31.10.2022

Was wird aus den verfassungswidrigen Corona-Bußgeldern? (1)

Folgen der Nichtigkeitserklärung von Straf- und Ordnungswidrigkeitenvorschriften durch den Thüringer Verfassungsgerichtshof (Teil I)

Was wird aus den verfassungswidrigen Corona-Bußgeldern? (1)

Folgen der Nichtigkeitserklärung von Straf- und Ordnungswidrigkeitenvorschriften durch den Thüringer Verfassungsgerichtshof (Teil I)

Ein Beitrag aus »Thüringer Verwaltungsblätter« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Thüringer Verwaltungsblätter« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Am 01.03.2021 hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof (ThürVerfGH) durch Urteil die Coronaschutzverordnungen für Mai 2020 ganz und für Juni bis November 2020 teilweise für mit der Thüringer Landesverfassung unvereinbar und nichtig erklärt.1 Durch Beschluss vom 14.12.2021 hat er zudem einzelne Bestimmungen einer Coronaschutzverordnung von Dezember 2020 für nichtig erklärt.2 Dies betrifft jeweils auch Ordnungswidrigkeitenvorschriften, die zur Durchsetzung der Coronaregeln eingeführt wurden. (Teil I).

A. Nichtige Ordnungswidrigkeitenvorschriften

Damit ist die Rechtsgrundlage3 für mehrere hundert bis mehrere tausend4 Bußgeldbescheide weggefallen, die mangels fristgerechten Einspruchs rechtskräftig geworden sind oder bei denen der Einspruch bereits vor der Verfassungsgerichtsentscheidung rechtskräftig beschieden wurde. Was passiert nun mit diesen Bescheiden und den gezahlten Bußgeldern?

Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie sieht nach Medienberichten keinen Handlungsbedarf:5 Das Urteil betreffe nur die Bußgeldbescheide derjenigen, die rechtzeitig Einspruch eingelegt hätten und deren Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen seien. Aus diesem Anlass soll untersucht werden, welche Auswirkungen die Nichtigkeitserklärung einer Straf- oder Ordnungswidrigkeitenvorschrift durch den ThürVerfGH auf rechtskräftig abgeschlossene Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitsverfahren hat.


Prinzipiell denkbar ist dabei vieles, von einer automatischen Nichtigkeit der Urteile bis hin zu gar keinen Auswirkungen. Die wenigen geschriebenen Rechtsvorschriften zu diesem Komplex (B.) deuten aber darauf hin, dass sich die Frage darauf verengt, ob betreffende Verfahren wiederaufgenommen werden können oder unverändert abgeschlossen bleiben.

Dabei ist zunächst die Wiederaufnahmemöglichkeit für Strafverfahren zu prüfen (C.), um darauf aufbauend die Erstreckung dieser Regelung auf Ordnungswidrigkeitenverfahren zu untersuchen (D.). Abschließend können daraus folgende Handlungsmöglichkeiten für Rechtspraxis und Politik beleuchtet werden (E.).

B. Rechtsgrundlagen

Das Thüringer Landesrecht enthält keine expliziten Regelungen zu den Folgen der Nichtigerklärung einer Norm durch den ThürVerfGH für Einzelakte, die auf dieser Norm beruhen. Dies entspricht der Lage in den meisten anderen Bundesländern.6 Das Bundesrecht enthält aber drei Regelungen zu diesem Komplex: § 79 BVerfGG regelt diese Frage für nicht mehr anfechtbare Einzelakte, die auf einer vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für nichtig erklärten Norm beruhen.

Dieser lautet: (1) Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. (2)

Im Übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. Soweit die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung durchzuführen ist, gilt die Vorschrift des § 767 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind ausgeschlossen. Die gleiche Regelung wie § 79 Abs. 2 BVerfGG enthalten auch § 183 VwGO und § 157 FGO für die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen der Gerichte der Verwaltungs- bzw. Finanzgerichtsbarkeit, wenn ein Landesverfassungsgericht eine landesrechtliche Norm für nichtig erklärt, allerdings nur „vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung durch das Land“. Nach § 47 Abs. 5 Satz 3 VwGO gilt § 183 VwGO entsprechend, wenn das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle tätig wird.

Zur Frage, was mit Bußgeldbescheiden auf der Grundlage einer vom ThürVerfGH für nichtig erklärten Norm passiert, gibt dieser Befund im geschriebenen Recht erst mal nichts her. Es liegt aber nahe, der Sache nach § 79 BVerfGG anzuwenden. Für den von einem bereits vollstreckten Bußgeldbescheid Betroffenen würde allein eine Wiederaufnahmemöglichkeit vergleichbar zu § 79 Abs. 1 BVerfGG (oder eine – aus praktischen Gründen fernliegende – Nichtigkeit des Bußgeldbescheides ipso jure) helfen. Eine Rücknahme des rechtskräftigen Bußgeldbescheides durch die Verwaltungsbehörde vergleichbar mit § 48 VwVfG ist im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht vorgesehen.7 Deswegen soll im Folgenden die Möglichkeit der Wiederaufnahme von Ordnungswidrigkeitenverfahren im genannten Fall geprüft werden.

