15.01.2011

Optimale Ausschreibung

Praxishinweise: Vergaben und Rettungsdienst

Optimale Ausschreibung

Praxishinweise: Vergaben und Rettungsdienst

Der Bevölkerungsschutz hat höchste Priorität bei der Ausschreibung von 
Leistungen. | © Light Impression - Fotolia
Der Bevölkerungsschutz hat höchste Priorität bei der Ausschreibung von Leistungen. | © Light Impression - Fotolia

Wie können öffentliche Auftraggeber, zielgerichtet und an lokale Gegebenheiten angepasst, Leistungen des Rettungsdienstes ausschreiben? Wie kann das Risiko von Nachprüfungsverfahren verringert werden? Zu diesen Fragen möchte der Beitrag praktische Anregungen geben.

Grundregeln des Vergaberechts

Grundregeln des Vergaberechts sind Gleichbehandlung der Bieter/Bewerber sowie die Transparenz des Verfahrens. Dies bedeutet: Bieter dürfen nicht willkürlich benachteiligt werden, die Chancengleichheit muss gewahrt werden.

Ebenso müssen das Verfahren und die „Spielregeln“, also insbesondere die Eignungs- und Zuschlagskriterien „glasklar“ sein und auch kommuniziert sowie konsequent eingehalten werden. Wer diese Vorgaben beherzigt, vermeidet etwa 95 % aller Fehler.


Die „drei Schubladen“

Für die Strukturierung einer Vergabe hat sich eine Systematisierung in „Schubladen“ bewährt:

–  Schublade 1: Hier findet sich der Leistungsinhalt (vertragliche Regelungen);

–  Schublade 2: Hier geht es um das Eignungsprofil des Unternehmens;

–  Schublade 3: Hier geht es um die Zuschlagskriterien (wirtschaftlichstes Angebot).

Dies sei wie folgt erläutert:

Schublade 1:

In diese Schublade gehört alles, was der öffentliche Auftraggeber benötigt, also der vollständige Auftragsgegenstand nebst Leistungsverzeichnis sowie Ablauf- und Krisenplanung. Zu denken ist neben den Leistungen des Rettungsdienstes auch an die Vorhaltung von Kapazitäten für größere Schadensereignisse (SEGen für den MANV), Mitarbeit im Katastrophenschutz usw. Schlagwortartig gilt: Der öffentliche Auftraggeber definiert seinen Beschaffungsbedarf selbst. Unbedenklich ist eine Finanzierung aus mehreren Quellen (GKV für Leistungen des Rettungsdienstes einerseits, Träger für die übrigen Leistungen andererseits). Möglich ist somit, dass vertraglich ein Engagement des Rettungsdienstleisters im Katastrophenschutz festgeschrieben wird, auch wenn die Finanzierung von Leistungen des Katastrophenschutzes dadurch erfolgt, dass einerseits ehrenamtliche Arbeit geleistet wird und andererseits Geld- und Sachmittel von der für den Katastrophenschutz zuständigen Verwaltung gestellt werden.

Schublade 2:

In diese Schublade gehören die Nachweise, die das Profil des für den Auftrag geeigneten Unternehmers definieren. Schlagwortartig gilt: Der öffentliche Auftraggeber darf sich, soweit durch den Vertragsgegenstand gerechtfertigt, seinen Bieter „backen“. Er hat hierbei einen erheblichen, gerichtlich nicht überprüfbaren Spielraum. So kann der Auftraggeber durchaus durch die Forderung nach Referenzen aus bis zu drei Jahren die Zulassung von „Newcomern“ verhindern (kein „learning by earning“). Das Mittel der Wahl für den Nachweis der Eignung sind Eigenerklärungen. Diese sollten, soweit möglich, durch den Auftraggeber im Vorhinein strukturiert oder sogar formuliert werden.

Schublade 3:

Hier hinein gehört alles, was die Qualität des Angebotes selbst ausmacht. Ein „Mehr an Eignung“ des Bieters kann niemals relevant für die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes sein. Auch Zuschlagskriterien müssen auftragsbezogen sein. Dass die Mitwirkung im Katastrophenschutz oder die Qualität von Konzepten für die Mitwirkung bei größeren Schadenslagen denkbare Zuschlagskriterien sind, dürfte wahrscheinlich sein. Gänzlich ungesichert jedoch ist, welcher Anteil („Wichtung“) am Gesamturteil zulässig ist, wenn der Katastrophenschutz nicht zum Auftragsgegenstand gehört. Wer eine Mitwirkung im Katastrophenschutz als wichtig ansieht, ist daher gut beraten, dies gleich zum Vertragsgegenstand zu machen.

