15.06.2011

„Verdeckte“ Ablösungsvereinbarungen

Ablösung von Erschließungsbeiträgen in Grundstückskaufverträgen

„Verdeckte“ Ablösungsvereinbarungen

Ablösung von Erschließungsbeiträgen in Grundstückskaufverträgen

Eine unwirksame Ablösungsvereinbarung führt zu einem insgesamt unwirksamen Grundstückskaufvertrag. | © FM2 - Fotolia
Eine unwirksame Ablösungsvereinbarung führt zu einem insgesamt unwirksamen Grundstückskaufvertrag. | © FM2 - Fotolia

In Grundstückskaufverträgen, die mit Gemeinden abgeschlossen werden, ist häufiger geregelt, dass mit dem Kaufpreis auch die Erschließungskosten abgegolten sind. Angestrebt wird mit dieser Regelung, dass Erschließungs- bzw. Anschlussbeiträge für die erworbenen Grundstücke nicht mehr erhoben werden. Wenn der auf die Ablösung der Erschließungskosten entfallende Anteil des Kaufpreises nicht offengelegt worden ist, wird von einer „verdeckten Ablösung“ gesprochen.

Solche Vereinbarungen sind problematisch und können zur Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrages führen (BGH, Urt. v. 06.02.2009, Az.: V ZR 26/08 – zitiert nach Juris). Wenn Grundstückseigentümern trotz solcher Grundstückskaufverträge später Beitragsbescheide zugehen, ist die Überraschung häufig groß. Praktisch wird dies vor allem dort, wo der Beitragsberechtigte nicht die Gemeinde als Vertragspartner des Grundstückskaufvertrages ist, sondern ein Dritter, z. B. ein für die Wasser- und Abwasserentsorgung zuständiger Zweckverband und wo die abzulösende Maßnahme nicht genau bezeichnet worden ist. Dann stellt sich für die Vertragspartner die Frage, ob Rückabwicklungs- und Schadenersatzansprüche bestehen.

Voraussetzungen für Ablösungsvereinbarungen

Grundsätzlich sind nach Maßgabe der einschlägigen Beitragssatzungen für die Herstellung von Erschließungsanlagen Erschließungs- bzw. – soweit es um leitungsgebundene Anlagen geht – Anschlussbeiträge zu erheben. Die einschlägigen Regelungen hierzu finden sich in den §§ 127 ff. Baugesetzbuch (BauGB) bzw. in den jeweiligen Kommunalabgabengesetzen (KAG) der Bundesländer. Hiervon abweichend ist es nach Maßgabe einschlägiger gesetzlicher Regelungen (z. B. § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB) bzw. weil die Rechtsprechung dies als allgemein geltendes beitragsrechtliches Rechtsinstitut betrachtet (Driehaus, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, Stand: 2011, § 8 Rn. 152) zulässig, Ablösungsverträge zu schließen. Die Wirkung von Ablösungsverträgen besteht darin, dass die abgelösten Beiträge nicht erhoben werden dürfen. Voraussetzung für die Wirksamkeit von Ablösungsverträgen ist,


– dass die abzulösende Maßnahme genau bezeichnet worden ist,
– dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die zur Beitragserhebung für diese Maßnahme berechtigte Gebietskörperschaft der Vertragspartner ist,
– dass der Ablösungsvertrag vor Entstehung der Beitragspflicht geschlossen worden ist,
– dass die Gemeinde wirksame Ablösungsbestimmungen getroffen hat,
– dass die Ablösungsvereinbarung in Übereinstimmung mit den Ablösungsbestimmungen berechnet worden ist und
– dass die Ablösung sich auf ein beitragspflichtiges Grundstück bezieht (Driehaus, a.a.O. § 8 Rn. 153 ff.).

Ferner müssen – soweit die Ablösungsvereinbarung im Grundstückskaufvertrag enthalten ist – die jeweiligen Ablösungsbeträge für jede einzelne beitragspflichtige Maßnahme offen gelegt und getrennt ausgewiesen werden, weil anderenfalls nicht überprüft werden kann, ob Ablösungsbeträge unter Beachtung der für sie geltenden Vorgaben ermittelt worden sind (BVerwG, Urt. v. 01.12.1989, Az.: 8 C 44/88, NJW 1990, 1679 ff., VGH Mannheim, Urt. v. 26.06.2003, Az.: 2 S 2567/01 – zitiert nach Juris).