C. Möglichkeit der Wiederaufnahme von Strafverfahren

Zunächst soll untersucht werden, ob überhaupt eine dem § 79 Abs. 1 BVerfGG entsprechende Regelung für den ThürVerfGH gilt, also Strafverfahren im engeren Sinne wiederaufgenommen werden können. Im Ergebnis wird eine Anwendung der Regelung des § 79 Abs. 1 BVerfGG in der Sache bei landesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen fast durchgängig bejaht.8 Die Begründungslinien dafür unterscheiden sich aber und sind selten mehr als angedeutet.9 Stellungnahmen zur Anwendung von § 79 Abs. 2 BVerfGG auf Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte sind etwas häufiger zu finden.10

I. Anwendbarkeit des § 79 Abs. 1 BVerfGG

79 Abs. 1 BVerfGG gilt seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung im BVerfGG nach unmittelbar nur für die Nichtigerklärung von Gesetzen durch das BVerfG. Mangels ausdrücklicher Regelungen zu dieser Frage im Bundesprozessrecht kommt aber eine analoge Anwendung auf die Nichtigerklärung von Landesgesetzen durch Landesverfassungsgerichte in Betracht. Dass die Situationen von Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit vergleichbar sind, ist evident, aber die Frage, ob eine durch Analogie zu füllende Lücke vorliegt, ist diskussionswürdig.

Eine Lücke im Bundesrecht kann überhaupt nur vorliegen, wenn der Bund zu dieser Frage die Gesetzgebungskompetenz hat. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3, 4 GG hat der Bund konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren. Diese umfasst das Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, nach einhelliger Auffassung aber nicht die Errichtung und das Prozessrecht der Landesverfassungsgerichte.11 Für Letzteres sind die Länder alleine zuständig. Die hier fragliche Regelung der Folgen einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts für abgeschlossene Verfahren der Fachgerichtsbarkeit steht auf der Grenze zwischen Prozessrecht der Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsprozessrecht.

Die Frage, wo dies einzuordnen ist, liegt parallel zur umstrittenen Frage, ob sich § 79 BVerfGG auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG oder Art. 94 Abs. 2 Satz 1 GG stützt, was Folgen für die Geltung von § 79 Abs. 2 BVerfGG für rein landesrechtliche Verwaltungsakte hat.12 Die Frage der Entscheidungswirkungen ist eng verbunden mit den Regelungen über die Entscheidung (nur feststellend, kassierend …) selbst und den staatsorganisationsrechtlichen Weichenstellungen, die bei der Errichtung eines Landesverfassungsgerichts getroffen werden, was für die Einordnung als Verfassungsprozessrecht spricht.

Der Landesgesetzgeber ist bei Ausgestaltung der Befugnisse seines Landesverfassungsgerichts allerdings nicht völlig frei; das in Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 GG vorgesehene Verfahren der konkreten Normenkontrolle zum Landesverfassungsgericht zwingt dazu, eine solche Verfahrensart einzurichten und dem Landesverfassungsgericht Normverwerfungskompetenz zu geben.13 Wenn der Bund eine solche Kompetenz vorschreibt, ist es nur folgerichtig, ihm auch die Ausgestaltung der Folgen für das Bundesprozessrecht zu erlauben. Schließlich muss sich das gegebenenfalls durchzuführende weitere Verfahren auch in das sonstige Prozessrecht einfügen. Es könnte sonst eine eigenständiges landesrechtliches Parallelprozessrecht für die Fachgerichtsbarkeit entstehen, das die Klärung der Folgen der Nichtigkeit für den konkreten Prozessgegenstand zum Gegenstand hat. Das ist für die punktuellen Einwirkungen bei der Verzahnung einer Verfassungsbeschwerde mit dem Ausgangsverfahren hinnehmbar, sodass dafür die Länder ausschließlich zuständig sind,14 nicht aber für die größeren Auswirkungen der Nichtigerklärung von Gesetzen.

