15.01.2011

Kreativität als Ressource der Zukunft

"creative industries" – dynamischer Motor für Standort und Wirtschaft

Kreativität als Ressource der Zukunft

"creative industries" – dynamischer Motor für Standort und Wirtschaft

Kreativität ist ein dynamischer Standortfaktor. | © Marc Remó - Fotolia
Kreativität ist ein dynamischer Standortfaktor. | © Marc Remó - Fotolia

Die besondere Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft als Standortfaktor rückt zunehmend ins öffentliche Bewusstsein. Es hat sich gezeigt, dass durch die Förderung von kulturellen und kreativen Unternehmen nicht nur Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern ein positives Klima entsteht, das zur Entwicklung eines innovationsfreudigen und kommunikativen Umfelds für die Wirtschaft beiträgt und der Abwanderung kreativer Nachwuchskräfte entgegenwirkt.

Auf Bundesebene zeigt die Bildung eines Kompetenzzentrums für Kultur- und Kreativwirtschaft durch die Bundesregierung im November 2009 mit dem Ziel der Schaffung einer bundesweiten und zugleich lokal vernetzten Beratungsagentur die wachsende Bedeutung der „creative industries“. Mit diesem Begriff werden Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, die „überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen“ (Wirtschaftsministerkonferenz am 09./10.06.2008 in Regensburg).

Dazu gehören das Verlagsgewerbe, die Film- und Rundfunkwirtschaft, die Sparten Journalismus und Nachrichtenbüros, die Branchen Musik, visuelle und darstellende Kunst, Museumsshops, Kunstausstellungen, Einzelhandel mit Kulturgütern (Musik- und Buchhandel, Galerien, Kunsthandel), Architekturbüros, Designwirtschaft (Industrie-, Mode-/Textil-Design, visuelles Design, Fotografiegewerbe), Werbung/Kommunikation (Werbevermittlung ohne Werbedesign), Software/Games (Software- und Spielentwicklung und -beratung, ohne Hardware und DV-Dienste).


Bedeutung der Kreativwirtschaft auf Landesebene

Das Land Baden-Württemberg hat die Bedeutung der Kreativwirtschaft erkannt: Im Dezember 2009 fand in Ludwigsburg das „Creativity World Forum 2009 Baden-Württemberg“ mit dem Regional Day im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) statt. Ziel der Veranstalter war es, im für 2009 ausgerufenen europäischen Jahr der „Kreativität und Innovation“ Entscheidungsträgern aus aller Welt eine Vernetzungs-Plattform zu geben und wesentliche Fragen der Kreativwirtschaft zu erörtern. Ludwigsburg als wichtiges Zentrum der baden-württembergischen Filmindustrie bot eine gute Kulisse für das Forum. Baden-Württemberg selbst zählt zu den innovativsten Regionen in Europa. Hier werden kulturelle und kreative Produkte entwickelt und vielen Menschen Beschäftigung gegeben. Herausragende Regionen in diesem Bereich finden sich in Ludwigsburg (Filmindustrie, Filmhochschule u. a.), Stuttgart (Kunst- und Musikhochschulen, Architektur, Sitz der MFG u. a.), Mannheim (Musikindustrie, Popakademie u. a.), Baden-Baden (Medienstandort, SWR u. a.) und Karlsruhe (verschiedene künstlerische Hochschulen, KIT, ZKM u. a.). Das Land Baden-Württemberg unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung kreativer und wissensintensiver Produkte und Dienstleistungen insbesondere in der Start- und Gründungsphase durch Verbesserung der Rahmenbedingungen und Stärkung bestehender Netzwerke, durch Förderung der Aus- und Weiterbildung im Bereich der künstlerischen Hochschulen oder im Rahmen der Clusterförderung durch Wettbewerbe.