Entscheidende Weichenstellung – Wahl des Verfahrens

Das Vergaberecht schreibt als Regel das Offene Verfahren vor: Jeder Bieter darf ein Angebot abgeben; das Verfahren ist offen für alle. Sobald bei der Wertung ersichtlich ist, dass die geforderte Eignung vorhanden ist, ist auch das Angebot zu werten. Es gibt keine Verhandlungen, sondern nur ein finales Angebot. Voraussetzung für das Offene Verfahren ist jedoch Folgendes: Der Auftragsgegenstand muss abschließend beschreibbar sein. Das Leistungsverzeichnis muss also vorab lückenlos definiert werden können. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn nur Leistungen des Rettungsdienstes ausgeschrieben werden und vorab feststeht, welches Fahrzeug mit welcher Besatzung zu welchen Zeiten wo eingesetzt werden soll.

Denkbar ist unter bestimmten Voraussetzungen auch die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens. Hierbei handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren: Zunächst wird auf Grundlage einer Bekanntmachung ein Teilnahmewettbewerb durchgeführt, in dessen Folge zum einen die Geeigneten von den Ungeeigneten getrennt und dann unter den Geeigneten die am besten Geeigneten ausgesucht werden. In der zweiten Stufe werden – sinnvoller Weise auf Grundlage eines vom Auftraggeber möglichst konkret gefassten Vertragsentwurfs – die Verhandlungen durchgeführt. Der Vorteil ist, dass alle Beteiligten ihre Ideen zur Gestaltung von Leistungsverzeichnis und Vertrag einbringen können. Dies vergrößert die Akzeptanz bei den Bietern, weil diese nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Ebenfalls sind formale Zwänge nicht in dem Maße vorhanden wie beim Offenen Verfahren. Das Ergebnis ist ein weitgehend einheitlicher Vertragsentwurf, auf den die Bieter ihr verbindliches Schluss-Angebot abgeben. Die wesentlichen Leistungspflichten müssen für das verbindliche Angebot abschließend definiert sein, damit bei der Wertung nicht „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden. Soweit es noch Unterschiede gibt (z. B. im Umfang der Mitwirkung im Katastrophenschutz), müssen diese anhand klarer und vorher kommunizierter Kriterien wertungsrelevant sein.

Zulässig ist das Verhandlungsverfahren z. B. dann, wenn nicht nur der Regelrettungsdienst, sondern Leistungen im Bevölkerungsschutz insgesamt erbracht werden sollen. Der Rettungsdienst darf nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr handelt es sich bei ihm um einen integralen Bestandteil des komplexen Systems „Bevölkerungsschutz“. Vor dem Hintergrund der Komplexität dieser Aufgabenstellung wiederum dürfte in diesen Fällen das Verhandlungsverfahren – als Ausnahme zum Offenen Verfahren – gerechtfertigt sein.

Mögliche Entwicklungen in den Konzessionsländern

Auch in den Konzessionsländern kann der Rettungsdienst nicht willkürlich vergeben werden. Wenn die Aufträge von grenzüberschreitendem Interesse sind (allein die Auftragsvolumina deuten regelhaft darauf hin), sind die Grundregeln der Transparenz und Nichtdiskriminierung aus dem Europarecht anzuwenden. Die anstehende Vergabe von Rettungsdienst-Konzessionen muss vorher ausreichend bekanntgemacht werden. Der Bieterkreis darf nicht ohne Not begrenzt werden. Im Endeffekt hat man zwar nicht die engeren Regeln des EU-Vergaberechts zu beachten. Dennoch wird es zu einer Vorgehensweise kommen, die dem durch EU-Recht geregelten Verfahren sehr weit ähnelt. Weitere Hinweise dürften sich aus einer für das erste Quartal 2011 anstehenden Entscheidung des EuGH zum Konzessionsmodell in Bayern ergeben.

Resümee

EU-Vergaberecht ist über Jahrzehnte gewachsenes Erfahrungswissen. Bei korrekter und praxisgerechter Anwendung gibt es eine ausreichende Anzahl von Stellschrauben, durch die sinnvolle Ergebnisse sichergestellt werden. Die Befürchtung, dass die Anwendung des EU-Vergaberechts den Bevölkerungsschutz insgesamt gefährdet, ist ungerechtfertigt.

 

Ermbrecht Rindtorff

Rechtsanwalt, Steuerberater SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
 

René M. Kieselmann

Rechtsanwalt SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
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