Aus diesen Gründen ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 GG so auszulegen, dass diese Schnittstelle von Fach- und Landesverfassungsprozessrecht in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes fällt.15 Es ist also möglich, dass bezüglich dieser Frage im Bundesprozessrecht eine ausfüllungsbedürftige Lücke herrscht. Es könnte aber auch implizit eine Regelung erfolgt sein, dass landesverfassungsgerichtliche Nichtigerklärungen keine Auswirkungen auf rechtskräftig abgeschlossene Verfahren haben, indem in den Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens die Entscheidungen von Landesverfassungsgerichten nicht genannt werden. Andererseits kann der Bundesgesetzgeber im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, also auch im Prozessrecht, dem Landesgesetzgeber das Feld überlassen, indem er einfach nicht regelt.16 Die Wiederaufnahmevorschriften gelten nach allgemeiner Ansicht als abschließende Kataloge, in denen Analogien, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen möglich sind.17 In § 183 Satz 1 VwGO und § 157 Satz 1 FGO hat der Bundesgesetzgeber aber gerade angeordnet, dass die Rechtskraft verwaltungs- und finanzgerichtlicher Urteile in solchen Konstellationen nur vorbehaltlich anderslautender landesrechtlicher Regelungen gilt.

Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Selbstbeschränkung des Bundesrechtes nur für diese beiden Gerichtsbarkeiten gelten sollte. Vielmehr hat der Bundesgesetzgeber in den anderen Prozessordnungen auf eine subsidiäre Regelung, für den Fall, dass keine Landesgesetze erlassen werden, verzichtet und gar keine Regelung dieses Falles geschaffen.18 Damit liegt zwar eine Lücke im Bundesrecht vor, die aber nicht ausfüllungsbedürftig, sondern plangemäß ist. Der Bundesgesetzgeber hätte die Frage der Folgen einer landesverfassungsgerichtlichen Nichtigerklärung von Gesetzen für rechtskräftige Urteile der Fachgerichte regeln können, hat sich aber dagegen entschieden und dies den Landesgesetzgebern überlassen. Für eine analoge Anwendung des § 79 Abs. 1 BVerfGG als Bundesrecht auf diese Konstellation ist somit kein Raum.19

 II. Hineinlesen des § 79 Abs. 1 BVerfGG in das ThürVerfGHG

Der Thüringer Landesgesetzgeber hat diese – auf seiner Ebene regelungsbedürftige – Frage keiner ausdrücklichen Regelung zugeführt. Er hat sich allerdings bei der Abfassung des Thür- VerfGHG so weitgehend am BVerfGG orientiert, dass die Idee naheliegt, bei einer Regelungslücke in Ersterem die Vorschriften des Letzteren heranzuziehen. Jedoch kann die Nichtübernahme einer BVerfGG-Vorschrift auch daher rühren, dass der Landesgesetzgeber in Kenntnis dieser Regelung gerade einen anderen Weg wählen wollte.20 Die Auffangklausel des § 12 ThürVerfGHG, die vorsieht, subsidiär die „allgemeinen Regeln deutschen Verfahrensrechts“ nach dem Ermessen des ThürVerfGH heranzuziehen, ist dabei nicht anwendbar. Es geht nicht um eine Verfahrensfrage im eigentlichen Sinne, sondern um die Wirkung der Entscheidung im Verfahrensrecht anderer Gerichte, sodass die ausdrücklich genannten StPO, VwGO und ZPO nicht weiterhelfen können. Auch hat der ThürVerfGH keine Gelegenheit, sein Ermessen auszuüben. Allerdings deutet die Regelung darauf hin, dass auch über den eigentlichen Anwendungsbereich der Norm hinaus ein Rückgriff auf fremdes Verfahrensrecht im weiteren Sinne dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich entspricht.

Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass der Landtag die Regelung des § 79 BVerfGG bewusst nicht in das ThürVerfGHG übernommen hat. Umgekehrt spricht viel für den Rückgriff auf das BVerfGG: Der Gesetzentwurf der Landesregierung benennt ausdrücklich eine Anlehnung „an entsprechende Regelungen des Bundes und der übrigen Länder über ihre Verfassungsgerichtsbarkeit“.21 Nur wegen des Klarheitsgewinns durch eine zusammenfassende Darstellung habe man auf eine ausdrückliche Inbezugnahme verzichtet. Für die Einzelheiten der bindenden Wirkung der Entscheidungen des ThürVerfGH für alle staatlichen Stellen (§ 25 Abs. 1 ThürVerfGHG) verweist die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die Literatur und Rechtsprechung zu § 31 BVerfGG.22

Das betrifft zwar nicht direkt die hier relevante Frage, deutet aber darauf hin, dass der Landesgesetzgeber mit einem Rückgriff auf das Bundesrecht für die Ermittlung der Entscheidungswirkungen grundsätzlich einverstanden ist. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren gibt es keine Hinweise, die den Befund bezüglich des Gesetzentwurfes verändern würden. Eine Änderung des Gesetzentwurfes in der Beschlussempfehlung23 und Änderungsanträge24 betrafen die Einzelheiten der Auswahl der Richter (Wohnsitzerfordernis in Thüringen, Frauenquote, Wahlverfahren).

