15.01.2011

Potenziale entdecken und entwickeln

Das kleine 1 × 1 der Personalentwicklung

Potenziale entdecken und entwickeln

Das kleine 1 × 1 der Personalentwicklung

Kostbar: Talente wollen entdeckt und gefördert werden. | © Eduard Härkönen - Fotolia
Kostbar: Talente wollen entdeckt und gefördert werden. | © Eduard Härkönen - Fotolia

Da es auch für den öffentlichen Dienst zunehmend schwieriger wird, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, gewinnt die Fragestellung an Bedeutung, wie insbesondere Führungspositionen aus den eigenen Reihen besetzt werden können. Was in der Wirtschaft unter dem Schlagwort „Talentmanagement“ schon länger ein Thema ist, stößt daher zunehmend auch in den Verwaltungen auf Interesse, wenngleich der etwas umstrittene Begriff hier kaum benutzt wird.

Ob nun von Talenten oder Potenzialen die Rede ist: Die Bedeutung nimmt zu, Personen aus den eigenen Reihen zu identifizieren und zu entwickeln, die geeignet sind, Schlüsselpositionen zu besetzen und damit die Verwaltung unterstützen, den zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden.

Enge finanzwirtschaftliche Handlungsspielräume im öffentlichen Dienst haben in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass Einstellungs- und Wiederbesetzungssperren verfügt und nur in geringem Umfang Nachwuchskräfte ausgebildet und in Dienst- und Arbeitsverhältnisse übernommen worden sind. Die Konsequenzen werden nun deutlich spürbar – nicht zuletzt in einer starken Verschiebung der Altersstruktur. Aufgrund dieser Altersstruktur werden viele Stellen demnächst neu zu besetzen sein – in einer Situation also, in der auf dem externen Arbeitsmarkt bereits qualifizierte Fachkräfte wie auch Nachwuchskräfte knapper werden.


Dem Rückgang potenziell geeigneter Bewerberinnen und Bewerber stehen steigende und neue Anforderungen gegenüber. Die wohl wichtigste Kompetenz wird zukünftig die sein, immer wieder neu lernen zu können und zu wollen. Aber auch die Fähigkeit, die produktiven Seiten von Unterschiedlichkeiten – seien diese nun alters-, geschlechts- oder kulturbedingt – zu erkennen und zu nutzen, gewinnt an Bedeutung, ebenso wie die Fähigkeit, sich in unterschiedliche Teams und Projekten einzufinden und dort engagiert, kooperativ und problemlösungsorientiert zu agieren.

Führungskräften wird noch mehr abverlangt. Da ihrem Verhalten Auswirkungen auf das Betriebsklima und die Gesundheitsquote zugeschrieben werden, wachsen die Anforderungen hinsichtlich ihrer sozial-kommunikativen Kompetenzen. Von ihnen wird erwartet, Veränderungsprozesse zu initiieren und voranzutreiben, gleichzeitig aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Stabilität und Sicherheit zu vermitteln, die sie zum Teil für sich selbst nicht empfinden.

Diese geforderten Kompetenzen – und die vorangestellte Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig – sind am ehesten dort zu entwickeln, wo Potenzial hierfür bereits vorhanden ist. Der Begriff Potenzial bezeichnet Anforderungen, die noch nicht erfüllt sein müssen, da die entsprechenden Aufgaben noch nicht ausgeübt werden. Da es Potenzial per se oder „allgemeines“ Potenzial nicht gibt, sondern nur solches, das sich auf konkrete Aufgaben bezieht, gilt es zunächst, die Frage zu beantworten: Potenzial wofür?

Grundlage hierfür kann ein vorab definiertes Kompetenzmodell oder -profil sein, in dem die für die Zielpositionen (z. B. Führungsfunktionen einer bestimmten Ebene) erforderlichen außerfachlichen Kompetenzen festgelegt werden. Sind diese Kompetenzen benannt und auch die jeweils hierfür zu erwartenden Verhaltensweisen festgelegt, ist zu entscheiden, wie die entsprechenden Potenziale ermittelt werden sollen.

Wie Potenziale erkannt werden

Bis heute gibt es keine brauchbare Methode, die für sich allein geeignet wäre, Potenzial als solches zuverlässig zu erkennen. Aus bisher schon erbrachten Leistungen kann zwar auf zukünftige Leistungen geschlossen werden – vorausgesetzt, die vorliegenden Leistungsbeurteilungen spiegeln die tatsächlichen Leistungen wider und sind nicht durch „Mildetendenzen“ oder „Quotenregelungen“ entsprechend einer vorgegebenen Normal-Verteilung verzerrt. Wie sich aber eine Person in einer Situation verhalten wird, die sie noch nicht bewältigen musste, lässt sich nur einschätzen, nicht jedoch exakt analysieren.

