18.10.2021

Keine „Urlaubsrückgabe“ wegen Reisebeschränkungen zu Corona-Zeiten

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2020 – 1 B 1379/20

Keine „Urlaubsrückgabe“ wegen Reisebeschränkungen zu Corona-Zeiten

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2020 – 1 B 1379/20

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Hessen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Hessen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Ein Mitarbeiter im öffentlichen Dienst hatte beim Verwaltungsgericht (VG) erfolglos beantragt, seine Dienstherrin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den ihm in der Zeit vom 01.05.2020 bis 24.05.2020 genehmigten Urlaub zu verschieben. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH), die ebenfalls ohne Erfolg blieb.

Soweit in der Beschwerde ausgeführt wurde, der angefochtene Beschluss des VG basiere auf der rechtlich nicht haltbaren Feststellung, es sei unerheblich, ob der Mitarbeiter den Urlaub für den streitigen Zeitraum vom 01.05.2020 bis 24.05.2020 beantragt hat, wurde die Begründung des VG unzutreffend wiedergegeben. Vielmehr hatte das VG ausgeführt, es sei unerheblich, ob der Mitarbeiter den Erholungsurlaub im streitigen Zeitraum formal beantragt hat. Er habe jedenfalls den streitgegenständlichen Zeitraum in die Gesamtübersicht Jahresplanung 2020 seiner Dienststelle als Erholungsurlaub eintragen lassen und augenscheinlich bereits eine dreiwöchige Reise in die USA gebucht.

Damit habe der Mitarbeiter unabhängig von einem förmlichen Urlaubsantrag den Willen manifestiert, in der angegebenen Zeit einen Erholungsurlaub anzutreten. Er hat damit konkludent Urlaub für den in Streit stehenden Zeitraum beantragt. Dies ergibt sich nach Gesamtwürdigung der Umstände. Nach dem von dem Mitarbeiter im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreiben der personalverantwortlichen Stelle vom 27.09.2019 erfolgte eine Urlaubsbewilligung in seiner Dienststelle im Jahr 2020, soweit sichergestellt ist, dass eine prozentual bestimmte Quote an Personal zur Gewährleistung der Regel- oder Mindeststärke für Einsatzpläne im Dienst verbleibt.


Für den beantragten Zeitraum hatte der Mitarbeiter eine USA-Reise gebucht

Alle den Mitarbeitern im Jahr 2020 zustehenden Urlaubstage, bis auf fünf Tage , die später „frei“ geplant werden durften, sind danach unter Angabe der Urlaubszeiträume und Gegenzeichnung der betroffenen Mitarbeiter in die Jahresplanung einzutragen. „Unterschriftenliste und Quotentabelle“ für das Jahr 2020 waren bis zum 29.11.2019 vorzulegen. Die Dienstherrin hat hierzu vorgetragen, dass es der geübten Praxis entspreche, Urlaub entsprechend den unterschriftlich bestätigten Eintragungen in dieser Liste zu genehmigen. Die Gegenzeichnung der angegebenen Zeiträume durch Unterschrift der Beschäftigten stellt dabei zudem sicher, dass die nachfolgende Urlaubsgenehmigung zu den eingetragenen Zeiten dem Willen der Beschäftigten entspricht.

Dies ist auch im Fall des betroffenen Mitarbeiters so erfolgt. Er hatte per E-Mail vom 20.11.2019 seinem Dienstgruppenleiter „Vollmacht erteilt“, „seinen Jahresurlaub in seinem Auftrag zu unterschreiben“. Zudem hatte er mitgeteilt, dass „diese Vollmacht für folgende Zeiträume im Jahr 2020 gilt“, wobei u. a. der Zeitraum „01.05.2020 bis 31.05.2020“ aufgeführt ist. Dementsprechend ist in der „Gesamtübersicht Urlaubsplanung 2020, abgestimmte Wünsche“ für den Mitarbeiter der Urlaubszeitraum 01.05.2020 bis 31.05.2020 eingetragen und mit dem handschriftlichen Namenskürzel des Dienstgruppenleiters, dem der Zusatz „i.A.“ vorangestellt ist, abgezeichnet worden.

Auch der Mitarbeiter ging in der Folgezeit davon aus, dass ihm Urlaub vom 01.05.2020 bis 31.05.2020 auf diese Angaben hin genehmigt worden ist. Das belegt das Unterlassen einer weiteren gesonderten Beantragung des Urlaubs trotz Buchung der USA-Reise in dem genannten Zeitraum, und sein Antrag auf „Rückgabe“ des für Mai 2020 genehmigten Urlaubs.