Die im Plenum diskutierten Fragen waren ebenfalls andere; bezüglich der grundlegenden Regelungen, die mit denen im Bund und den anderen Ländern übereinstimmen, herrschte große Einigkeit.25 Angesichts dieses Befundes der Gesetzgebungshistorie und Systematik, ist es angemessen, das BVerfGG zur Lückenfüllung bei fehlenden Regelungen zur Entscheidungswirkung im ThürVerfGHG heranzuziehen. Dafür muss eine Lücke vorliegen.

Das ThürVerfGHG enthält nur eine ausdrückliche Regelung zur Erklärung eines Gesetzes für nichtig oder mit der Verfassung unvereinbar (§§ 37 Abs. 4, 44, 47 Abs. 2 ThürVerfGHG), aber keine Regelung zu den Folgen dieser Entscheidung für abgeschlossene Einzelakte, die auf dem Gesetz beruhen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Thüringer Landesgesetzgeber den ihm bundesrechtlich überlassenen Entscheidungsspielraum in dieser Frage durch Schweigen ausgeübt hat. Das ThürVerfGHG enthält somit diesbezüglich eine Lücke, die durch die entsprechende Anwendung des § 79 BVerfGG zu füllen ist.

III. Anwendung als allgemeiner Rechtsgedanke

Man mag aber Bedenken haben, eine Norm des Bundesgesetzgebers quasi analog zur Füllung einer Lücke im Normprogramm des Landesgesetzgebers anzuwenden.26 Die Methode der Analogie beruht schließlich auf der Annahme, dass der Gesetzgeber sich innerhalb seines Gesetzgebungswerkes von konsistenten Wertungen leiten lässt und wertungsmäßig gleiche Fälle gleich behandelt.27

Bei einer Quasi-Analogie von Bundes- im Landesrecht handelt es sich nicht um denselben Gesetzgeber, sodass es eher Rechtsvergleichung28 denn Analogie ist. Alternativ zu diesem unter II. diskutierten Weg könnte sich eine Wiederaufnahmemöglichkeit für Strafverfahren entsprechend § 79 Abs. 1 BVerfGG aber auch aus einem allgemeinen Rechtsgedanken ergeben, der zur Füllung der Lücke im ThürVerfGHG herangezogen wird.29 Bei der Frage der Wiederaufnahme stehen sich die materielle Gerechtigkeit und Durchsetzung des Vorrangs der Verfassung30 im Einzelfall und die Rechtsbeständigkeit bzw. -sicherheit gegenüber, zwei im Rechtsstaatsprinzip verankerte hochrangige Prinzipien von Verfassungsrang.31

Der Gesetzgeber ist dabei verfassungsrechtlich weitgehend frei, welchem Prinzip er in dieser Konstellation zum Durchbruch verhilft.32 Allerdings hat der dazu berufene Thüringer Landesgesetzgeber diese Entscheidung nicht getroffen. Deshalb muss aus den verfassungsrechtlichen Wertungen eine Grundregel ermittelt werden, die mangels gesetzlicher Regelung zur Lückenfüllung angewandt wird. Durch ein Strafurteil (im technischen Sinne) wird dem Verurteilten ein Übel – Verlust an Freiheit oder Vermögen – zugefügt, das auf einem „Unwerturteil“ beruht:33

Sein Verhalten sei nicht bloß rechtswidrig (das stellt auch ein zivilrechtliches Schadenersatzurteil fest), sondern so sozialschädlich, dass der Staat die Sühne zu seiner Sache macht. Daraus folgt der länger anhaltende „Makel“34 der Strafe, der sich auch in der Eintragung im Bundeszentralregister niederschlägt. Wegen dieser persönlichkeitsrelevanten Folge ist für die Bestrafung auch ein über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinausgehender Gesetzesvorbehalt vorgesehen (Art. 103 Abs. 2 GG).35

Wenn nun das Strafurteil auf einer vom ThürVerfGH für mit der Landesverfassung unvereinbar und nichtig erklärten Strafnorm beruht, ist jemand auf Dauer oder zumindest für längere Zeit mit dem Strafmakel belastet, der nicht gegen ein geltendes Strafgesetz verstoßen hat.36 Dass derjenige unschuldig ist, steht auch zweifelsfrei fest, da der ThürVerfGH die Strafnorm endgültig, mit Gesetzeskraft37 und ex tunc für nichtig erklärt hat. Zwar mögen die sozialen Folgen der Verurteilung durch den Verweis auf die Entscheidung des ThürVerfGH gemildert werden können, aber zumindest die rechtlichen bleiben bestehen und das Strafrecht würde seine soziale Orientierungsfunktion aufgeben, wenn es derart widersprüchliche Gerichtsentscheidungen nebeneinanderstehen ließe.

