28.10.2021

„Die Platzvergabe auf dem Weihnachtsmarkt“

Übungsklausur zum Verwaltungsrecht - Teil 2

„Die Platzvergabe auf dem Weihnachtsmarkt“

Übungsklausur zum Verwaltungsrecht - Teil 2

Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © eyetronic - stock.adobe.com
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Fortsetzung von Teil 1

III. Begründetheit

Die Klage ist begründet, wenn die Ablehnungsentscheidung des W auf Zulassung zum Weihnachtsmarkt in der Gestalt des Widerspruchsbescheids im Zeitpunkt der Erledigung (Beginn Weihnachtsmarkt am 30.11.2019) rechtswidrig war.[1]

1. Anspruchsgrundlage


Fraglich ist, ob dem W ein Anspruch auf Zulassung zum Weihnachtsmarkt der Gemeinde K im Jahr 2019 aus § 70 Abs. 1 GewO hat, welcher jedoch durch § 70 Abs. 3 GewO beschränkt werden kann.

1.1 Teilnahmeanspruch

Nach § 70 Abs. 1 GewO ist jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung (§§ 68, 69 GewO) angehört, nach der Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt. Dieser Teilnahmeanspruch resultiert aus dem Grundsatz der Marktfreiheit. Gemessen daran ergibt sich grundsätzlich ein Teilnahmeanspruch des W am Weihnachtsmarkt der Gemeinde K.

1.2 Ermessensentscheidung

Jedoch kann der Veranstalter aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen, § 70 Abs. 3 GewO.[2] Nachdem Umbauarbeiten auf dem Marktplatz der Gemeinde K zur Zeit der festgesetzten Veranstaltung stattfanden, war die Zahl der zugelassenen Bewerber (insgesamt zehn Bewerber) bereits aus räumlichen Gegebenheiten gerechtfertigt. Der Bewerber hat keinen Anspruch darauf, dass der Veranstalter (hier die Gemeinde K) bestehende Kapazitäten erweitert oder zusätzlich neue Kapazitäten schafft.[3] Es obliegt dem gestalterischen Ermessen des Veranstalters, den Standort zu wählen, die Größe der Verkaufsstände festzuschreiben und damit mittelbar auch die Anzahl der jeweils möglichen Zulassungen festzulegen.[4] Die Grenze der Willkür bei der Festlegung der Platzanzahl ist erst dann erreicht, wo die insgesamt verfügbare Verkaufsfläche ohne besonderen Grund auf so wenig Stände verteilt wird, dass Neubewerber selbst auf längere Sicht faktisch ausgeschlossen bleiben.[5] Der sich aus § 70 Abs. 1 GewO ergebende Anspruch auf Marktzulassung wandelt sich in diesen Fällen auf einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 70 Abs. 3 GewO um.

Hieraus ergibt sich, dass die Gemeinde K gem. § 70 Abs. 3 GewO ermächtigt war, nach ihrem Ermessen unter den Bewerbern auszuwählen und damit konsequenterweise auch einzelne Bewerber auszuschließen. Diese Ermessensentscheidung[6] umfasst auch die Aufstellung einer Zulassungsrichtlinie und Festlegung von Auswahlkriterien sowie die Gewichtung zwischen den verschiedenen Kriterien.[7] Ob die Auswahlentscheidung des W rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist, beurteilt sich danach, ob die angewendeten Zulassungskriterien inhaltlich haltbar waren und ob die Auswahlentscheidung auf Grundlage eines für alle Bewerber einheitlichen, willkürfreien und nachvollziehbaren Verfahren[8] erfolgt ist.

1.2.1 Zulassungskriterien

Die von der Gemeinde K gewählten Zulassungskriterien müssten inhaltlich korrekt sein.

Die Gemeinde K hat als Zulassungskriterien die Frontlänge gewählt und hierbei aufgrund des bereits beschränkten Platzangebots aufgrund der Umbauarbeiten die Auffassung vertreten, dass sie eine kürze Frontlänge bevorzugt. Dies ist rechtlich haltbar, da sie damit eine legitime Zielsetzung verfolgt.

Das Zulassungskriterien der baulichen Gestaltung ist ebenfalls ein Kriterium, dass eine legitime Zielsetzung verfolgt. So geht es bei der Wahl eines solchen Kriteriums i. d. R. um Ästhetik und Attraktivität[9]; da die Beurteilung dieser Merkmale i. d. R. auch eine Wertentscheidung inbegriffen hat, ist dem Veranstalter ein weiter Beurteilungsspielraum zuzustehen.[10]

Das Zulassungskriterium der Dekoration und Beleuchtung als auch das Warenangebot verfolgen zudem Attraktivitätsziele und sind deshalb ebenfalls nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die übrigen (z. B. „bekannt und bewährt“[11]) von der Gemeinde K gewählten Kriterien.

