15.01.2011

Die Alternative zur Privatisierung

Interkommunale Zusammenarbeit am Beispiel des Vergaberechts

Die Alternative zur Privatisierung

Interkommunale Zusammenarbeit am Beispiel des Vergaberechts

EuGH: Der Abfallentsorgungsvertrag zwischen Hamburg und vier Landkreisen unterfällt nicht dem Vergaberecht. | © Daniel Bujack - Fotolia
EuGH: Der Abfallentsorgungsvertrag zwischen Hamburg und vier Landkreisen unterfällt nicht dem Vergaberecht. | © Daniel Bujack - Fotolia

Die interkommunale Zusammenarbeit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Gründe sind insbesondere die demografische Entwicklung sowie die desolate Finanzsituation der Kommunen. Gerade diese Rahmenbedingungen haben zur Folge, dass die Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge häufig nur noch über eine Zusammenarbeit ein von ihnen öffentlich verantwortetes sowie breites Leistungsangebot gegenüber ihren Bürgern vorhalten können. Insoweit stellt die interkommunale Zusammenarbeit eine Alternative zur Privatisierung kommunaler Aufgaben dar.

Neue Aufgabenbereiche für die interkommunale Zusammenarbeit

Mit der interkommunalen Zusammenarbeit wird die den Bürgern nächste Ebene, die Städte und Gemeinden, für die konkrete Aufgabenwahrnehmung legitimiert. Neben den tradierten Themenfeldern der interkommunalen Zusammenarbeit, insbesondere dem Abwasser-, Wasser- und Abfallbereich, erfasst diese zunehmend „neue Aufgabenbereiche“, etwa die Informationstechnologie und die Bildung.

Hauptformen interkommunaler Zusammenarbeit

Vergaberechtlich relevant sind zwei auch in den Gesetzen über die kommunale Gemeinschaftsarbeit der Bundesländer (Bsp.: Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit [GKG] NW) geregelte Formen der interkommunalen Zusammenarbeit: Zum einen ist dies die institutionelle Form. Diese findet sich etwa in einem von Kommunen getragenen (öffentlichen) Zweckverband, einer gemeinsam getragenen Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR), aber auch in einem von Kommunen gemeinsam in Privatrechtsform (GmbH) getragenen Kommunalunternehmen.


Zum anderen lässt sich eine interkommunale Zusammenarbeit auch in nicht institutioneller Form als öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen verschiedenen Gemeinden ausgestalten. Diese sog. Zweckvereinbarung ist sowohl als mandatierende Vereinbarung (Aufgabenwahrnehmung in fremdem Namen) oder aber als delegierende Vereinbarung (komplette Aufgabenübertragung) möglich.

Die EuGH-Rechtsprechung zur interkommunalen Zusammenarbeit

In einer eher apodiktischen Entscheidung hatte der EuGH zunächst in der Entscheidung „Spanien“ festgestellt, dass eine generelle gesetzlich geregelte Vergaberechtsfreiheit von Kooperationen innerhalb von Gebietskörperschaften gegen das EU-Vergaberecht verstößt. In der Folge hat der EuGH für die Fälle des sogenannten In-House-Geschäfts eine Ausschreibungsfreiheit angenommen („Teckal“ etc.). Hiernach kommt bei einer „Beauftragung“ der von einer oder auch mehreren Kommunen beherrschten Einrichtung dann kein Vergaberecht zur Anwendung, wenn diese Kommune bzw. die Kommunen über diese Einrichtung eine Kontrolle ausüben wie über ihre eigenen Dienststellen und diese Einrichtung im Wesentlichen ihre Tätigkeiten für die Kommune bzw. die Kommunen ausübt bzw. ausüben, von der bzw. denen sie beherrscht wird oder werden. Niemals liegt eine Vergaberechtsfreiheit (kein In-House-Geschäft) bei privaten Beteiligungen, und seien sie noch so gering, (EuGH „Stadt Halle“) vor.

Grenzfall: Öffentlich-rechtliche Vereinbarung

Über die Fälle des (vertikalen) In-House-Geschäfts hinaus hatte die nationale Rechtsprechung (OLG Düsseldorf und OLG Frankfurt) festgestellt, dass ein horizontal öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen Kommunen, bei denen etwa eine Kommune die Abfallentsorgung von einer anderen Kommune durchführen lässt, als mandatierende Vereinbarung der Ausschreibung unterliegt.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat in den mit dieser Rechtsauffassung verbundenen Folgen stets einen Wertungswiderspruch gesehen: Während eine (vertikale) In-House-Vergabe vergaberechtsfrei ist, soll dann, wenn Kommunen die gleiche Aufgabe im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfüllen, das Vergaberecht Anwendung finden.