Vor diesem Hintergrund ist der Durchsetzung des Vorrangs der Verfassung und der materiellen Gerechtigkeit im Einzelfall bei Strafurteilen ein sehr hohes Gewicht einzuräumen. Dies steht im Interesse des Verurteilten, da es aber auch um die Durchsetzung der Verfassung geht, auch im öffentlichen Interesse.38 Hingegen wäre es für den Verurteilten möglich gewesen, durch rechtzeitige Verfassungsbeschwerde selbst das Gesetz für nichtig erklären und sein Urteil aufheben zu lassen.39 Schließlich gibt es auch sonst keine Wiederaufnahme bei bloßen Rechtsfehlern, auch nicht bei Rechtsprechungsänderungen.40

Allerdings darf der Bürger ein höheres Vertrauen in die Gültigkeit von (formellen und materiellen) Gesetzen setzen als in die Beständigkeit von Rechtsansichten. Man darf von Gesetz- und Verordnungsgeber eine gründliche Prüfung und hohe Kompetenz erwarten.41 Deswegen wird das Interesse an einer Aufhebung der Entscheidung auf verfassungswidriger Grundlage durch die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde nicht aufgehoben, sondern allenfalls gemindert.

Dem entgegen steht die Rechtssicherheit und -beständigkeit, das Interesse, sich auf eine einmal gefällte Entscheidung verlassen zu können. Weder Staat noch Gesellschaft haben allerdings ein legitimes Interesse daran, jemanden weiter als Straftäter zu behandeln, der gegen kein geltendes Strafgesetz verstoßen hat. Die Wahrheitsfindung, auch im Interesse der Opfer, wird nicht beeinträchtigt, wenn nachträglich ohne Beeinträchtigung der Tatsachenfeststellungen42 der Strafausspruch geändert wird.

Dem Interesse des Verurteilten, mit der Sache nicht weiter behelligt zu werden, wird dadurch Rechnung getragen, dass ein Wiederaufnahmeverfahren regelmäßig seinen Antrag voraussetzt; die Staatsanwaltschaft kann es zwar auch gegen seinen Willen beantragen,43 wird das aber im Rahmen ihres Ermessens wohl nur bei einem besonderen öffentlichen Interesse tun. Es bleibt nur das Interesse des Staates, seine Justizressourcen nicht mit eigentlich abgeschlossenen Verfahren zu belasten. Im Normalfall werden solche Verfahren allerdings nicht aufwendig sein, da bloß auf der Grundlage der Entscheidung des Thür-VerfGH die Strafnorm aus dem Ausspruch zu tilgen ist. Komplizierter kann es allenfalls werden, wenn an die Stelle der nichtigen Norm eine zuvor verdrängte tritt.44

Das rein fiskalische Interesse an der Verhinderung von Wiederaufnahmeverfahren kann in dieser Konstellation das Interesse des Verurteilten an der Beseitigung des in verfassungswidriger Weise entstandenen Strafmakels nicht übersteigen. Damit ergibt sich ein allgemeiner Rechtsgedanke des Inhalts, dass ein Strafmakel, der von einem auf einem verfassungswidrigen Gesetz basierenden Urteil herrührt, zu beseitigen ist. Aufgrund der Unzulänglichkeiten des Gnadenverfahrens45 kommt dafür nur die Wiederaufnahme in Betracht. Ob dieser Gedanke sogar ein Satz des Verfassungsrechts ist und auch gegen eine gesetzgeberische Entscheidung wirken würde46 oder ob es sich nur um die Rückfallregel handelt und der Gesetzgeber die in Rede stehenden Güter anders gewichten kann,47 braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Jedenfalls lässt sich bei derzeitigem Stand der Thüringer Rechtslage auch mittels allgemeiner Erwägungen ein dem § 79 Abs. 1 BVerfGG inhaltlich entsprechender Satz finden, der die Regelungslücke zu schließen vermag.

 

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag wird fortgesetzt.

Entnommen aus ThürVBl. 8/2022, S. 173.

1 ThürVerfGH, Urt. v. 01.03.2021 – VerfGH 18/20 –.

2 ThürVerfGH, Beschl. v. 14.12.2021 – VerfGH 117/20 –.

3 Jeweils die Bestimmung der Verordnung i. V. m. § 73 Abs. 1 a Nr. 24 IfSG.

4 Allein im Mai 2020 wurden mindestens (die statistische Erfassung ist sehr lückenhaft) 364 Bußgeldverfahren aufgrund der Coronaverordnung eingeleitet, Antwort auf Kleine Anfrage, LT-Drs 7/3378, S. 2.