In diesem Zusammenhang ist es auch rechtlich haltbar, dass die Gemeinde K sodann Gewichtungsfaktoren für die einzelnen Zulassungskriterien aufgestellt hat. Aus diesen wird deutlich, welchem Kriterium die Gemeinde K die größte und welchem Kriterium sie die geringste Bedeutung beimisst.

1.2.2 Verfahren

Fraglich ist jedoch, ob das Zulassungsverfahren als solches den für solche Verfahren maßgeblichen Grundsätzen eines einheitlichen, willkürfreien und nachvollziehbaren Verfahrens entsprochen hat.

1.2.2.1 Änderung der Jahrmarktsatzung und der Zulassungskriterien

Einem fairen und transparenten Verfahren könnte bereits entgegenstehen, dass die Gemeinde K die Jahrmarktsatzung in Verbindung mit den Zulassungsrichtlinien und die Auswahlkriterien während eines laufenden Bewerbungsverfahrens geändert hat.

Grundsätzlich steht es der Gemeinde frei, eine bestehende Satzung und die dazugehörigen Richtlinien zu ändern. Dies gilt auch in einem bereits laufenden Bewerbungsverfahren;[12] wenn und soweit hierfür nachvollziehbare Gründe bestehen.

Eine Änderung im laufenden Verfahren setzt jedoch voraus, dass den Bewerbern die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte so rechtzeitig bekannt gegeben werden müssen, dass sich die Bewerber hierauf einstellen und ihre Bewerbung anpassen können.[13] Hintergrund dessen liegt darin, dass Bewerber die Gelegenheit haben müssen, mitteilen zu können, ob und inwieweit sie die jeweiligen Auswahlkriterien erfüllen. Ansonsten hinge das Ergebnis des Zulassungsverfahrens davon ab, ob ein Bewerber die angewendeten Auswahlkriterien in einem Bereich zufällig trifft oder nicht.[14]

Die Gemeinde K hat allen Bewerbern, die sich rechtzeitig und ordnungsgemäß beworben haben, die geänderte Jahrmarktsatzung in Verbindung mit den Zulassungsrichtlinien und den Auswahlkriterien zukommen lassen und hat diesen Bewerbern die Möglichkeit eingeräumt, zu diesen neuen Kriterien ggf. Anpassungen hinsichtlich der bereits eingereichten Bewerbung zu machen. Zudem wurde die Änderung formal ordnungsgemäß im Amtsblatt der Gemeinde K bekannt gemacht. Damit kam die Gemeinde K dem erforderlichen Transparenzgebot in ausreichender Weise nach.

1.2.2.2 Fehlende Veröffentlichung der Gewichtungsfaktoren

Problematisch könnte vorliegend sein, dass die Gemeinde K die Gewichtungsfaktoren der einzelnen Auswahlkriterien den Bewerbern gegenüber nicht bekannt gemacht hat.

Grundsätzlich ist es möglich und denkbar, dass ein Veranstalter seinen Gestaltungswillen erst dann abschließend ausübt, wenn die Bewerbungen für die Veranstaltung vorliegen.[15] Liegen jedoch die Umstände (hier Gewichtungsfaktoren) bereits vor, hat der Veranstalter seinen Gestaltungswillen bereits abschließend gefasst und sich diesbezüglich selbst gebunden.[16] Im Sinn eines möglichst transparenten Verfahrens ist es gerade erforderlich, dass sich Bewerber an dem Vergabesystem orientieren können und es nicht vom Zufall abhängt, ob den Anforderungen entsprochen wird oder nicht.[17] Die fehlende Bekanntgabe dieser Gewichtungsfaktoren stellt damit einen Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen und transparenten Verfahrens dar. Es ist für Bewerber gerade wichtig, zu wissen, auf welche der einzelnen Auswahlkriterien eine Gemeinde besonderen Wert legt, um deren Angebot (bzw. die Bewerbung) hinsichtlich dieses Gestaltungswillens entsprechend anpassen oder zu konkretisieren.

2. Rechtsfolge

Aufgrund eines Verstoßes gegen das Transparenz- und Fairnessgebot des Auswahlverfahrens war die Auswahlentscheidung hinsichtlich W rechtswidrig.

IV. Ergebnis

Die als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte ursprüngliche Anfechtungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) ist zulässig und begründet.

