12.01.2021

Abmahnung muss angemessen und verhältnismäßig sein

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln

Abmahnung muss angemessen und verhältnismäßig sein

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln

Jegliche Nutzung privater Mobilfunktelefone (Handys und Smartphones inklusive aller Zusatzfunktionen) waren während des Einsatzes an den Kontrollstellen untersagt. | © agnormark - stock.adobe.com
Jegliche Nutzung privater Mobilfunktelefone (Handys und Smartphones inklusive aller Zusatzfunktionen) waren während des Einsatzes an den Kontrollstellen untersagt. | © agnormark - stock.adobe.com

Dienstliche Abmahnungen müssen angemessen und verhältnismäßig sein. Wenn bei einem Vorfall unterschiedliche Rechtsverletzungen vorliegen, ist es aus diesem Grund sicherer, mehrere getrennte Abmahnungen auszusprechen statt einer einzelnen »Sammel-Abmahnung«.

Eine Mitarbeiterin war bei einem Flughafen als Sicherheits- und Kontrollkraft beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte es, die Sicherheit eines ordnungsgemäßen Flughafenbetriebes und damit auch die Sicherheit des über den Flughafen abgewickelten Flugverkehrs zu gewährleisten. Im August 2018 wurde die Mitarbeiterin gegen Mittag vom Stationsleiter an der Kontrollstelle eines Tores angetroffen, als sie ihr privates Mobiltelefon benutzte. Nach der geltenden allgemeinen Dienstanweisung war jegliche Nutzung privater Mobilfunktelefone (Handys und Smartphones inklusive aller Zusatzfunktionen) während des Einsatzes an den Kontrollstellen untersagt.

Wegen der unerlaubten Nutzung ihres Mobiltelefons war die Mitarbeiterin bereits im Mai 2018 aufgefallen und damals zunächst nur mündlich ermahnt und über die Notwendigkeit der Einhaltung der Dienstanweisung belehrt worden. Wegen des erneuten Verstoßes gegen diese Dienstanweisung erhielt sie im September 2018 eine Abmahnung.


Im Januar 2018 hatte die Mitarbeiterin darüber hinaus drei Abmahnungen erhalten, weil sie wenige Tage zuvor die Kontrollstelle verlassen hatte, ohne sich vorher bei der Objektleitung abzumelden. Sie war mit einem ausschließlich für dienstliche Zwecke bereitstehenden Dienstfahrzeug wegen eines angeblichen dringend notwendigen Toilettenbesuchs über das sog. Vorfeld gefahren, obwohl sie für das Vorfeld keine erforderliche Sonderfahrerlaubnis hatte. An der Kontrollstelle war eine Chemietoilette bereitgestellt. Deshalb erhielt sie je eine Abmahnung für die unerlaubte Entfernung von der Kontrollstelle, die unzulässige Nutzung des Dienstfahrzeuges und für das Befahren des Vorfeldes ohne Sonderfahrerlaubnis.

Die Mitarbeiterin erhob Klage auf Entfernung der vier Abmahnungen aus ihrer Personalakte. Sie meinte, sie habe während der Nutzung ihres Handys nichts zu tun gehabt. Es sei ihr nicht zuzumuten, während der Arbeitszeit »in die Sterne zu gucken«. Ihre Arbeitgeberin habe nämlich ihre Beschäftigungspflicht verletzt. Der Toilettenbesuch beruhe auf einem Notfall. An der damaligen Einsatzstelle habe keine zumutbare Räumlichkeit zur Verfügung gestanden.

Die Klage war weder vor dem Arbeitsgericht noch vor dem Landesarbeitsgericht Köln[1] erfolgreich.

Handyverbot war rechtmäßig

Auch nach Meinung des Landesarbeitsgerichts waren die vier Abmahnungen rechtswirksam erteilt worden. Rechtliche Bedenken gegen das Verbot, während der dienstlichen Einsatzzeiten private Mobiltelefone zu benutzen, bestünden nicht. Der Arbeitsauftrag der Mitarbeiterin erfordere während der Einsatzzeiten an den Kontrollstellen ihre ständige Aufmerksamkeit und Einsatzbereitschaft. Durch ein Mobiltelefon bestünde die potenzielle Gefahr der Ablenkung.

Auch sei das generelle Verbot der Handynutzung nicht zu beanstanden. Ein eingeschränktes Verbot, das beispielsweise danach gestaltet sei, wie viel Arbeit an der Einsatzstelle gerade konkret anfiele, wäre unpraktikabel und nicht rechtssicher handhabbar. Die Arbeitsaufgabe einer Sicherheitsfachkraft erfordere ständige Aufmerksamkeit. Leerlaufzeiten kämen auch in anderen Berufen vor, z.B. bei einer Verkäuferin im Einzelhandel. Das Argument, die Arbeitgeberin habe ihr Beschäftigungsrecht verletzt, liege erkennbar neben der Sache.

Mehrere Abmahnungen möglich

Die anderen drei Abmahnungen wegen des vermeintlich dringenden Toilettenbesuchs verstießen nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Arbeitgeberin durfte drei einzelne anstatt einer einzigen Abmahnung für diesen Vorfall aussprechen. Denn würden mehrere Rechtsverstöße in einer einzigen Abmahnung erfasst, müsste die gesamte Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden, wenn nur ein Teil der Abmahnung nicht ordnungsgemäß sei. Die personelle Besetzung der Kontrollstelle sei während der Abwesenheit der Mitarbeiterin nicht mehr gewährleistet gewesen. Die Mitarbeiterin habe ihrer Arbeitgeberin keine Chance gegeben, zeitnah für eine Ersatzkraft zu sorgen. Eine Abmeldung bei der Objektleitung müsste der Mitarbeiterin möglich gewesen sein, denn sie habe das Dienstfahrzeug aufsuchen, dieses in Gang gesetzt und unter Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit eine etwa einen Kilometer entfernte Toilettenanlage aufsuchen können.

Auch die Abmahnung wegen der Nutzung des Dienstfahrzeuges sei berechtigt, da das Dienstfahrzeug zweckentfremdet worden und vorübergehend seiner bestimmungsgemäßen dienstlichen Funktion entzogen worden sei. Schließlich sei auch die Abmahnung wegen des Fehlens der erforderlichen Sonderfahrerlaubnis berechtigt. Es handle sich nicht um eine unbedeutende Dienstverletzung.

Praxistipp:

Das Urteil bestätigt die rechtssicherere Vorgehensweise, anstelle einer »Sammel-Abmahnung« für mehrere einzelne Rechtsverstöße getrennte Abmahnungen auszusprechen, auch wenn sie insgesamt auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt beruhen.

Besprochen in RdW 2020, Heft 22, Randnummer 405.

[1] Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. 12. 2010 – 7 Sa 444/19.

 

Christian Vetter

Rechtsanwalt
n/a