27.09.2021

Arbeitszeitgestaltung in kommunalen Ordnungsdiensten (2)

Qualitätskriterium salutogener Arbeitsbedingungen – Teil 2

Arbeitszeitgestaltung in kommunalen Ordnungsdiensten (2)

Qualitätskriterium salutogener Arbeitsbedingungen – Teil 2

Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Kommunale Ordnungsdienste sind im Hinblick auf die Erfüllung der ordnungsbehördlichen Sicherheitsaufgaben in den Fokus der NRW-Kommunen geraten. Die meisten Kommunen verfügen inzwischen über einen Ordnungsdienst, wobei die Möglichkeiten zur Einrichtung und die konkrete Ausgestaltung neben der Finanzierung auch von der Größe der Städte und Gemeinden abhängen. Das hohe Interesse spiegelt sich bspw. in der Teilnahme der Kommunen an Veranstaltungen zu dem Thema wider (siehe z. B. Opielka & Breuer, 2019). Die Notwendigkeit für die Etablierung kommunaler Ordnungsdienste ergibt sich aus einer Vielzahl von Aspekten. Teil 2 der Reihe befasst sich mit Arbeitszeitmodellen, ihrem Anspruch und dem Blickwinkel kommunaler Ordnungsdienste.

III. Steuerung über Arbeitszeitmodelle

1.Arbeitszeitmodelle Sinn und Anspruch

Die Arbeitswelt befindet sich in einem stetigen Wandel und wird sich auch in Zukunft durch Einflüsse der globalen Entwicklungen verändern. So beschreiben Rump & Eilers (2019) die fortschreitende Digitalisierung und Globalisierung, die demografische Entwicklung und den gesellschaftlichen Wertewandel als sich gegenseitig beeinflussende Megatrends, die wesentlichen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen. Dabei liegt auf der Hand, dass gesundheitsfördernde und gesundheitserhaltende Arbeitsbedingungen u. a. auch von der Arbeitszeitgestaltung abhängen. Den vielseitigen Anforderungen kann durch eine gezielte Steuerung über Arbeitszeitmodelle begegnet werden. So stellen Rump et al. ebenso wie Beermann (2009) und Amlinger- Chatterjee (2016) die umfangreichen Ansprüche an eine salutogene Arbeitszeitgestaltung dar. Danach ist diese auf der Arbeitgeberseite von den Rahmenbedingungen des jeweiligen Betriebs und den zu erledigenden Aufgaben abhängig, während aufseiten der Mitarbeitenden persönliche Bedürfnisse vor dem Hintergrund aktueller Erkenntnisse der Gesundheitsforschung in der Arbeitswissenschaft zu berücksichtigen sind. Dabei spielen insbesondere die Herausforderungen rd. um den demografischen Wandel eine entscheidende Rolle. Es ist festzustellen, dass eine immer älter werdende Belegschaft mit steigender Lebensarbeitszeit einem zunehmenden Personalmangel aufseiten der Nachwuchskräfte gegenübersteht.


Es ist unstrittig, dass diese Tendenzen in der Arbeitswelt sich auch auf den gesamtgesellschaftliche Wertewandel auswirken, was sich wiederum in den Idealen der Generationen Y und X erkennen lässt. Klar ist, dass die Work-Life-Balance sich als Lebensmuster etabliert hat und für Berufstätige eine immer höhere Bedeutung einnimmt (zu Auswirkungen der Work-Life-Balance auf Arbeitsmotivation und Arbeitgeberattraktivität siehe Rolle, 2018 oder Thiele, 2009). Diese Faktoren nehmen kontinuierlich Einfluss auf die Arbeitswelt, sodass eine Berücksichtigung bei der Arbeitszeitgestaltung unerlässlich ist. Ein zentrales Instrument der Arbeitszeitgestaltung stellt die betriebliche Auswahl und Implementierung von Arbeitszeitmodellen dar. Von diesen Rahmenbedingungen hängt im Ergebnis auch die Aufgabenerledigung im Arbeitsprozess ab. Schlick (2018) beschreibt diesbezüglich eine chronologische Dimension, welche die zeitliche Lage und Abfolge der Arbeitszeit festlegt, sowie eine chronometrische, welche Dauer der Arbeitszeit bestimmt. Flexibilisierungsparameter nehmen bei der Arbeitszeitgestaltung eine zentrale Rolle ein, wobei bestenfalls sowohl ökonomische und organisatorische Betriebsinteressen als auch persönliche Präferenzen, soziale Bedürfnisse und physiologische Dispositionen der Mitarbeitenden Berücksichtigung finden sollten (vgl. etwa Schlick, 2018; Amlinger-Chatterjee, 2016 oder Beermann, 2009)

a) Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Gestaltung der Arbeitszeit in einer Organisation obliegt dabei nicht ausschließlich betrieblichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Mitarbeiterseite, sondern hat sich zwingend an den gesetzlichen Gestaltungsbedingungen zu orientieren. Für den Europäischen Wirtschaftsraum wird der rechtliche Rahmen in der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung festgelegt. Die Umsetzung dieser Bestimmungen in nationales Recht ist maßgeblich durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) erfolgt. Ferner ist im Zusammenhang mit der Gestaltung von Arbeitsbedingungen das Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG) zu berücksichtigen. Diese Bestimmungen enthalten verbindliche Vorgaben zur Verteilung der Arbeitszeit und Arbeitsdauer, den Ruhe- und Pausenzeiten sowie zu Voraussetzungen der Nacht- und Schichtarbeit. Ferner haben tarifvertragliche Vereinbarungen und aufgabenbezogene Bedingungen, die sich in den konkreten Tätigkeitsmerkmalen des jeweiligen Berufsfeldes wiederfinden, einen Einfluss auf die Arbeitszeitgestaltung.

b) Arbeitszeitgestaltung als Gesundheitsfaktor

Von besonderem Interesse ist dabei die in § 6 Abs. 1 ArbZG formulierte Forderung, wonach die Arbeitszeit der in Nacht- und Schichtarbeit tätigen Arbeitnehmer(innen) nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen ist. Daher sind bei der Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit i. S. d. Gesundheitsschutzes insbesondere die negativen Effekte auf die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeitenden zu berücksichtigen, was insbesondere die Arbeit zur Nachtzeit betrifft. Großen Einfluss auf die Funktionen des menschlichen Körpers hat der auch als „innere Uhr“ bezeichnete zirkadiane Rhythmus. Unstreitig ist, dass Arbeiten gegen den Rhythmus mit Anstrengungen verbunden ist. Mit Bezug auf eine Reihe nationaler und internationaler Studien (vgl. auch Angersbach, Knauth, Loskant, Undeutsch & Rutenfranz, 1980; Tenkanen, Sjöblom, Kalimo, Alikoski & Härmä, 1997; Boggild & Knutsson, 1999) fassen Angerer et al. (2010) zusammen, dass Schichtarbeit, mit der Folge einer Desynchronisation zwischen der endogenen Zirkadianrhythmik und arbeitsbedingten Aktivitäts- und Ruhezeiten, eine Reihe von Auswirkungen hat:

– Schichtarbeiter klagen häufiger über Schlaflosigkeit in ihrer Hauptschlafphase.

– Schichtarbeit führt über die Desynchronisation mit dem sozialen Umfeld zu einer Einschränkung im familiären und sozialen Leben.

– Durch Schichtarbeit werden Reaktionsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Belastbarkeit und Konzentration negativ beeinflusst; insbesondere länger als acht Stunden andauernde Nachtschichten erhöhen das Risiko von Unfällen.

– Es gibt Hinweise, dass Schichtarbeit Depressionen, Angst und möglicherweise auch das Restless-Legs-Syndrom fördert.

– Gastrointestinale Störungen (Obstipation, Diarrhö, gastrointestinale Ulzera, Magenulkus) treten bei Schichtarbeitern häufiger auf als bei Tagarbeitern.

– Schichtarbeit erhöht kausal das Risiko atherosklerotischer Erkrankungen und kardiovaskulärer Erkrankungen, insbesondere das Risiko eines Herzinfarktes.