 

Erschienen in apf Heft 11/12 2020

[1] Mangels entsprechender Sachverhaltsangaben wird auf die Darstellung der formellen Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung und des Widerspruchsbescheids verzichtet. Andernfalls wäre die formelle Rechtmäßigkeit der Entscheidungen kurz anzusprechen.

[2] Weitergehend zur Einschränkung des Teilnahmeanspruchs Braun, NVwZ 2009, 747 (749).

[3] So BayVGH, NVwZ-RR 2003, 837 (837).

[4] Ebenda.

[5] Im Hinblick auf die Diskussion der Durchführung von Weihnachtsmärkten in Zeiten der Corona-Pandemie dürfte jedoch ein besonderer Grund für die Verteilung des Platzangebots auf wenige Stände gegeben und auch haltbar sein.

[6] Im Rahmen der gerichtlichen Nachprüfung der Ermessensentscheidung ist das Gericht darauf beschränkt, ob der Ausschluss eines einzelnen Bewerbers aus sachlichen oder willkürlichen Gründen erfolgt ist sowie die Überprüfung, ob die Auswahlentscheidung auf der Grundlage eines für alle Bewerber einheitlichen, willkürfreien und nachvollziehbaren Verfahrens erfolgt ist, vgl. hierzu VGH BW, Urt. v. 01.10.2009 – 6 S 99/09 = BeckRS 2009, 41414.

[7] Vgl. VGH BW (Fn. 25); die Auswahlentscheidung als solche war nicht Gegenstand des Sachverhalts, zumal die Angaben hierzu (Bewerbung des W) nicht mit in den Sachverhalt aufgenommen wurden. Kommunalrechtliche Problemkreise (z. B. ordnungsgemäße Beschlussfassung) waren nicht Gegenstand der Klausur und bedurften damit keiner Prüfung.

[8] Aufgrund der erheblichen Grundrechtsrelevanz für die sich bewerben den Anbieter, die nur begrenzte gerichtliche Kontrolle i. R. d. § 70 Abs. 3 GewO und die Notwendigkeit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG setzen ein transparentes, willkürfreies und nachvollziehbares Verfahren voraus, vgl. VG Augsburg, Beschl. v. 11.11.2014 – 4 K 2310/14; zit. nach juris, Rn. 22 m. w. N.

[9] Das Auswahlkriterium der Attraktivität ist als solches nicht zu beanstanden, insbesondere ist vom gestalterischen Willen des Veranstalters getragen, wenn aufwendig ausgestattete Verkaufsstände gegenüber einfacheren Imbiss- und Ausschankwägen Vorzug erhalten, vgl. BayVGH, NVwZ-RR 2004, 599 (602). Bei klassischen Fahrgeschäften wird bei der Attraktivität i. d. R. Wert auf die Fahreigenschaft, die Ausstattung mit Licht und Gestaltung, die Anziehungskraft auf die Besucher,

die Beliebtheit und die Preisgestaltung gelegt, vgl. VGH München, NVwZ-RR 2017, 113 (114).

[10] Vgl. BayVGH (Fn. 25), 599 (601).

[11] Es handelt sich um ein anerkanntes (Hilfs-)Kriterium, vgl. BayVGH (Fn. 25), 113 (115). Bewährt bedeutet, dass eine erprobte Eignung vorliegt, vgl. BVerwG, GewArch 1976, 379 (381).

[12] Vgl. VGH BW (Fn. 22); a. A. OVG NRW, Beschl. v. 24.07.2015 – 4 B 709/15; zit. nach juris, Rn. 7 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-226/09; zit. nach juris, Rn. 59 wonach die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz der Vergabeverfahren für die öffentlichen Auftraggeber bedeuten, dass sie sich während des gesamten Verfahrens an dieselbe Auslegung der Zuschlagskriterien halten müssen.

[13] Vgl. BayVGH, NVwZ-RR 2012, 391 (393) und Beschl. v. 13.07.2006 – 4 CE 06.1835 = BeckRS 2009, 37032; VG Mainz, Beschl. v. 12.08.2014 –6 L 712/14.MZ; zit. nach juris, Rn. 9 ff.

[14] Vgl. VG Augsburg, Urt. v. 23.10.2012 – Au 7 K 12.1020; zit. nach juris, Rn. 46.

[15] Vgl. VGH BW (Fn. 25); VG Augsburg (Fn. 33); zit. nach juris, Rn. 28 ff.

[16] Vgl. NdsOVG (Fn. 12). 531 (532).

[17] Vgl. VG Augsburg (Fn. 33); zit. nach juris, Rn. 28 ff.

 

Dr. Sonja Sojka

Rechtsanwältin, Dipl. Finanzwirtin (FH), Nürnberg
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