Angaben in der „Urlaubsliste“ waren als konkludente Urlaubsantragstellung zu werten

Vor diesem Hintergrund, also der Praxis, wonach keine ausdrückliche Urlaubsantragstellung neben der Angabe der abgestimmten „Wünsche“ zu Urlaubszeiträumen im jeweiligen Urlaubsjahr in einer Liste erfolgt, sind die Angaben in der Liste als konkludente Urlaubsantragstellung zu werten. Die Bezeichnung der Liste als „Gesamtübersicht Urlaubsplanung“ ändert daran ebenso wenig, wie der Vortrag des Mitarbeiters im Schriftsatz vom 26.05.2020, wonach im Jahr 2016 in einer Teamleiterbesprechung ein anderes Verfahren zur Urlaubsbeantragung vereinbart worden sein soll. Selbst wenn nicht von einer konkludenten Urlaubsantragstellung ausgegangen würde, wäre es dem Mitarbeiter jedenfalls nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verwehrt, sich erfolgreich auf das Fehlen eines Urlaubsantrags zu berufen. Denn die Urlaubsgenehmigung für den in Rede stehenden Zeitraum entsprach eindeutig seinem Willen. Er hat eine Flugreise im Mai 2020 gebucht, wodurch belegt ist, dass er selbst davon ausgegangen ist, dass ihm der Urlaub für Mai 2020 allein aufgrund der Angaben in der bis Ende November 2019 abzugebenden „Gesamtjahresplanung“ genehmigt werden würde.

Sich nunmehr darauf zu berufen, der Urlaub hätte ihm nicht erteilt werden dürfen, weil er diesen nicht beantragt habe, stellt damit ein widersprüchliches und treuwidriges Verhalten gegenüber der Dienstherrin dar. Der Mitarbeiter kann nicht einerseits die Vorteile eines formlosen Verfahrens in Form der Erteilung einer Genehmigung des Urlaubs allein aufgrund der Listeneintragungen beanspruchen, andererseits das „Festgehaltensein“ an die Urlaubsgenehmigung als empfundenen Nachteil wegen der geänderten Möglichkeiten seiner Urlaubsgestaltung nach dem Auftreten der Corona-Pandemie nicht mehr in Kauf nehmen wollen.

Die Situation des Mitarbeiters unterscheidet sich nicht von derjenigen einer Vielzahl anderer Beschäftigter

Zu Recht hat deshalb das VG weiter ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Erholungsurlaubsverordnung (EUrIV) nicht vorliegen. Der VGH verkannte dabei nicht, dass die fehlende Realisierbarkeit der geplanten und gebuchten USA-Reise im Mai 2020 für den Mitarbeiter ein nachvollziehbares Interesse an einer Verschiebung des für diesen Zeitraum genehmigten Urlaubs begründet. Das vermittelte ihm jedoch aus den von dem VG genannten Gründen keinen gebundenen Anspruch auf Hinausschieben des antragsgemäß genehmigten Urlaubs oder auf Rücknahme der Urlaubsgenehmigung.

Die Situation des Mitarbeiters unterscheidet sich nicht von derjenigen einer Vielzahl anderer Beschäftigter, Beamtinnen und Beamten und Arbeitnehmer/-innen, deren Urlaubsvorstellungen sich wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht so wie ursprünglich geplant haben realisieren lassen. All diese Personen sind davon betroffen, dass Auslandsreisen derzeit nicht und voraussichtlich auch im Sommer allenfalls eingeschränkt möglich sein werden. Dem Interesse aller von diesen oder sonstigen Corona-bedingten Reisebeschränkungen Betroffenen an einer Verschiebung ihres genehmigten Urlaubs steht das berechtigte Interesse des Dienstherrn gegenüber, an der genehmigten Urlaubsplanung festzuhalten, um sicherzustellen, dass ein geregelter Dienstbetrieb aufrechterhalten bleibt. Das gilt insbesondere auch für die Zeit nach Entfallen oder Abmilderung der Corona-bedingten Einschränkungen, für die verstärkt mit Urlaubswünschen aus der Belegschaft zu rechnen sein dürfte.

 

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2020 – 1 B 1379/20 –.

Fundstelle He 2021/172

 
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