20.09.2021

Arbeitszeitgestaltung in kommunalen Ordnungsdiensten (1)

Qualitätskriterium salutogener Arbeitsbedingungen – Teil 1

Arbeitszeitgestaltung in kommunalen Ordnungsdiensten (1)

Qualitätskriterium salutogener Arbeitsbedingungen – Teil 1

Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

 

Kommunale Ordnungsdienste sind im Hinblick auf die Erfüllung der ordnungsbehördlichen Sicherheitsaufgaben in den Fokus der NRW-Kommunen geraten. Die meisten Kommunen verfügen inzwischen über einen Ordnungsdienst, wobei die Möglichkeiten zur Einrichtung und die konkrete Ausgestaltung neben der Finanzierung auch von der Größe der Städte und Gemeinden abhängen. Das hohe Interesse spiegelt sich bspw. in der Teilnahme der Kommunen an Veranstaltungen zu dem Thema wider (siehe z. B. Opielka & Breuer, 2019). Die Notwendigkeit für die Etablierung kommunaler Ordnungsdienste ergibt sich aus einer Vielzahl von Aspekten. Teil 1 der Reihe befasst sich mit Entwicklungen und Tendenzen im Arbeitsbereich kommunaler Ordnungsdienste.

I. Einleitung

Das subjektive Sicherheits- und Sauberkeitsempfinden in der Bevölkerung unterliegt einer stetigen Entwicklung. Gesamtgesellschaftlich ist eine Diskussion um Verrohungstendenzen, zunehmende Gewalt und Respektlosigkeit entfacht. Freizeitverhalten, damit verbunden Verstöße gegen Bestimmungen zu Lärmobergrenzen, unterliegt ebenfalls einer kontinuierlichen Veränderung. In der aktuellen Corona- Pandemie lag die Hauptlast in der Kontrolle und Umsetzung der Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes bei den Ordnungsbehörden, respektive den kommunalen Ordnungsdiensten. In der Summe ergibt sich eine Vielzahl von Aufgaben und Einsatzmöglichkeiten für kommunale Ordnungsdienste, was die Bestrebung in Richtung eines Auf- und Ausbaus als richtigen und notwendigen Schritt erscheinen lässt. Der professionelle Aufbau der Dienste ist indes alles andere als eine simple Aufgabe. Mit der Einrichtung und dem laufenden Betrieb sind Herausforderungen zu überwinden. Neben der Finanzierung spielt in dem Zusammenhang die Rekrutierung geeigneten Personals eine Rolle. Klar ist, dass sich die Berichterstattung über die zunehmende Gewalt in der Gesellschaft und Übergriffe auf Personal von Polizeien und Kommunalverwaltungen auf die Berufsattraktivität auswirkt. Weitere Aspekte sind z. B. eine einheitliche und fundierte Ausbildung sowie eine vernünftige Ausstattung der Beschäftigten. Eine nicht unwesentliche Herausforderung in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen kommunaler Ordnungsdienste liegt auch im Arbeitszeitaspekt. Aufgrund der gesellschaftlichen Abläufe liegt ein wesentlicher Teil der Arbeitszeit der Einsatzkräfte außerhalb üblicher Bürodienstzeiten der allgemeinen Verwaltung.

Als Beispiel ist hier der Einsatzanlass Ruhestörung zu nennen. Feierlichkeiten liegen i. d. R. in Abendstunden, an Wochenenden oder vor bzw. an Feiertagen. Demzufolge treten Anlässe für ein Einschreiten der Dienste auch zu diesen Zeiten auf. Arbeit entgegen der Zirkadianrhythmik steht in Zusammenhang mit gesundheitlichen Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adiposität und Krebserkrankungen (vgl. z. B. Angerer, Schmook, Efantel & Li, 2017; Knauth, Seibt, & Griefahn, 2006; oder Aumann & Opielka, 2020 zu den speziellen psychischen Belastungen kommunaler Ordnungsdiente). Insbesondere die jüngsten Entwicklungen im Arbeitsschutzrecht[1] werfen an dieser Stelle Fürsorgepflichten des Arbeitsgebers auf. Die Ansprüche an Arbeitszeitmodelle in Schichtarbeitsberufen sind nicht gering (vgl. etwa Beermann, 2009; Amlinger-Chatterjee, 2016), die Entwicklung der Modelle ist alles andere als einfach. Klar ist jedoch, dass bei dem Aufbau kommunaler Ordnungsdienste zwingend auch der Arbeitszeitaspekt und damit zusammenhängend der Blick auf physische und psychische Gesundheit vor dem Hintergrund der besonderen Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen ist.


II. Entwicklungen und Tendenzen im Arbeitsbereich kommunaler Ordnungsdienste

Wie der Deutsche Städtetag in seinem Positionspapier (2017) zusammenfasst, wird die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf kommunaler Ebene nicht mehr allein durch die Polizei gewährleistet. Kommunalverwaltungen nehmen ihre originären Zuständigkeiten als Ordnungsbehörden im Vollzug und im Außendienst seit den 90er-Jahren zunehmend selbst wahr. Zunächst lediglich in Großstädten etabliert, verfügen mittlerweile zunehmend auch kreisangehörige Gemeinden über eigene Ordnungsdienste zur Erfüllung der kommunalen Sicherheitsaufgaben (siehe dazu auch Opielka et al., 2019 oder Balzer, 2019). Dabei stellen die kommunalen Ordnungsdienste als wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in der Gesellschaft eine Schnittstelle zu den Kreispolizeibehörden dar, die in ihrer subsidiären Eilzuständigkeit ebenfalls die genannten Aufgaben wahrnehmen. Das rechtliche Arbeitsfeld bildet keine statische Konstante, da die Tätigkeit von stetigen Veränderungen der Rechtslage geprägt ist.