5 Mudra, Thüringische Landeszeitung v. 06.03.2021, 2.

6 Eigene Reglungen: § 40 Abs. 2, 3 StGHG Hessen, § 26 Abs. 4 VerfGHG Rheinland-Pfalz; identische Regelung zum Bund: § 46 VerfGHG Saarland, § 43 LVerfGG Schleswig-Holstein; Verweis auf § 79 BVerfGG: § 24 VerfGHG Sachsen.

7 Ellbogen, in: Mitsch (Hrsg.), KK-OWiG, 5. Aufl., 2018, § 69 Rn. 28.

8 Hannich, in: Rebmann/Roth/Herrmann (Begr.)/Förster et al. (Bearb.), OWiG, 3. Aufl., 30. Lieferung (März 2021), § 85 Rn. 16; Krenberger/ Krumm, OWiG, 6. Aufl., 2020, § 85 Rn. 26; Lemke/Mosbacher, OWiG, 2. Aufl., 2005, § 85 Rn. 15; Habetha/Ulrich, in: Gassner/Seith (Hrsg.), HK-OWiG, 2. Aufl., 2020, § 85 Rn. 13; Pietzner, in: Schoch/Schneider (Hrsg.), VwGO, 61. Ergänzungslieferung (Juli 2021), § 183 Rn. 50; Preiser, NJW 1962, 844, 847; Bajohr, Die Aufhebung rechtsfehlerhafter Strafurteile im Wege der Wiederaufnahme, Eine Untersuchung zur Wiederaufnahme in Strafsachen unter besonderer Berücksichtigung der Wiederaufnahmegründe in § 79 Abs. 1 BVerfGG und § 359 Nr. 6 StPO, 2008, zugl. Diss. HU Berlin 2007, S. 32 wohl auch Seitz/Bauer, in: Göhler (Begr.)/ Bauer/Thoma (Bearb.), OWiG, 18. Aufl., 2021, § 85 Rn. 15; Lutz, in: Mitsch, KK-OWiG (Fn. 7), § 85 Rn. 21; Wieser, OWiG, 175. Aktualisierung (Oktober 2021), § 85 Nr. 4.7; außerdem die Nachweise in Fn. 9; offenlassend BayVerfGH, Entsch. v. 23.09.1982, BayVBl 1983, 270, 270.

9 Aus dem Rechtsstaatsprinzip sei unabhängig von der Bundesregelung die Wiederaufnahmemöglichkeit zwingend AG Dinkelsbühl, Beschl. v. 29.01.1952, NJW 1952, 1190; „entsprechende Anwendung“ wegen der „Einheit des Rechtssystems der Bundesrepublik“ Kleinknecht, NJW 1952, 1191; gleiche Erwägung für § 79 Abs. 2 BVerfGG Gaul, Die Grundlagen des Wiederaufnahmerechts und die Ausdehnung der Wiederaufnahmegründe, Zugleich ein Beitrag zum Problem der Analogie beim enumerativen Ausnahmerechtssatz, 1956, zugl. Diss. Frankfurt 1956, S. 213; wegen seines „heute unbestrittenen rechtsstaatlichen Gehalts“ Steiner, Wirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf rechtskräftige und unanfechtbare Entscheidungen, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. I, 1976, 639; Ausgleich „im Landesrecht verwertbar“ Ulsamer, Abstrakte Normenkontrolle vor den Landesverfassungsgerichten (einschließlich vorbeugende Normenkontrolle), in: Starck/ Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Bd. II, 1983, 61 f.; 65, 68, 73, 76; für § 79 Abs. 2 BVerfGG: Bundesgesetzgeber könne keinen Unterschied wollen Bötticher, JZ 1953, 559, 560.

10 Neben den genannten Lenz/Hasel, BVerfGG, 3. Aufl., 2020, § 79 Rn. 8; BayVerfGH, Entsch. v. 29.04.1993, VerfGHE 46, 137, 140; BayVerfGH, Entsch. v. 20.08.2019, Bayern.Recht, Rn. 21; a. A. nur für § 79 Abs. 2 BVerfGG Steiner (Fn. 9), 636 – 639.

11 Dies gehört zum Landesstaatsrecht und für das BVerfG gibt es mit Art. 94 Abs. 2 Satz 1 GG eine eigene Kompetenznorm, BVerfG, Beschl. v. 15.10.1997, BVerfGE 96, 345, 368 f.; Niedobitek, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 210. Aktualisierung (Februar 2021), Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 67; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl., 2016, Art. 74 Rn. 8a; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl., 2018, Art. 74 Rn. 23; Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl., Bd. II, 2015, Art. 74 Rn. 22.

