15.01.2011

Doppik contra Kameralistik

Ein Plädoyer für die Kameralistik

Doppik contra Kameralistik

Ein Plädoyer für die Kameralistik

Muss die kommunale Doppik scheitern? | © ant236 - Fotolia
Muss die kommunale Doppik scheitern? | © ant236 - Fotolia

Die kommunale Doppik ist gescheitert. Sie ist ein Torso, der künstlich am Leben gehalten wird. Das Versprechen der kommunalen Doppik, dass alles besser und transparenter wird, ist nicht eingetreten. Im Gegenteil – Steuerverschwendung und überzogene Bürokratie werden beklagt.

Wenn man, wie dies Jochen-Konrad Fromme in seinem Beitrag in PUBLICUS 2010.3, Seite 8 getan hat, die Kameralistik mit der Doppik vergleicht, dann muss man wissen, welches der kameralen Systeme man zum Vergleich heranzieht. Die Kameralistik, wie sie der Bund und 14 der 16 Bundesländer nach wie vor anwenden, und die kommunale Kameralistik, wie sie die Gemeinden in den alten Bundesländern seit 1975 und in ganz Deutschland seit 1991 anwenden, unterscheiden sich fundamental voneinander.

Da weder der Bund noch die anderen 14 Bundesländer derzeit beabsichtigen, auf ein doppisches System umzusteigen, andererseits jedoch die Länder mit Ausnahme von Bayern, Thüringen und Schleswig-Holstein ihre Gemeinden zwingen, bis spätestens 2017 auf die Doppik umzusteigen, gebietet es der Grundsatz der Aufrichtigkeit, sich mit der Kameralistik, wie diese von den Gemeinden angewendet wird, zu beschäftigen und diese vergleichend darzustellen.


Kreditfinanzierung konsumtiver Ausgaben

Den Gemeinden ist es auf der Basis der kommunalen Kameralistik untersagt, konsumtive Ausgaben durch Kredite zu finanzieren. Die Kommunen sind gezwungen (es gibt Ausnahmen), mit ihren „laufenden“ Einnahmen ihre „laufenden“ Ausgaben zu bestreiten. Darüber hinaus muss noch so viel übrig bleiben, dass die Tilgungen für die aufgenommenen Kredite bestritten werden können (Pflichtzuführung). Dies ist auch eine klar definierte Schuldenbremse. Wenn die Gemeinden nicht nachhaltig in der Lage sind, ihre Tilgungen zu erwirtschaften, so darf die Rechtsaufsichtsbehörde keine weiteren Kredite genehmigen. Würde dies ein Beamter der Rechtsaufsichtsbehörde tun, beginge er ein Dienstvergehen.

Einfache Einnahme- und Ausgabenrechnung

Die kommunale Kameralistik ist keine einfache Einnahmen- und Ausgabenrechnung, wie dies Herr Fromme darstellt. Die Kommunen verbuchen im Verwaltungshaushalt im Soll die Aufwendungen und Erträge, im Ist die Einzahlungen und Auszahlungen, im Vermögenshaushalt im Soll die Einnahmen und Ausgaben und im Ist ebenfalls Einzahlungen und Auszahlungen.

Ressourcenverbrauch

In der kommunalen Kameralistik wird seit 1975 der Ressourcenverbrauch dokumentiert und zwar über kalkulatorische Kosten und über interne Leistungsverrechnungen. Dass dies im Wesentlichen nur bei den entgeltfinanzierten Einrichtungen gemacht wird hängt damit zusammen, dass dies nur hier wirklich Sinn macht. Es wäre jedoch ohne weiteres möglich, dies auf alle Bereiche auszudehnen. Die Länder haben es bis dato nicht gefordert, im Übrigen wäre der Informationsgewinn gering.

Bei den Gemeinden ist kein Aktivtausch möglich

Ein Kaufmann weist auf der Aktivseite seiner Bilanz das Sachvermögen und das Geldvermögen aus. Da er auf einem Markt operiert, kann er jederzeit (es gibt Ausnahmen) sein Sachvermögen in Geldvermögen eintauschen. Die Gemeinden können dies nicht. Es gibt niemanden, der einer Gemeinde Kinderspielplätze, Bolzplätze oder Grünanlagen abkauft und diese mit Verlust betreibt.

Kreditaufnahme für Investitionen

Kommunen dürfen Kredite ausschließlich für Investitionen aufnehmen und auch nur dann, wenn das Ergebnis stimmt (die Zuführungsrate des Verwaltungshaushalts muss höher sein als die Tilgungsrate). In sehr vielen Fällen werden jedoch im Unterschied zum Kaufmann mit diesen Krediten Vermögensgegenstände finanziert, mit denen keine Gewinne zu erzielen sind.

Beispiel: Während ein Kaufmann mit dem Betrieb einer Privatschule Gewinne erwirtschaftet, dürfen dies die Gemeinde und der Staat gerade nicht. Da man gleiche Bildungschancen für alle will, darf kein Schulgeld erhoben werden, und die Gemeinde muss ihre Grundschule mit hohen Verlusten betreiben, – ohne dass sie dadurch automatisch unwirtschaftlich handelt.

Die kommunale Doppik ist ein drittes System

Die kommunale Doppik, wie sie von den Kommunen in Hessen und NRW nun schon seit einiger Zeit eingesetzt wird, ist eine Mischung aus kaufmännischer Doppik und kommunaler Kameralistik. Während die kommunale Kameralistik doppelt auf einem Konto bucht (Soll und Ist), bucht die kommunale Doppik auf zwei Konten: auf einem im Soll und auf einem im Haben. Dadurch wird das Abbilden komplexer Sachverhalte – wie die Bildung von Haushaltsresten oder das Eingehen von Verpflichtungsermächtigungen – sehr viel schwieriger und für Gemeinderäte im Grunde nicht mehr zu verstehen. Dies führt zu deren „schleichenden“ Entmachtung.

Das Grundgesetz und die Länderverfassung gehen von Aufgaben und nicht von Produkten aus

Einer der augenscheinlichsten Unterschiede zwischen der kommunalen Kameralistik und der kommunalen Doppik des neuen Rechnungswesens besteht darin, dass es künftig einen Produktplan statt eines Gliederungsplans der Aufgaben geben wird.

In Artikel 71 Absatz 2 der Verfassung des Landes Baden- Württemberg (in anderen Bundesländern gilt Analoges) heißt es, dass die Gemeinden in ihrem Gebiet Träger der öffentlichen Aufgaben sind. Artikel 71 Absatz 3 bestimmt, dass den Gemeinden durch Gesetz die Erledigung bestimmter Aufgaben übertragen wird. Teil 1 der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg (GO) ist mit „Wesen und Aufgaben der Gemeinde“ überschrieben. § 1 der GO bestimmt, dass die Gemeinden die ihr von Land und Bund zugewiesenen Aufgaben erfüllen müssen. Es ist nie von Produkten die Rede, immer von Aufgaben.

Im Rahmen der Kameralistik waren und sind die praktische Gemeinderatstätigkeit und die theoretischen Vorgaben identisch. Der Haushaltsplan ist nach Aufgabenbereichen gegliedert, die Jahresrechnung bildet die Erledigung der einzelnen Aufgabenbereiche ab. In jeder Gemeinderatssitzung geht es um Aufgaben. Stetige Aufgabenerfüllung – dies ist es, wofür Gemeinderäte von den Bürgern gewählt wurden.

 

Walter Lutz

Diplom-Verwaltungswirt (FH), Diplom-Ökonom, Gemeinderat, Großrinderfeld, Baden-Württemberg
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