In Bezug auf Schichtarbeit und psychische Gesundheit stellen Forschungsberichte, die im Ergebnis zu keinem Zusammenhang kommen, eine Ausnahme dar. Eine Übersicht hierzu ist dem Scoping Review der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Amlinger-Chatterjee, 2016) zu entnehmen. Zusammenfassend ist hier eine nicht einheitliche Befundlage dargestellt, insbesondere was die Auswirkungen der Arbeit zur Nachtzeit angeht. Angerer et al. (2017) stellen fest, dass die Befunde außerhalb des Arbeitsbereichs Gesundheitswesen auf ein erhöhtes Depressionsrisiko bei Schichtarbeitern hindeuten, die Evidenz jedoch zu schwach für einen generellen medizinischen Rat ist. Angemessen scheinen nach Meinung der Autoren ein individuelles Vorgehen und die Berücksichtigung psychosozialer Faktoren, die mit der Schichtarbeit verbunden sind.

c) Aspekte der Schichtarbeit

Förderlich sind verschiedenen Befunden zufolge (vgl. etwa Kutscher & Leydecker, 2018) bei der Planung von Schichtdienstmodellen Verbindlichkeit, Vorhersehbarkeit und Möglichkeiten zur Flexibilisierung. Eine langfriste Planungssicherheit und Einflussmöglichkeiten seien positiv in Hinblick auf das menschliche Bedürfnis nach Zeitsouveränität und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu bewerten. Die Befunde zu Arbeitsautonomie und Gesundheit sind dabei jedoch keineswegs homogen. Eine Reihe von Studien (Bohle, Willaby, Quinlan & McNamara, 2011; Hsueh & Yoshikawa, 2007; Kleiner & Pavalko, 2010) stellt im Ergebnis keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Variabilität der Arbeitszeit und Einfluss auf die Gesundheit fest. Einige Studien (Liu, Wang, Keesler & Schneider, 2011; Bohle et al., 2011; Nordlund et al., 2010; Vahle-Hinz, Kirschner & Thomson, 2013) berichten sogar über höheres Stresslevel und Risiko für Burn-out bei zunehmender Variabilität. Die Heterogenität der Befundlage ist stark abhängig von der auszuführenden Tätigkeit selbst. Struck, Dütsch, Liebig & Springer (2014) stellen fest, dass Studien zu Beeinträchtigungen der Gesundheit durch Nacht- und Schichtarbeit im Regelfall soziodemografische Einflussfaktoren und Tätigkeitsmerkmale außer Acht lassen. Bedeutsam ist nach Ansicht der Autoren v. a., ob an körperlich, sozial oder psychisch belasteten Arbeitsplätzen gearbeitet wird und weniger wichtig ist, ob dies am Tag oder in der Nacht geschieht. Unweigerlich erfordert dies eine genaue Betrachtung der konkreten Arbeitstätigkeitsmerkmale in kommunalen Ordnungsdiensten.

2.Arbeitszeitmodelle aus dem Blickwinkel kommunaler Ordnungsdienste

Kommunale Ordnungsdienste sind aufgrund des Freizeitverhaltens der Bevölkerung und der daraus resultierenden Einsatzsituationen vermehrt außerhalb der klassischen Bürozeiten gefragt. Demzufolge ist die Wahrnehmung der Aufgaben zu atypischen Arbeitszeiten nur im Schichtbetrieb möglich. Dazu führt Balzer (2019) aus, dass Ordnungsstörungen am häufigsten zwischen 17:00 und 01:00 Uhr auftreten, wobei die Einsatzhäufigkeit auch von Jahreszeit, Wochentag und Wetterlage abhängt. Am Wochenende und in den Abend- bzw. Nachtstunden sind naturgemäß mehr Personen in Gaststätten, Innenstädten oder Parks unterwegs, woraus sich zu diesen Zeiten mehr Einsatzsituationen innerhalb der ordnungsbehördlichen Zuständigkeit ergeben. Daraus folgt die zwingende Notwendigkeit, die Arbeit in Schichtplänen auch zu Nachtzeiten so zu organisieren, dass personelle und zeitliche Ressourcen i. S. d. Aufgabenwahrnehmung bestmöglich eingesetzt sind. In etlichen Arbeitsbereichen ist währenddessen ein Flexibilisierungsprozess in Gang. Nach Schlick (2018) orientieren sich Arbeitszeitsysteme in Betrieben zunehmend an Lebensphasen der Mitarbeitenden, sodass diese selbst über den Ort, die Lage und teilweise auch die Dauer ihrer Arbeitszeit entscheiden können. Flexible Arbeitszeitmodelle, wie z. B. Gleitzeit, Telearbeit oder Mobile Arbeit, haben zwischenzeitlich auch in den Kommunalverwaltungen Einzug erhalten. Da im Bereich kommunaler Ordnungsdienste eine Ausdehnung der Erreichbarkeiten zu beobachten ist, erscheinen die Flexibilisierungsmöglichkeiten der individuellen Ar beitszeiten in diesem Berufsfeld begrenzt, was sich wiederum negativ auf die Beschaffung und Bindung des Personals auswirken könnte.