12 Für Art. 94 Abs. 2 Satz 1: Bahlmann, MDR 1963, 541, 541; nur bezüglich § 79 Abs. 2 BVerfGG: Karpenstein, in: Walter/Grünewald (Hrsg.), BVerfGG, 2020, § 79 Rn. 34; Graßhof, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf (Hrsg.), BVerfGG, 2015, § 79 Rn. 24; Bethge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge (Hrsg.), BVerfGG, 61. Aktualisierung (Juli 2021), § 79 Rn. 47; für Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG: Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, Die Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder mit einem Anhang zum internationalen Rechtsschutz, 3. Aufl., 1991, § 20 Rn. 75; beide Kompetenznormen zugleich Kneser, AöR 1964, 129, 137 f.; abwegig Kuntze, NJW 1957, 778 für § 79 BVerfGG bestehe überhaupt keine (Bundes-) Gesetzgebungskompetenz, die Fragen müssten von der Rechtsprechung beantwortet werden.

13 BVerfG, Beschl. v. 11.05.1955, BVerfGE 4, 178, 188 f.; Pestalozza, Bundesverfassungsgerichtsbarkeit und Landesverfassungsgerichtsbarkeit, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, Rn. 27.

14 Für die Aufhebung des Ausgangsurteils BVerfG, Beschl. v. 15.10.1997, BVerfGE 96, 345, 370 f.; Pieroth (Fn. 11), Art. 74 Rn. 8a; für die Aussetzung zum Zwecke der Verfassungsbeschwerde HessStGH, Beschl. v. 08.11.1989, NVwZ 1990, 552.

15 Pestalozza (Fn. 12), § 23 Rn. 125; für § 183 VwGO Heckmann, in: Sodan/ Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl., 2018, § 183 Rn. 5; a. A. Parallelzuständigkeit mit Pflicht zur Öffnungsklausel aus Bundestreue Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl., 2018, § 183 Rn. 9; die wohl h. M., die § 79 BVerfGG auf Art. 94 Abs. 2 Satz 1 GG stützt (Fn. 12), müsste eine ausschließliche Landeskompetenz annehmen.

16 Zur Schwierigkeit, einen solchen Regelungsverzicht zu erkennen, Wittreck (Fn. 11), Art. 72 Rn. 26–28.

17 Für die ZPO, auf die die meisten Prozessordnungen verweisen, vgl. Fn. 113.: Meller-Hannich, in: Prütting/Gehrlein (Hrsg.), ZPO, 7. Aufl., 2015, vor §§ 578 Rn. 1; für die StPO: Schmidt, in: Hannich (Hrsg.), KKStPO, 8. Aufl., 2019, vor § 359 Rn. 15.

18 Pietzner (Fn. 8), § 183 Rn. 48 f. Fn. 111; ähnlich, aber ohne Handeln des Landesgesetzgebers bleibe es bei der Rechtskraft Pestalozza (Fn. 13), Rn. 101.

19 Ebenso bezüglich § 79 Abs. 2 BVerfGG ohne Herleitung der Zuständigkeit der Landesgesetzgebung Steiner (Fn. 9), 636; a. A. der Bundesgesetzgeber könne das nicht den Ländern überlassen haben wollen Bötticher, JZ 1953, 559, 560.

20 Pestalozza, (Fn. 13), Rn. 103.

21 Gesetzentwurf, LT-Drs. 1/3205, S. 21.

22 Gesetzentwurf, LT-Drs. 1/3205, S. 27.

23 Beschlussempfehlung, LT-Drs. 1/3475.

24 Angenommener Änderungsantrag FDP, LT-Drs. 1/3448; abgelehnter Änderungsantrag Bündnis 90/Die Grünen, LT-Drs. 1/3483.

25 1. Beratung: LT-Plenarprotokoll 1/112, S. 8668 – 8675; 2. Beratung: LTPlenarprotokoll 1/118, S. 9157 – 9161.

26 Pietzner (Fn. 8), § 183 Rn. 49 Rn. 11; sehr kritisch für die Übernahme von § 79 Abs. 2 BVerfGG Steiner (Fn. 9), 636 f.; „grenzüberschreitende Analogie“ scheitere an „Trennung der Verfassungsräume“ Pestalozza (Fn. 12), § 23 Rn. 125; dazu und für § 95 Abs. 2 BVerfGG Pestalozza, Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit (Fn. 13), Rn. 110 f.

27 Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl., 2020, Rn. 559.

