15.01.2011

Vorsicht bei der Haushaltsbefristung

Befristungen im öffentlichen Dienst auf dem Prüfstand

Vorsicht bei der Haushaltsbefristung

Befristungen im öffentlichen Dienst auf dem Prüfstand

Eine Vorlagefrage des BAG zur Haushaltsbefristung sorgt für rutschiges Terrain. | © Volker Skibbe - Fotolia
Eine Vorlagefrage des BAG zur Haushaltsbefristung sorgt für rutschiges Terrain. | © Volker Skibbe - Fotolia

Nach Einschätzung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bestehen Bedenken, ob die Möglichkeit der sogenannten Haushaltsbefristung nach § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG insbesondere unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes mit EU-Recht vereinbar ist. Die Folgen könnten katastrophal sein. Sollte der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Sachgrund der Haushaltsbefristung für unionsrechtswidrig halten, würde dies die Unwirksamkeit einer Vielzahl von Befristungen im öffentlichen Dienst zur Folge haben. Es ist jetzt an der Zeit, darauf angemessen zu reagieren.

Die Vereinbarung befristeter Arbeitsverhältnisse

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass das Arbeitsverhältnis in seiner Grundform unbefristet vereinbart wird, sog. Dauerschuldverhältnis. Aus diesem Grund sind in § 622 BGB gesetzliche Fristen zur Kündigung dieses Dauerschuldverhältnisses vorgesehen. Da aber der Arbeitgeber, der nach § 23 KSchG in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt, nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit nicht nur die Kündigungsfrist einhalten, sondern zusätzlich einen Kündigungsgrund im Sinne des § 1 KSchG darlegen muss, suchen auch diverse öffentlich-rechtliche Arbeitgeber Planungssicherheit und Flexibilität durch die Vereinbarung befristeter Arbeitsverhältnisse.

Für die Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses ist der maßgebliche Rahmen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) zu beachten. Die in § 14 Absatz 4 TzBfG angeordnete Schriftform stellt für den Arbeitgeber, noch die geringste formale Hürde dar. Er sollte allerdings beachten, dass die Schriftform nur dann gewahrt wird, wenn die schriftliche Niederlegung der Befristungsabrede vor Vertragsbeginn erfolgt ist. Deutlich schwieriger ist es, die übrigen Voraussetzungen des § 14 TzBfG zu erfüllen, um eine wirksame Befristung des Arbeitsverhältnisses zu gewährleisten.


Relativ einfach ist die sog. kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages gemäß § 14 Absatz 2 TzBfG. Diese bedarf ausdrücklich keines sachlichen Grundes. Der Arbeitsvertrag oder seine höchstens dreimalige Verlängerung darf die Gesamtdauer von zwei Jahren nicht überschreiten.Zudem ist die Möglichkeit der Befristung nach § 14 Absatz 2 TzBfG an das Vorliegen der Voraussetzung einer Neueinstellung geknüpft, d. h. es dürfen keinerlei frühere Beschäftigungszeiten bei diesem Arbeitgeber vorliegen. Nach der sehr formalistischen Rechtsprechung des BAG muss sich eine Verlängerung eines befristeten Vertrages zudem ausschließlich auf die Änderung der Vertragslaufzeit beschränken und darf grundsätzlich nicht mit weiteren Änderungen sonstiger Arbeitsbedingungen (beispielsweise der Vergütung oder Tätigkeit) verbunden werden. Solche Änderungen anderer Arbeitsbedingungen müssten eher außerhalb einer Verlängerungsabrede während einer bestehenden Vertragslaufzeit vereinbart werden. Die sachgrundlose Befristung gemäß § 14 Absatz 2 TzBfG stellt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber jedoch vor das grundsätzliche Problem, dass er insgesamt nicht länger als zwei Jahre mit einem Arbeitnehmer planen kann und ihn dann nicht mehr befristet einsetzen kann, gegebenenfalls also ständig neue Kräfte rekrutieren und anlernen muss. Gerade dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ist aber an längeren Beschäftigungszeiträumen gelegen. Er meidet die ständig neue Einarbeitung von Arbeitskräften und die hohe Fluktuation.