a) Rechtslage zur Arbeitszeit kommunaler Ordnungsdienste

Die in nationalem Arbeitszeitrecht umgesetzte EU-Richtlinie sieht u. a. eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden, eine wöchentliche Mindestruhezeit von 24 Stunden am Stück sowie eine tägliche Mindestruhezeit von elf Stunden am Stück vor. Daneben sind gerade in der öffentlichen Verwaltung auch tarifvertragliche Bestimmungen zu berücksichtigen. Für kommunale Ordnungsdienste ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich Verwaltung (TVöD-V) der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) i. d. F. der Änderungsvereinbarung Nr. 14 vom 30.08.2019 einschlägig. Nach § 6 Abs. 1 b) TVöD beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit für Beschäftigte der Kommunen im Tarifgebiet West[1] 39 Stunden ausschließlich der Pausenzeiten. Nach § 7 Abs. 2 TVöD wird als Schichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan bezeichnet, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mind. 13 Stunden geleistet wird. Die Schichtarbeit kann dabei teilkontinuierlich, ohne Einbezug von Wochenenden, oder vollkontinuierlich an sieben Tagen pro Woche erfolgen. Ferner sind in § 7 Abs. 1 TVöD Wechselschichten als Arbeitsform mit rhythmisch wechselnden Arbeitsschichten aufgenommen, wonach ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Kutscher et al. (2018) beschreiben zur Wechselschichtarbeit die regelmäßige Aufteilung in drei Abschnitte Früh-, Spät- und Nachtschicht. Als Nachtarbeit wird nach dem TVöD die Arbeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr klassifiziert. Folglich ist der Rahmen hinsichtlich der Dauer von Arbeitsund Ruhezeiten durch die geltende Rechtslage gesteckt. Die Kommunen haben demnach mit der Auswahl aus verschiedenen Schichtmodellen eine Entscheidung zur Aufteilung und Lage der Arbeitszeit ihrer Vollzugsdienstkräfte zu treffen.

b) Einflüsse und Herausforderungen

Die Arbeitszeitgestaltung kommunaler Ordnungsdienste trifft auf eine Reihe von internen Herausforderungen und externen Einflüssen. Im Speziellen befinden sich die einzelnen Kommunen in NRW zunächst in unterschiedlichen Ausgangssituationen. Die Rahmenbedingungen werden auf der Basis der kommunalen Selbstverwaltung individuell gesteckt und orientieren sich oftmals an Vorgaben aus der örtlichen Politik. Mangels landesweit einheitlicher Richtlinien existieren unterschiedliche Regelungen bzgl. der Dienstzeiten sowie wöchentlichen und jährlichen Arbeitstage. Wie auch im Praxisdialog an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW im November 2019 deutlich wurde, macht sich der Fachkräftemangel in kommunalen Ordnungsdiensten durch eine hohe Zahl vakanter Stellen bemerkbar. Dieser konstante Personalmangel wirkt sich auf die Belastung der Beschäftigten aus. Bestehendes Personal kann ferner nicht in der gesamten Arbeitszeit für den Außendienst eingeplant werden, da auch im Innendienst Arbeiten erledigt werden müssen, z. B. die Fertigung von Einsatzberichten oder die Teilnahme an Fortbildungen oder Einsatztrainings. Diese Faktoren der allgemeinen Personalsituation sind bei der Schichtplangestaltung zwingend zu berücksichtigen.

c) Berücksichtigung verschiedener Erwartungshaltungen

Diese Ausgangssituation trifft auf vielfältige Anforderungen verschiedener Akteure, durch die eine ergonomische Schichtplangestaltung vor Herausforderungen gestellt wird. Aus Sicht des Arbeitgebers ist die zielführende Aufgabenerfüllung, durch Erledigung der tatsächlichen Arbeitssachverhalte, von hoher Priorität. Die anfallenden Aufgaben der Gefahrenabwehr sind zeitlich und örtlich unmittelbar zu erledigen. Ferner nimmt die Steigerung und Aufrechterhaltung der Mitarbeitermotivation und -gesundheit mit dem Ziel eines niedrigen Krankheitsstands einen hohen Stellenwert für die Arbeitgeberseite ein. Nicht zuletzt muss der organisatorische Aufwand für die Erstellung eines Schichtplans für die Verantwortlichen verhältnismäßig bleiben. Für Mitarbeitende spielt die Work-Life-Balance eine große Rolle, welche sich nach Rolle (2018) und Thiele (2009) auf das individuelle Wohlbefinden und die Arbeitsmotivation auswirkt. Daraus wird deutlich, dass die Sichtweise der Beschäftigten auf ihre Arbeitszeitgestaltung mit ihrer psychischen und physischen Gesundheit zusammenhängt.

