Regelungen zum Internetauftritt freigehalten. Unter dem Aktenzeichen 047.62 werden dann die Akten zur Organisation des Internetauftritts in der eigenen Verwaltung abgelegt, etwa über die Konzeption, die Beauftragung eines Anbieters oder Ähnliches. Die Inhalte des eigenen Internetauftritts werden dann in zwei Aktenperspektiven abgelegt. Das Aktenzeichen „047.68 Internetauftritt einzelner Organisationsheinheiten“ ist für Akten vorgesehen, die beim Austausch mit einzelnen Organisationseinheiten der eigenen Verwaltung zu deren Seiten entstehen. Das bietet die Möglichkeit, organisationsbezogene Bearbeitungsprozesse zu dokumentieren. Das Aktenzeichen „047.69 Einzelne Inhalte des Internetauftritts der Kommune“ dient zur Aufnahme von Akten zu den einzelnen html-Seiten. Diese können hier ihrer Seiteninventarnummer nach einsortiert sein. In ihnen werden beispielsweise auch die PDFs abgelegt, die die Internetredaktion erstellt, wenn sie größere Veränderungen dokumentieren muss.

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Prof. Dr. Wolfgang Sannwald

Projektleiter des Kommunalen Aktenplans 21 Baden-Württemberg
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