Neue Herausforderungen entstehen durch zusätzliche Aufgaben aufgrund von neuen oder aktualisierten Gesetzen wie

– die 2013 erfolgte Anpassung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen (Nichtraucherschutzgesetz NRW – NiSchG NRW),

– das Gesetz zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Prostituiertenschutzgesetz – ProstSchG) aus 2016 oder

– die NRW-Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) aus 2020.

Die Notwendigkeit einer zeitlichen und inhaltlichen Flexibilität ergibt sich ferner aus externen Einflüssen wie Jahreszeiten, Wochentagen oder der Witterung. Vergleichsweise warme Sommer hängen mit einer erhöhten Anzahl von Meldungen zu Ruhestörungen in Parkanlagen und Außengastronomien zusammen (vgl. Breuer, 2019). Großveranstaltungen, wie Fußballwelt- und -europameisterschaften, haben Auswirkungen auf das Freizeitverhalten und damit zwangsläufig auf die Erfordernisse der Präsenz kommunaler Ordnungsdienste. Nicht abzusehen ist, welche gesellschaftlichen Entwicklungen und damit verbunden Herausforderungen es in dem Berufsfeld in den nächsten Jahren zu bewältigen gilt. Klar ist indes, dass sich die kommunalen Ordnungsdienste immer wieder neu ausrichten müssen und die Aufgaben im Wandel bleiben werden.

Die Dynamik rd. um kommunale Ordnungsdienste geht keineswegs an den Verantwortlichen vorbei. Im November 2019 nahmen rd. 190 Personen aus den NRW-Kommunen am Praxisdialog „Kommunale Ordnungsdienste in NRW – quo vadis?“ an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) NRW teil. Im Rahmen der Veranstaltung wurden von den Teilnehmenden stark veränderte Aufgaben beschrieben sowie der Wunsch nach Standards für eine einheitliche Ausbildung des Personals und einer geeigneten Ausstattung formuliert (weitere Ausführungen siehe Opielka et al. 2020). Eine weitere Entwicklung im Zusammenhang mit kommunalen Ordnungsdiensten betrifft die mediale Berichterstattung. Während die Presse zu den Aufgaben kommunaler Ordnungsdienste bislang wenig günstig erschien, wurde die Arbeit im Rahmen der Corona-Pandemie stark medial begleitet, wodurch die kommunalen Ordnungsdienste in der öffentlichen Wahrnehmung präsenter geworden sind (siehe dazu Aumann & Opielka, 2020). Diese Entwicklung unterstützt eine Imagesteigerung, was wiederum der Attraktivität des Berufsbildes und der Akquise von geeignetem Personal dienen kann.

Weniger günstig wirken sich Berichte zu Konflikten im Rahmen der Aufgabenerfüllung aus. Auf der Hand liegt, dass Berichte zu restriktivem Einschreiten und Außerachtlassung der Ermessensspielräume Auswirkungen auf die öffentliche Meinungsbildung haben. Gleiches gilt auch für Fehlverhalten vonseiten der Bürgerschaft wie Gewaltangriffe gegen Beschäftigte der Ordnungsdienste. Letzteres hat darüber hinaus auch einen Effekt auf die i. S. d. Rekrutierung geeigneten Personals wichtige Berufs- und Arbeitgeberattraktivität (weitere Ausführungen zur Arbeitgeberattraktivität siehe z. B. Holste, 2020; Busch & Hartmann, 2013). Zusammengefasst befindet sich die Tätigkeit kommunaler Ordnungsdienste in einem Spannungsfeld aus knappen personellen Ressourcen, einer stetig wachsenden und sich verändernden Aufgabenvielfalt sowie der fokussierten öffentlichen Wahrnehmung. Bei aller Betrachtung der Dynamik im Thema darf keinesfalls außer Acht gelassen werden, dass die Tätigkeit der Ordnungsdienste in Zeiträumen gesellschaftlichen Freizeitverhaltens erforderlich ist und damit unweigerlich der Aspekt geeigneter Arbeitszeitmodelle in den Vordergrund rückt.

 

Erschienen in apf Heft 11/12 2020

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

 

[1] Veränderung des Arbeitsschutzgesetzes – Verpflichtung der Arbeitgeber zur Vorsorge vor psychischen Gefährdungen und Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen.

 

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Die Serie: Arbeitszeitgestaltung in kommunalen Ordnungsdiensten

 

 

 

Susanne Aumann

Fachpraktikerin in der Kommunalverwaltung, Lehrbeauftragte am Studieninstitut für kommunale Verwaltung Aachen
 

Dr. Sascha Opielka

Leiter der Fortbildungsstelle im Polizeipräsidium Aachen
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