Die Möglichkeit flexibler Arbeitszeitgestaltung, trotz der Arbeit nach einem Schichtplan, erscheint für die Kräfte ebenso bedeutsam wie der Wunsch nach Transparenz und Verbindlichkeit. Nicht zuletzt ergeben sich auch Ansprüche an die Arbeitszeit kommunaler Ordnungsdienste seitens der Gesellschaft. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ist stark von der Präsenz der kommunalen Ordnungsdienste abhängig. Einsatzstarke Zeiten, wie Abendstunden, Wochenenden und Feiertage, bieten mehr Anlässe zum Einschreiten als Werktage zu Bürozeiten. Daraus lässt sich schließen, dass seitens der Bürgerschaft Vorstellungen bestehen, welche i. S. d. Dienstleistungsgedankens mit niedrigen Wartezeiten und schnellen Reaktionen verbunden sind. Die umfassende Erreichbarkeit für Beschwerden und das zügige Abarbeiten der Meldungen komplettieren die Erwartungshaltung seitens der Allgemeinheit. Diese Anforderungen stimmen in der Zielrichtung teilweise überein, stellen in Einzelaspekten aber auch Interessenskonflikte dar. Im Ergebnis ist es ein Balanceakt, diese Ausgangslage durch betriebliche Arbeitszeitgestaltung zu lösen und dabei Aspekte des psychischen und physischen Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen.

d) Befundlage zur Arbeitszeit kommunaler Ordnungsdienste

Es besteht arbeitswissenschaftlicher Konsens dahingehend, dass für die Bandbreite betrieblicher Anforderungen und Rahmenbedingungen keine Universallösungen für die Arbeitszeitgestaltung existieren, sodass die individuellen Vor- und Nachteile zu berücksichtigen und in den arbeitsphysiologischen und sozialen Kontext zu bringen sind (vgl. Beermann, 2009; Schlick, 2018). Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich theoretische Erkenntnisse in der Arbeitspraxis aufgrund der konkreten Gegebenheiten vor Ort als nicht geeignet herausstellen können. So ist nach einem Projekt der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV)[2] aus dem Jahr 2018 die Dienstplangestaltung des Ordnungs- und Sicherheitsdienstes der Stadt Aachen auf der Basis des wissenschaftlichen Ergebnisses umgestellt worden. Nach der Erprobungsphase und einer Mitarbeiterumfrage haben alle Beteiligten einvernehmlich auf die sog. Flex-Tage verzichtet, da der organisatorische Aufwand beidseitig zu hoch erschien.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der Faktor Planbarkeit und Verbindlichkeit für die Betroffenen einen höheren Stellenwert eingenommen hat als die freie Wahl der Arbeitszeit an einzelnen Tagen. Insgesamt erscheint die Befundlage aus der Arbeitswissenschaft im Bereich kommunaler Ordnungsdienste gering. Im Hinblick auf eine salutogene Arbeitszeitgestaltung sind eine branchenspezifische Überprüfung und weitere Forschung mit dem Ziel wissenschaftlich fundierter Empfehlungen für das Tätigkeitsfeld erforderlich. Nicht auszuschließen ist, dass durch den Blick auf Berufe mit vergleichbaren Tätigkeitsmerkmalen und Arbeitsabläufen weitere Erkenntnisse gewonnen werden können.

 

Erschienen in apf Heft 11/12 2020

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

 

[1]In § 38 TVöD wird auf die Tarifgebiete Ost und West Bezug genommen. Das Tarifgebiet West umfasst die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein.

[2] Seit Januar 2020 trägt die Einrichtung den Namen „Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung” (HSPV).

 

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Die Serie: Arbeitszeitgestaltung in kommunalen Ordnungsdiensten

 

 

 

Susanne Aumann

Fachpraktikerin in der Kommunalverwaltung, Lehrbeauftragte am Studieninstitut für kommunale Verwaltung Aachen
 

Dr. Sascha Opielka

Leiter der Fortbildungsstelle im Polizeipräsidium Aachen
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