27.09.2021

Streit der Eltern über Schutzimpfung des Kindes: STIKO-Empfehlung entscheidet

Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 08.03.2021 – 6 UF 3/21

Streit der Eltern über Schutzimpfung des Kindes: STIKO-Empfehlung entscheidet

Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 08.03.2021 – 6 UF 3/21

Ein Beitrag aus »RdW Kurzreport« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
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Vorbemerkung zur STIKO

In Zeiten der aktuellen Corona-Pandemie werden der allgemeinen Öffentlichkeit Behörden und Institutionen bekannt, die ansonsten ein eher unbekanntes Dasein fristen. So auch die Ständige Impfkommission (STIKO). Die STIKO ist ein unabhängiges Expertengremium, dessen Tätigkeit von der Geschäftsstelle im Fachgebiet Impfprävention des Robert Koch- Instituts koordiniert wird. Die STIKO wurde im Jahr 1972 beim damaligen Bundesgesundheitsamt eingerichtet.

Aufgrund der Bedeutung ihrer Impfempfehlungen wurde sie mit dem Infektionsschutzgesetz im Jahr 2001 gesetzlich verankert. Seit dem Jahr 2007 sind die von der STIKO empfohlenen Impfungen Grundlage für die Schutzimpfungsrichtlinie (SI-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dies zeigt, dass die STIKO also Impf- Empfehlungen nicht erst neuerdings im Rahmen der Corona-Pandemie ausspricht, sondern für sämtliche Impfungen, beginnend im Säuglings- und Kindesalter. Die STIKO genießt somit auf dem Gebiet »Impfen« hohe Kompetenz, die auch im Privatbereich von Familien von Bedeutung sein kann.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main1 hatte sich mit der Frage zu befassen, was passiert, wenn die Eltern sich nicht darüber einigen können, ob ihr Kind eine Schutzimpfung gegen eine Krankheit erhalten soll.


Der Sachverhalt

Die Eltern eines 2018 geborenen Kindes übten gemeinsam die elterliche Sorge aus. Die Mutter wollte das Kind gemäß den Empfehlungen der STIKO impfen lassen. Der Vater war damit jedoch nicht einverstanden. Er verlangte eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes. Die Mutter beantragte deshalb beim Amtsgericht, ihr die Entscheidung über Standardimpfungen zu übertragen. Ebenso wie das Amtsgericht folgte auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main diesem Antrag der Mutter.

Orientierung an STIKO-Empfehlungen

Wenn sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, so kann auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen werden (§ 1628 S. 1 BGB).

Fraglos sei die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen eine derartige Angelegenheit von »erheblicher Bedeutung«, so das Gericht. Gehe es um eine Angelegenheit der Gesundheitsvorsorge, sei die Entscheidung des Gerichts zugunsten des Elternteils zu treffen, der insoweit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolge. Bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Schutzimpfungen – wie hier – auf einen Elternteil könne grundsätzlich darauf abgestellt werden, dass ein Elternteil Impfungen offen gegenüberstehe und seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiere, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfe. Es könne davon ausgegangen werden, dass eine an den Empfehlungen der STIKO orientierte Entscheidung der Kindesmutter für vorzunehmende Impfungen im Ausgangspunkt das für das Kindeswohl bessere Konzept darstelle.

Bei der Abwägung zwischen Risiken einer Impfung und Risiken bei unterbliebener Impfung könne die Entscheidung auf den Elternteil übertragen werden, der den fachlichen Empfehlungen der STIKO folge. Diesen Empfehlungen komme die Funktion eines vorweggenommenen Sachverständigengutachtens zu. Da nach den Empfehlungen der STIKO die Impffähigkeit in der konkreten Situation unter Berücksichtigung etwaiger Kontraindikationen ärztlich zu prüfen sei, bedürfe es auch keiner allgemeinen gerichtlichen Aufklärung der Impffähigkeit des Kindes. Der Sorge des Vaters um die körperliche Unversehrtheit des Kindes im Hinblick auf den Impfvorgang selbst trügen die Empfehlungen der STIKO ebenfalls bereits Rechnung. Denn für den Impfvorgang würden ebenfalls eine am Kindeswohl orientierte Vorgehensweise mit im Einzelnen dargestellten Handlungsvorschlägen empfohlen. Somit war der Mutter die Entscheidung über die Durchführung von Impfungen bei dem gemeinsamen Kind zu übertragen.

 

1 Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 08.03.2021 – 6 UF 3/21

RdW 10/2021, Rn 183

 

Klaus Krohn

Lektor im Fachbereich Steuerrecht, Richard Boorberg Verlag
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