Das steigende Potenzial der Kreativwirtschaft in Baden-Württemberg lässt sich auch anhand der Zahlen erkennen. Zuletzt waren 155 000 Erwerbstätige in Baden-Württemberg im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig (zum Vergleich: 69 000 in der chemischen Industrie, 238 000 im Fahrzeugbau, 315 000 im Maschinenbau). 16 % der bundesweit in der kreativen Branche Beschäftigten arbeiten in Baden-Württemberg. Die eher kleinbetrieblich strukturierten Betriebe der Kreativwirtschaft umfassen 28 000 Unternehmen mit einem Umsatz von 19 Mrd. Euro. Den größten Anteil an Erwerbstätigen und Beschäftigten kann die Software- und Games-Industrie verzeichnen. Sowohl bezüglich des Umsatzes als auch bezüglich der Erwerbstätigen ist Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich ein überproportional starker Standort. Im Jahresdurchschnitt wuchs die Beschäftigung in der Kreativwirtschaft in den letzten zehn Jahren mehr als doppelt so stark wie die Gesamtwirtschaft. Insbesondere die Entwicklung der Software-Branche ist für diese Steigerungen verantwortlich (Informations- und Kreativwirtschaft in Baden-Württemberg mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg, 2009).

Kreativwirtschaft zur Stärkung einer Region

Eine Region durch die Kreativwirtschaft zu stärken, hatten sich die Verantwortlichen der aktuellen Kulturhauptstadt 2010 Essen und das Ruhrgebiet vorgenommen. Die Kulturhauptstadt Ruhr.2010 hat als erste Kulturhauptstadt das Thema Kreativwirtschaft in ihr Gesamtkonzept integriert (www.ruhr2010.de).

Insbesondere der Strukturwandel nach dem Weggang der Kohle- und Stahlindustrie hatte hier eine entscheidende Bedeutung. Es müssen neue Märkte erschlossen werden, und das betrifft auch die Entwicklung der „nicht subventionierten Kultur, also (die) Bereiche, die sich mit Angebot und Nachfrage auseinandersetzen müssen“ (Gorny, Alles in Bewegung, in: Kreativwirtschaft stärken, Beilage der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010, Essen, 2010), u. a. die Kreativwirtschaft.

Bei den Transformationsprozessen von industrieller Wirtschaft zu kreativer Wirtschaft spielen Innovation, das kulturelle Umfeld und die Anwendung technologischer Entwicklungen eine große Rolle. Diese Faktoren müssen gestärkt und der sehr individuellen Szene der Kreativwirtschaft angepasst werden.

Genau dies wollen die Macher der Kulturhauptstadt RUHR.2010 verwirklichen. Als Beispiel sei die Gründung des European Center for Creative Economy (ECCE) genannt, das verbindende Strukturprojekte in der Region unterstützen und diese in den europäischen Kontext stellen möchte. Alle Verantwortlichen gehen davon aus, dass somit die Wirtschaft und der Standort der Region langfristig gestärkt und durch das kulturelle Umfeld und durch die „kreative Klasse“ die „städtischen Areale zukunftsfähig“ gemacht und dadurch „Innovationen und wirtschaftliches Wachstum“ geschaffen werden können.

Kreativwirtschaft als Chance für die Kommune

Innerhalb der Region Mittlerer Oberrhein in Baden-Württemberg bildet Karlsruhe ein Oberzentrum. Es leben ca. 290 000 Menschen in der Stadt. Die Bedeutung der Kreativwirtschaft in Karlsruhe ist im Landesvergleich hoch. Hier sind ca. 3020 Beschäftigte in der Kreativwirtschaft beschäftigt (Funck u. a., Kultur und Wirtschaft in Stadt und Region. Kulturwirtschaftsbericht II, Karlsruhe, 2007).

Karlsruhe und die TechnologieRegion weisen eine besonders günstige Struktur für die Entwicklung der Kreativwirtschaft auf: Hier herrscht ein vom gesunden Mittelstand geprägtes wirtschaftliches Klima, es existiert eine besonders herausragende Kulturlandschaft mit bedeutenden öffentlichen Einrichtungen wie das ZKM, die Staatliche Kunsthalle oder das Badische Staatstheater. Zudem gibt es eine Vielzahl privat geführter Kulturinstitutionen wie das Tollhaus, zahlreiche Privattheater, Musikclubs mit engagiertem kulturellem Programm sowie eine große Anzahl an freien Kulturschaffenden.

