24.10.2022

Coronabedingter Umsatzeinbruch: Mietkürzung unter engen Voraussetzungen zulässig

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.02.2022 – 2 U 138/21

Coronabedingter Umsatzeinbruch: Mietkürzung unter engen Voraussetzungen zulässig

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.02.2022 – 2 U 138/21

Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Im Januar 2022 hat der Bundesgerichtshof (BGH) geurteilt, dass die Gewerbemiete im Einzelhandel gekürzt werden kann, wenn das Geschäft von einer Schließung betroffen war. Nun hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. (OLG) diesen Grundsatz auch auf Fälle ausgeweitet, in denen der Betrieb nicht direkt von einer Eindämmungsmaßnahme betroffen war, aber indirekt die Folgen gespürt hat.

Eine Firma mietete im Jahr 2011 Gewerberäume in Frankfurt a.M. zum Betrieb einer Textilreinigung an. Sie vereinbarten mit dem Vermieter einen monatlichen Mietzins von 2400 € sowie eine Betriebskostenvorauszahlung von 270 €. Im Zuge der Covid-19-Pandemie Anfang 2020 mussten eine Vielzahl von Geschäften sowie Schulen und Kitas geschlossen bleiben. Auch reduzierten viele Unternehmen in dieser Zeit ihre Präsenzpflicht.

Reinigungsfirma verzeichnet Umsatzeinbruch

Obwohl die Reinigungsfirma nicht direkt von den Eindämmungsmaßnahmen betroffen war, verzeichnete sie sehr wohl einen erheblichen Umsatzrückgang in dieser Zeit. Die Aufforderung zum Daheimbleiben und die Untersagung sozialer Treffen hatten zu einem Einbruch des Reinigungsbedarfs geführt. So hatten soziale Kontaktbeschränkungen verhindert, dass Feste, Hochzeiten, Beerdigungen, Jubiläen sowie Betriebs-, Weihnachtsund Geburtstagsfeiern stattfinden können. Mit Verweis darauf zahlte die Reinigungsfirma von April bis Juli 2020 keine Miete, danach nur unvollständig.


OLG: Reinigungsfirma muss volle Miete zahlen

Der Vermieter zog – nach mehrmaliger Zahlungsaufforderung – vor Gericht. Das Landgericht Frankfurt a. M. gab der Klage statt und verurteilte die Reinigungsfirma zur Zahlung der ausstehenden Mieten. Das daraufhin angerufene OLG Frankfurt a. M. bestätigte diese Entscheidung nunmehr mit einem Grundsatzurteil.[1] Das OLG Frankfurt a.M. befand, dass – dem Grunde nach – ein Anspruch auf Kürzung der Miete gegeben sei. Allerdings habe die Reinigungsfirma eine erhöhte Darlegungspflicht getroffen, der er nicht ausreichend nachgekommen sei. Demzufolge sei die Miete auch für den Zeitraum des Lockdowns komplett zu leisten.

Grundsatzentscheidung des BGH zu coronabedingter Mietanpassung

Die Anpassung von Gewerbemieten im Lockdown hat zuletzt den Bundesgerichtshof (BGH) Januar 2022 beschäftigt. Im Gegensatz zum hier besprochenen Fall war der gewerbliche Mieter aber direkt von einer Geschäftsschließung betroffen und forderte, dass das Ausfallrisiko mit dem Vermieter zu teilen ist. Die Bundesrichter gaben ihm recht. Allerdings sahen sie von einer pauschalen Teilung der Gewerbemiete ab. Vielmehr müsse durch eine umfassende Einzelfallprüfung die konkrete finanzielle Belastung des Mieters durch den Lockdown ermittelt werden und dann über eine Mietanpassung auf beide Parteien verteilt werden. Rechtsdogmatisch erfolge das über eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB.

OLG weitet Anwendungsbereich aus

Das OLG Frankfurt a.M. legte diese Grundsätze ihrem Urteil zugrunde und ging sogar noch darüber hinaus. In der weltweiten Pandemie habe eine Störung der Geschäftsgrundlage gelegen, da derartige Eingriffe in das wirtschaftliche und soziale Leben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorstellbar gewesen seien. Erfasst davon seien aber nicht nur Konstellationen, in denen der gewerbliche Mieter direkt von einer Geschäftsschließung betroffen sei. Vielmehr weitete das Gericht die Anpassung der Miete auch auf mittelbare Auswirkungen der Pandemie aus. Es sei allgemein bekannt, dass durch die behördlichen Maßnahmen im Lockdown Veranstaltungen und sonstige Kontakte nur in sehr begrenztem Umfang möglich waren. Auch die Anordnung von Homeoffice habe sich auf den Bedarf an Reinigungsleistungen ausgewirkt. Dies sei auch im Rahmen der Störung der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen. Die Vertragsparteien hätten – in Kenntnis dieser Umstände – den Vertrag nicht in dieser Form geschlossen.

Allerdings: Mieter kommt Darlegungspflicht nicht nach

Trotz dieser Erwägungen kommt das OLG Frankfurt a.M. zu dem Ergebnis, dass die Reinigungsfirma die komplette Miete – auch für den Lockdown – zu zahlen habe. Die Reinigungsfirma sei – auch nach wiederholter Aufforderung durch das Gericht – nicht ihrer Darlegungspflicht nachgekommen. Wie auch im oben genannten Urteil des BGH festgestellt, müsse eine umfassende Prüfung des Einzelfalls erfolgen. Dabei sei es dem gewerblichen Mieter aufgetragen, umfassend darzulegen, ob und wie die Maßnahmen ihn konkret betroffen haben. Dazu habe die Reinigungsfirma aber nicht genügend Angaben gemacht. Erforderlich wäre ein weiteres Vorbringen zur Kostenstruktur des Geschäftsbetriebs und der Entwicklung in der Pandemie.

 

Entnommen aus RdW-Kurzreport, 14/2022, Rn. 234.

[1] OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.02.2022 – 2 U 138/21; nicht rechtskräftig

 
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