Daher wählte der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber spätestens nach Ablauf von 2 Jahren Beschäftigung mit sachgrundloser Befristung eine sich anknüpfende Befristung der Arbeitsverhältnisse nach § 14 Absatz 1 TzBfG, die rechtlich nur dann zulässig ist, wenn ein sachlicher Grund im Sinne dieser Vorschrift die Befristung rechtfertigt. Hierfür muss er aber – ähnlich einem Kündigungsschutzprozess – das Vorliegen eines sachlichen Grundes im Sinne des § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 – 7 TzBfG darlegen. Dieser sachliche Grund (beispielsweise vorübergehender Mehrbedarf, Anschluss an Ausbildung oder Studium, Vertretung, Eigenart der Tätigkeit, Erprobung etc.) muss bereits zum für die Überprüfung der Zulässigkeit der Befristung maßgeblichen Zeitpunkt des Abschluss des Arbeitsvertrages vorliegen. Da das TzBfG darauf ausgerichtet ist, befristete Arbeitsverhältnisse zu vermeiden, sind die gesetzlichen Anforderungen an die Sachgründe im Sinn des § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 – 6 TzBfG nicht einfach zu erfüllen.

Die Haushaltsbefristung nach § 14 I 2 Nr. 7 TzBfG

Dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber kommt jedoch der Sondertatbestand der sog. Haushaltsbefristung nach § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG zu Hilfe. Danach stellt es zusätzlich einen die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigenden Sachgrund dar, wenn „der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind und er entsprechend beschäftigt wird.“ Eine wirksame Befristung mit dem Sachgrund der Haushaltsbefristung setzte danach Folgendes voraus:

– die Haushaltsmittel müssen durch Haushaltsgesetz oder Haushaltsplan nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung gestellt sein,

– die aus diesen Mitteln zu vergütende Tätigkeit darf objektiv ihrer Struktur nach nur vorübergehend anfallen,

– das Haushaltsgesetz oder der Haushaltsplan müssen selbst die inhaltlichen Anforderungen für die im Rahmen der befristeten Arbeitsverträge auszuübenden Tätigkeiten oder die Bedingungen, unter denen sie auszuführen sind, enthalten, bzw. den zeitlich begrenzten Aufgabencharakter „nachvollziehbar machen“,

– der Arbeitnehmer darf nur entsprechend der haushaltsrechtlichen Zwecksetzung beschäftigt werden.

Durch diese recht stringente Rechtsprechung des BAG, zuletzt im Urteil vom 17.03.2010 (Az. 7 AZR 843/08) versuchte das BAG bereits die Auslegung der deutschen Norm an gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu orientieren. Mit § 14 Absatz 1 TzBfG wurde nämlich die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung für befristete Arbeitsverträge umgesetzt. Zur Vermeidung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge, sog. Kettenbefristungen, gab diese Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber unter anderem die Möglichkeit an die Hand, das Erfordernis sachlicher Gründe für die Wirksamkeit von Befristungsabreden aufzustellen. Um die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zur Vermeidung von Kettenbefristungen zu erfüllen, ging das BAG daher davon aus, dass allein der Umstand, dass eine Befristung auf ein Haushaltsgesetz gestützt ist, nicht ausreichen kann, um einen hinreichenden sachlichen Grund darzulegen. Vielmehr wurde § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG restriktiv dahingehend ausgelegt, dass nur eine solche haushaltsrechtliche Zweckbestimmung eine befristete Beschäftigung rechtfertigt, der deutlich zu entnehmen ist, auf welchen objektiv vorliegenden nachprüfbaren Umständen die Erwartung beruhte, dass die Haushaltsmittel nur für die Beschäftigung einer Aufgabe von vorübergehender Dauer bereitgestellt werden. Daran muss sich der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber ohnehin orientieren, wenn er den Sondertatbestand der Haushaltsbefristung nutzbar macht.