Nach Auffassung des DStGB war und ist aber in beiden Fällen einer rein öffentlichen Aufgabenwahrnehmung nicht der externe Wettbewerbsmarkt betroffen. Vielmehr handelt es sich hier um einen rein innerorganisatorischen Akt von Kommunen und damit um die bewusste Beibehaltung gerade einer öffentlichen Aufgabenwahrnehmung. Eine Diskriminierung privater Partner ist daher bei einer rein öffentlich-rechtlichen Aufgabenwahrnehmung – in welcher Form auch immer – nicht gegeben.

EuGH „Stadtreinigung Hamburg“ erweitert Vergaberechtsfreiheit

In der grundlegenden und von der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs (13 Richter) im Jahre 2009 gefällten Entscheidung des EuGH „Stadtreinigung Hamburg“ lässt der EuGH einen Abfallentsorgungsvertrag zwischen vier Landkreisen und der als Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) fungierenden Stadtreinigung Hamburg nicht dem Vergaberecht unterfallen. Nach dem Sachverhalt lieferten die Landkreise jährlich 120 000 Tonnen Abfall an die Stadtreinigung Hamburg, brachten sich aber auch selbst als Kooperationspartner (u. a. Rücknahme der Schlacke) in die als „Regionalverbund“ gekennzeichnete Zusammenarbeit zwischen den beiden Partnern ein.

Der EuGH hat diese Form der – horizontalen – Zusammenarbeit für vergaberechtsfrei erklärt. Maßgeblich stellte er darauf ab, dass eine derartige Form der kommunalen Zusammenarbeit bei einer „allen Kommunen obliegenden öffentlichen Aufgabe“ (hier: Abfallentsorgung) keiner Ausschreibung unterliege und insofern die konkrete Rechtsform der Kooperation unbeachtlich sei. Gekennzeichnet waren Art und Umfang der Zusammenarbeit von einer intensiven gegenseitigen Kooperation der beiden Partner und einer nicht vorhandenen Gewinnerzielungsabsicht. Mit der Entscheidung des EuGH ist die Vergaberechtsfreiheit jedenfalls über die bisherige „Teckal“-Rechtsprechung hinaus auch auf Fälle ausgedehnt worden, bei denen keine Kontrolle eines Partners über den anderen Partner wie über die eigenen Dienststellen vorliegt. Voraussetzung einer Vergaberechtsfreiheit auch bei einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung (horizontale Form) ist aber, dass auch hier keine Privaten ungleich behandelt werden und demgemäß keine Privatbeteiligung an der Kooperation vorliegt.

Interkommunale Kooperationen: Keine Beschaffungen auf dem Markt

Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Entscheidung „Stadtreinigung Hamburg“ neben dem In-House-Konstrukt ein vergaberechtsfreies Aliud für die Fälle interkommunaler Kooperationen auf „Augenhöhe“, also auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen zwischen Kommunen begründet. Dennoch sind die konkreten Kriterien für eine Vergaberechtsfreiheit weiter ausfüllungsbedürftig. Dies betrifft insbesondere die Frage nach der erforderlichen Tiefe der gegenseitigen Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Kooperationspartnern als Voraussetzung für eine Vergaberechtsfreiheit sowie auch die Bestimmung der notwendig von Kommunen zu erfüllenden „öffentlichen Aufgabe“.

Notwendige Erweiterung der Vergaberechtsfreiheit

Jedenfalls hat der EuGH mit seiner Rechtsprechung zur „Stadtreinigung Hamburg“ im Sinne der Forderung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes eine notwendige und zum Ziel führende Erweiterung der Vergaberechtsfreiheit interkommunaler Kooperationen vorgenommen. Die rein interkommunale Zusammenarbeit berührt als rein öffentliche Kooperation und innerorganisatorischer Organisationsakt nicht den externen Wettbewerbsmarkt und stellt demgemäß auch keine Diskriminierung privater Wettbewerber dar. Die Anwendung des Vergaberechts ist daher hier fehl am Platz.

 

Norbert Portz

Deutscher Städte- und Gemeindebund, Bonn
n/a