28 Zur Diskussion um die Rechtsvergleichung als „fünfte Auslegungsmethode“ Reimer (Fn. 27), Rn. 381–396.

29 Diesen Ansatz verfolgte schon kurz nach Inkrafttreten des BVerfGG und ohne tragend auf die Norm abzustellen für Entscheidungen des Bay- VerfGH das AG Dinkelsbühl, Beschl. v. 29.01.1952, NJW 1952, 1190; zustimmend Pietzner (Fn. 8), § 183 Rn. 50; kritisch Kneser, AöR 1964, 129, 141. Obwohl das BVerfG im Anwendungsbereich des § 79 BVerfGG mit dem direkten Rekurs auf Verfassungsprinzipien zurückhaltend sei, sei § 79 Abs. 1 BVerfGG wegen seines „heute unbestrittenen rechtsstaatlichen Gehalts“ ausdehnbar, Steiner (Fn. 9), 635 f., 639 f. Für die Auslegung sachlich verwandten Bundesrechts zieht BVerfG, Beschl. v. 10.05.1961, BVerfGE 12, 338, 340 den zugrunde liegenden „Rechtsgedanke[n]“ heran. Pestalozza (Fn. 12) äußert sich ohne erkennbaren Grund bei verschiedenen Ländern unterschiedlich: bei Bayern (§ 23 Rn. 125) und NRW (§ 29 Rn. 42) fordert er eine gesetzliche Regelung zur Rechtskraftdurchbrechung, bei Niedersachsen (§ 28 Rn. 5) scheint er eine Anwendung des Rechtsgedankens aber für möglich zu halten, die Äußerung zu Baden- Württemberg (§ 22 Rn. 36 Fn. 139) ist völlig offen.

30 Diesen Aspekt verdeckt das BVerfG eher, wenn es nur von der „materiellen Gerechtigkeit“ spricht Steiner (Fn. 9), 364.

31 BVerfG, Beschl. v. 12.12.1957, BVerfGE 7, 194, 196; zum hohen Wert der Rechtsbeständigkeit, der angemessenen Ausdruck in § 79 Abs. 2 BVerfGG gefunden habe BVerfG, Urt. v. 01.07.1953, BVerfGE 2, 380, 403 ff.

32 BVerfG, Beschl. v. 12.12.1957, BVerfGE 7, 194, 196.

33 Roxin/Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 5. Aufl., 2020, § 2 Rn. 1e f.; BVerfG, Urt. v. 06.06.1967, BVerfGE 22, 49, 80.

34 BVerfG, Beschl. v. 10.05.1961, BVerfGE 12, 338, 340.

35 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl., Bd. III, 2018, Art. 103 Abs. 2 Rn. 11; als Grund für § 79 Abs. 1 BVerfGG Bahlmann, MDR 1963, 541, 542.

36 Diese Verfassungswidrigkeit des Strafmakels wird regelmäßig als wesentlicher Grund für die Ausdehnung des § 79 Abs. 1 BVerfGG angeführt BVerfG, Beschl. v. 10.05.1961, BVerfGE 12, 338, 340; Asam, Die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 79 Abs. 1 BVerfGG, 1965, zugl. Diss. LMU München 1965, S. 17; Steiner (Fn. 9), 640; Schibel, BB 1984, 362, 362; ähnlich Bahlmann, MDR 1963, 541, 542.

37 § 79 BVerfGG ist eine „Antwort auf die Allgemeinverbindlichkeit der Nichtigerklärung“ Steiner (Fn. 9), 644 Fn. 85.

38 Asam (Fn. 36), S. 18.

39 Dieser Zusammenhang war beim Erlass des § 79 Abs. 2 BVerfGG wichtig, Abg. Dr. Wahl als Berichterstatter, BT-Plenarprotokoll 1/112, S. 4227D.

40 Schmidt (Fn. 17), § 359 Rn. 19; BVerfG, Beschl. v. 10.05.1961, BVerfGE 12, 338, 340.

41 Ähnlich Reiff, NJW 1960, 1559, 1559; Kneser, AöR 1964, 129, 154; Bajohr (Fn. 8), S. 25.

42 In einem Wiederaufnahmeverfahren nach § 79 Abs. 1 BVerfGG können die tatsächlichen Feststellungen aufrechterhalten werden, BGH, Urt. v. 09.05.1963, NJW 1963, 1364, 1366.

43 Schmidt (Fn. 17), vor § 359 Rn. 22, § 365 Rn. 3.

44 Das ist möglich Schmidt (Fn. 17), vor § 359 Rn. 23; BVerfG, Beschl. v. 07.03.1963, BVerfGE 15, 303, 307 f.; dafür ist auch keine neue Hauptverhandlung nötig OLG Schleswig, Beschl. v. 21.12.1962, SchlHAnz 1963, 60, 62; Schmidt (Fn. 17), vor § 359 Rn. 25.

45 Im Einzelnen erörtert AG Dinkelsbühl, Beschl. v. 29.01.1952, NJW 1952, 1190, 1191.

46 So ohne eine größere Begründungsbedürftigkeit zu sehen AG Dinkelsbühl, Beschl. v. 29.01.1952, NJW 1952, 1190, 1191.

47 Dafür sprechen die seit Jahrzehnten unangefochtenen abweichenden Regelungen in Hessen und Rheinland-Pfalz.

 

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Kilian Herzberg

Stud. Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verfassungstheorie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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