Vorlagefrage des BAG

Nunmehr ist der Sondertatbestand aber komplett in Gefahr. Am 27.10.2010 (Az. 7 AZR 485/09) hat das BAG ungeachtet seiner bisher schon restriktiven Rechtsprechung entschieden, dem EuGH die Frage der grundsätzlichen Vereinbarkeit des deutschen Befristungsrechts mit EU-Recht vorzulegen. Das BAG stellt sich nämlich die Frage, ob es nicht der Intention der Verpflichtung aus § 5 Nr. 1 der EGB- UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung zuwider läuft, wenn ein Mitgliedsstaat als Adressat der Verpflichtung zur Eindämmung des Missbrauchs durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge für die Fälle, in denen er selbst oder innerstaatliche öffentliche Institutionen als Arbeitgeber auftreten, wirtschaftliche Umstände, wie das zeitlich begrenzte Bereitstellen von Haushaltsmitteln als sachlichen Befristungsgrund ausreichen lässt, während entsprechende wirtschaftliche Umstände bei Arbeitgebern des privaten Sektors nicht als sachlicher Befristungsgrund anerkannt werden. Hierin könnte vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes eine Begünstigung des öffentlichen Arbeitgebers liegen. Der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber wird gegenüber dem privat-rechtlichen Arbeitgeber privilegiert, indem er – gestützt auf den Sachgrund der Haushaltsbefristung – Kettenbefristungen vereinbaren kann, obwohl der deutsche Gesetzgeber als Normenadressat gezwungen ist, diese zu vermeiden. Das passt nach Ansicht des BAG nicht zusammen.

Folgen für die Praxis

Sollte der EuGH daraufhin die Haushaltsbefristung für unionsrechtswidrig halten, würde dies unweigerlich die Unwirksamkeit sämtlicher Befristungen im öffentlichen Dienst zur Folge haben, die unter Berufung auf den Sachgrund der Haushaltsbefristung abgeschlossen worden sind. Vor dem Hintergrund der sog. Honeywell-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.07.2010 (Az. 2 BvR 2661/06) können öffentlich-rechtliche Arbeitgeber kaum darauf hoffen, dass irgendeine Form des Vertrauensschutzes gewährt wird. Sie müssen damit rechnen, auf den sicher geglaubten Befristungen „sitzen zu bleiben“ und mit mehr dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmern planen.

Öffentlich-rechtliche Arbeitgeber sind daher mehr als gut beraten, wenn sie die Entscheidung des EuGH nicht aussitzen, sondern jetzt reagieren! Keineswegs sollten zukünftig Arbeitsverhältnisse auf den Sachgrund der Haushaltsbefristung nach § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gestützt werden. Vielmehr sollte ein anderer Sachgrund für eine Befristung im Sinne des § 14 Absatz 1 Satz 2, Nr. 1 – 6 TzBfG gefunden werden, der eine möglichst sichere Beendigung gewährleistet. Soweit sich die Möglichkeit der Unwirksamkeit der Haushaltsbefristung noch nicht herumgesprochen hat, sollte bei noch laufenden Arbeitsverhältnissen, die auf diesem Befristungsgrund beruhen, frühzeitig die Initiative ergriffen werden.

Ein Arbeitnehmer, der mit einem baldigen Auslaufen seines Arbeitsvertrages aufgrund einer Haushaltsbefristungsabrede rechnet, wird zum jetzigen Zeitpunkt noch relativ arglos einer Verlängerung seines Arbeitsvertrages unter Heranziehung eines anderen, vermeintlich wirksamen Befristungsgrundes zustimmen. Zudem setzt sich der Arbeitnehmer dem Risiko aus, dass der EuGH die Bedenken des BAG nicht teilt, die Haushaltsbefristung im Ergebnis nicht unionsrechtswidrig ist, der Arbeitnehmer aber allein in der Hoffnung darauf die neue Jobofferte abgelehnt hat. Ein Anspruch des Arbeitnehmers, bei Abschluss eines Folgevertrages mit einem anderen Befristungsgrund einen Vorbehalt späterer gerichtlicher Überprüfung der noch geltenden Haushaltsbefristung in den neuen Vertrag aufzunehmen, besteht nach Rechtsprechung des BAG nicht. Daher ist jetzt die Zeit gekommen, dass nur vermeintlich unwirksam befristete Arbeitsverhältnis – gestützt auf einen neuen und vermeintlich wirksamen Sachgrund – wirksam erneut zu befristen, um damit die bereits sicher geglaubte Flexibilität wieder zu erreichen.

 

Dr. Martin Römermann

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, SKW Schwarz, Berlin
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