Für eine solche Einschätzung werden in der Praxis folgende Instrumente eingesetzt: Selbsteinschätzung des/der möglichen Potenzialträgers/in, Potenzialbeurteilung durch die unmittelbare Führungskraft, ein gezieltes Personalentwicklungsgespräch im Rahmen strukturierter Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräche, strukturierte Interviews mit biografischen wie auch situativen Fragen, Arbeitsproben, Tests sowie Assessment-Center-Verfahren. Häufig werden 2–3 Instrumente miteinander kombiniert.

In Unternehmen sind auch regelmäßig durchgeführte „Potenzial-Runden“ oder „Reviews“ üblich, in denen Führungskräfte die aktuelle Leistung wie auch das Potenzial ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam diskutieren, um in der Folge abgestimmte und gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen einzusetzen. Denn auch dann, wenn Potenziale identifiziert werden, können diese wieder verkümmern, wenn sie nicht entwickelt werden. Potenzialermittlung und Potenzialentwicklung gehören somit unbedingt zusammen.

Wie Potenziale entwickelt werden

Zur Entwicklung von Potenzialen ist die klassische Lehrgangsform immer noch der am häufigsten gewählte Weg, häufig um Instrumente ergänzt, die das Lernen und Arbeiten stärker miteinander verknüpfen und praktisches „Erfahrungslernen“ fördern – etwa in Form von Sonderaufträgen, Stellvertretungen und Projektleitungen.

Auch die Rotation als geplanter periodischer Wechsel von und auf gleichwertige Stellen in Unternehmen, andere Verwaltungen oder soziale Einrichtungen ist ein altbekanntes Instrument, das vorrangig darauf abzielt, die Flexibilität bzw. Offenheit für Veränderungen zu fördern wie auch die Fähigkeit, sich rasch in neue Zusammenhänge und Aufgabenstellungen einzufinden.

Mentoring/Coaching

Zunehmend hat sich das Mentoring im Rahmen der Führungskräftenachwuchsentwicklung in den letzten Jahren einen festen Platz erobert. Hierbei wird in der Regel einem/einer Potenzialträger/in eine erfahrene Führungskraft (die Mentorin bzw. der Mentor) an die Seite gestellt, die diese/n in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung unterstützt. Zu den Aufgaben einer Mentorin bzw. eines Mentors gehören fachliche Ratschläge, Feedback zum persönlichen Verhalten und Auftreten sowie die Einführung in formelle und informelle Netzwerke. Von diesem Personalentwicklungsinstrument profitieren die Mentoren gleichermaßen: Für sie bieten die regelmäßigen Gespräche zum einen eine Möglichkeit zur Reflektion ihres eigenen Führungsverhaltens, und zum anderen können sie in der Auseinandersetzung mit den Perspektiven und Ideen der bzw. des Mentors „blinde Flecken“ im eigenen Handeln entdecken und neue Handlungsperspektiven entwickeln.

Coaching als individuelle Beratung, Begleitung und Unterstützung zielt insbesondere darauf ab, Führungsnachwuchskräfte bei ihren ersten Schritten in der Führungsposition zu unterstützen, das Rollenverhalten zu festigen und sozial-kommunikative Kompetenzen weiterzuentwickeln.

Die hier angeführten Qualifizierungsinstrumente stellen lediglich Bausteine dar, die für die Potenzialentwicklung vor Ort in ein Konzept integriert werden müssen. Kleinere und mittelgroße Verwaltungen, für die sich die eigenständige Durchführung einer Qualifizierung aufgrund der geringen Anzahl von Nachwuchskräften nicht lohnt, können sich mit Nachbargemeinden zusammenschließen und die Entwicklung gemeinsam durchführen bzw. durchführen lassen – z. B. durch kommunale Studieninstitute oder Verwaltungsakademien.

Fazit

Potenziale zu identifizieren ist eine wichtige Strategie, um den Herausforderungen der demografischen Entwicklung zu begegnen. Voraussetzung sind vorab definierte Kompetenzmodelle oder -profile. Ohne an die Potenzialeinschätzung anknüpfende Personalentwicklungsmaßnahmen greift diese Strategie zu kurz.

 

Dr. Anne Drescher

Personalentwicklungsberaterin und -trainerin, dpe Drescher Personalentwicklung, Potsdam
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