Eine exzellente und herausragende Hochschullandschaft, bestehend aus u. a. den drei staatlichen künstlerischen Hochschulen (Hochschule für Gestaltung, Staatliche Musikhochschule und Staatliche Kunstakademie) und dem Karlsruher Institute of Technology (KIT) mit hochrangigen Forschungs- und Lehreinrichtungen bilden den Nachwuchs für die Kreativwirtschaft an der Schnittstelle von Kunst und Technologie aus. Außerdem ist die wirtschaftliche Plattform mit zwei hochkarätigen Messen (art Karlsruhe und Eu-Nique) gegeben. Darüber hinaus sind gerade in Karlsruhe und der TechnologieRegion innovative und technologieorientierte IT-Unternehmen ansässig, aus denen Netzwerke wie das Cyberforum hervorgegangen ist, welches maßgeblich am Erfolg Karlsruhes beim Europäischen IT-Clusterwettbewerb beteiligt war.

Aus diesem bestehenden Potenzial lässt sich für Karlsruhe und die Region erkennen: Innovation, Kreativität, Kultur und technologische Kompetenz prägen die Einzigartigkeit Karlsruhes und sind zukunftsweisend für den ganzen Bereich der Kreativwirtschaft in dieser Region. Wenn diese Bereiche interdisziplinär vernetzt werden und dem jungen, innovativen Nachwuchs Forschungs- und Gründerplattformen für die Entwicklung marktfähiger Produkte geboten werden, ist Karlsruhe und die TechnologieRegion mit einem herausragenden Alleinstellungsmerkmal im Bereich der Kreativwirtschaft ausgestattet. Diese Symbiose der Künste mit der Technologie wird bereits am Zentrum für Kunst- und Medientechnologie (ZKM) oder an der Hochschule für Gestaltung (HfG) abgebildet.

Ein kreatives, kommunikatives und inspirierendes Umfeld kann man in Karlsruhe bereits auf einem Gelände für Kreativwirtschaft finden: dem Kreativpark „Alter Schlachthof“ (Sieber/Reich, Masterplanprojekt: Kreativpark Alter Schlachthof, in Karlsruher Wirtschaftsspiegel 2009/2010, Hrsg. Stadt Karlsruhe, Wirtschaftsförderung, Karlsruhe 2009). Ende 2006 wurde der Betrieb des 1887 gegründeten Karlsruher Schlachthofes eingestellt. Hier existieren bereits auf einem denkmalgeschützten ehemaligen Schlachthofgebiet eine Vielzahl von Kultureinrichtungen, Kulturgewerbe und kreativwirtschaftlichen Unternehmen. Als Beispiele seien hier das Kulturzentrum Tollhaus, der Jazzclub, das Filmhaus mit mehreren Firmen und Institutionen aus der Film- und Medienbranche, die Staatliche Hochschule für Musik im Schloss Gottesaue, das Menschenrechtszentrum sowie eine Musikbar genannt. Das Gelände befindet sich noch inmitten der Konversionsphase, doch das Zukunftspotenzial ist sehr groß. Hier soll noch weitaus mehr Raum für Gewerbe, Gründer, Ateliers etc. geschaffen werden.

Um die in Karlsruhe einmalige Verbindung von technologischem Know-how und künstlerischem Talent weiter ausbilden zu können, müssen Partner aus Kunst, Technologie, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenkommen, um gemeinsam zu wirken. Dabei kann die 1983 gegründete Technologiefabrik, aus der sich seit ihrer Entstehung ca. 270 Unternehmen sowie Netzwerke und Initiativen – wie das Cyberforum oder der Technologiepark – herausgebildet haben, vorbildhafte Wirkung zeigen.

Die Förderung und Entwicklung von Kreativwirtschaft schafft neue Netzwerke, setzt aber auch Netzwerke voraus (Dr. Asche/Sieber/Reich/Wirtz, Konzeptentwurf für ein Innovations- und Kreativwirtschaftszentrum [IKW], Karlsruhe 2009). Die Hochschulen können beispielsweise bei ihren Lehrangeboten die Bereiche Innovation und Kreativität, gekoppelt mit betriebswirtschaftlichen Modulen, berücksichtigen. Beratungsforen für Existenzgründer können installiert bzw. ausgebaut werden. Es sollte Platz für die Entwicklung und Vermarktung marktfähiger Produkte geschaffen – und nicht zuletzt den Existenzgründern eine Heimat, ein Ort gegeben werden, an dem sie arbeiten, forschen und aufbauen können.

 

Elke Sieber

Leiterin Kulturbüro der Stadt Karlsruhe, Kulturamt
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