26.10.2022

Bürgerbeteiligung an Windparks verfassungsgemäß

Beschluss des Bundesverfassungsgericht

Bürgerbeteiligung an Windparks verfassungsgemäß

Beschluss des Bundesverfassungsgericht

Das Beteiligungsgesetz greift nicht in die Eigentumsfreiheit ein. | © SimpLine - stock.adobe.com
Das Beteiligungsgesetz greift nicht in die Eigentumsfreiheit ein. | © SimpLine - stock.adobe.com

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) können Betreiber von Windparks dazu verpflichtet werden, angrenzende Nachbarn und Gemeinden finanziell zu beteiligen. Das Gesetz greift zwar mit einer „beträchtlichen Intensität“ in die Grundrechte der Betreiber ein. Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, denn damit wird die Akzeptanz der Windparks gesteigert und dient dem Gemeinwohlziel des Klimaschutzes.

Im Jahr 2016 erließ das Land Mecklenburg-Vorpommern ein Gesetz, wonach Bewohner und Gemeinden in unmittelbarer Nähe eines Windparks finanziell daran beteiligt werden müssen. Danach muss innerhalb eines Radius von 5 km von der Windenergieanlage den Bürgern und Gemeinden mindestens 20 % der Anteile zum Kauf angeboten werden. Ein Gesellschaftsanteil darf dabei nicht mehr als 500 € kosten. Alternativ zu der direkten Beteiligung können die Gemeinden eine „Ausgleichsabgabe“ einfordern. Den Bürgern ist es dahingegen möglich, statt ei-nes Anteilskaufs ein risikoärmeres Sparprodukt zu erwerben.

Finanzielle Beteiligung fördert Akzeptanz der Windparks

Hintergrund des Beteiligungsgesetzes ist es, die Akzeptanz der Windparks in der Bevölkerung zu steigern und damit zur Umsetzung der Energiewende beizutragen. Oftmals gehörten die Windparks nicht den Anwohnern oder Gemeinden, sodass die Einnahmen nicht in der Region verblieben. Das Gesetz habe das Ziel, einen Ausgleich für die Beeinträchtigungen der Windenergieanlage zu schaffen.


Betreiberin erhebt Verfassungsbeschwerde

Eine Betreiberin einer Windenergieanlage sah sich durch das Gesetz in ihren Grundrechten verletzt und erhob Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Insbesondere rügte die Betreiberin eine Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie des abgabenrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG).

Verfassungsbeschwerde überwiegend erfolglos

Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde ganz überwiegend zurück, da das Gesetz nicht gegen das Grundgesetz verstoße. Lediglich eine in dem Gesetz enthaltene, sehr aufwendige Informationspflicht des Betreibers sei verfassungswidrig und damit nichtig. Diese verpflichtete den An-lagenbetreiber, die standortnahen Gemeinden umfassend über wirtschaftliche Daten zu unterrichten.

Eingriff in Berufsfreiheit gerechtfertigt

Im Übrigen sei das Gesetz aber ganz überwiegend im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das Gericht stellte fest, dass das angegriffene Gesetz die Betreiberin nicht in ihrer verfassungsrechtlich verankerten Berufsfreiheit verletze. Die Beteiligungspflicht stelle zwar ein Eingriff von „beträchtlicher Intensität“ dar, denn die wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit werde in erheblichen Umfang eingeschränkt. Der Ertrag der Anlagen werde durch die Maßnahmen gemindert und es entstünden Aufwendungen, um den gesetzlichen Vorgaben zu genügen.

Dies sei jedoch gerechtfertigt, denn der Eingriff sei verhältnismäßig. Insbesondere verfolge das Gesetz den legitimen Zweck, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu verbessern und leiste damit einen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Es fördere den Klimaschutz (Art. 20a GG), den Schutz der Grundrechte vor den nachteiligen Folgen des Klimawandels sowie der Sicherung der Stromversorgung. Diese seien Gemeinwohlziele von „beträchtlichem Gewicht“.

Sonstige Grundrechte nicht betroffen

Darüber hinaus greife das Beteiligungsgesetz nicht in die Eigentumsfreiheit ein, denn das Grundrecht werde durch die sachnähere Berufsfreiheit verdrängt. Ebenso wenig sahen die Verfassungsrichter eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen Steuerpflichtigen. Die Abgabe diene nicht der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben, sondern ziele auf eine Steigerung der Akzeptanz der Windparks ab. In diesem Verhältnis seien die Gemeinwohlziele des Klimaschutzes, der Sicherung der Grundrechte durch die Folgen des Klimawandels sowie der Sicherung der Stromversorgung höher zu gewichten.

Entnommen aus dem RdW Heft 15, Rn. 252.

 
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