Sind die vorstehend dargestellten Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Ablösungsvereinbarung unwirksam (BVerwG, Urt. v. 01.12.1989, a.a.O., VGH Mannheim, Urt. v. 26.06.2003, a.a.O.). Erschließungs- bzw. Anschlussbeiträge, die eigentlich abgelöst werden sollten, können dann grundsätzlich noch erhoben werden.

Folgen einer unwirksamen Ablösungsvereinbarung für den Grundstückskaufvertrag

Ist die Ablösungsvereinbarung – wie in dem eingangs geschilderten Fall – im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags „verdeckt“ geschlossen worden, hat die Unwirksamkeit der Ablösungsklausel nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrags insgesamt. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil (BGH, Urt. v. 06.09.2009, Az.: V ZR 26/08 – zitiert nach Juris) dazu ausgeführt, dass die (unwirksame) Vereinbarung über die Ablösung von Erschließungskosten nicht isoliert neben den kaufvertraglichen Regelungen steht, sondern untrennbar mit ihnen verbunden ist. Der Käufer wolle wirtschaftlich und rechtlich ein erschlossenes Grundstück zu dem von ihm gezahlten Grundstückskaufpreis erwerben. Diese Rechtsfolge trete aber nicht ein, wenn er – wie in dem geschilderten Fall – noch Erschließungs- bzw. Anschlussbeiträge zahlen müsse. Dann spreche sehr viel dafür, dass der gesamte Grundstückskaufvertrag unwirksam sei (zumal wenn – wie bei der vom BGH entschiedenen Sachlage – Beiträge in beachtlicher Höhe zu zahlen waren).

Ist der Grundstückskaufvertrag unwirksam, sind hinsichtlich etwaiger Rückabwicklungsansprüche (§§ 812 ff. BGB) die Verjährungsvorschriften zu beachten. Die Ansprüche auf Rückübertragung des verkauften Grundstücks und auf Rückzahlung des Kaufpreises, also auch auf die anteiligen Erschließungskosten, verjähren nach zehn Jahren (§ 196 BGB). Es handelt sich um gesetzliche Bereicherungsansprüche gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, die – wie der BGH in dem Urteil vom 06. 02. 2009 ausführt – in einem durch die Rückabwicklung begründeten Gegenseitigkeitsverhältnis stehen; auf sie sei § 196 BGB anwendbar.

Soweit der Lauf der Verjährung zwar schon vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform, also vor dem 01.01.2002, begonnen hat, die Verjährung der Rückabwicklungsansprüche zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht eingetreten war, gilt die Frist von 10 Jahren gemäß § 196 BGB (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB), falls nicht die nach altem Recht geltende Frist von 30 Jahren vorher endet (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). Bei dem Vergleich ist zu berücksichtigen, dass die 10-jährige Verjährungsfrist in diesem Fall von dem 01.01.2002 an berechnet wird (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB), falls der Fristbeginn nicht ausnahmsweise gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hinausgeschoben ist, weil die subjektiven Voraussetzungen erst später eingetreten sind (vgl. auch BGH, Urt. v. 06.09.2009, a.a.O., – zitiert nach Juris, dort Rn. 27). Praktisch hat dies zur Folge, dass Rückabwicklungsansprüche hinsichtlich der Grundstückskaufverträge, die vor dem 01.01.2002 geschlossen und erfüllt worden sind, vielfach zum Ende des Jahres 2011 verjähren.

Hinweispflichten der Gemeinden auf weitere beitragspflichtige Maßnahmen

Gegebenenfalls ist im Wege der Auslegung zu klären, bezüglich welcher beitragspflichtiger Maßnahmen die Ablösungsvereinbarung überhaupt gelten soll. Ergibt sich aus dem Vertrag, dass die Ablösung sich auf bestimmte beitragspflichtige Maßnahmen, z. B. die Entwässerungseinrichtungen, überhaupt nicht bezieht, bleibt das Recht und die Pflicht zur Beitragserhebung insoweit unberührt. In Betracht kann allenfalls kommen, dass die Gemeinde wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen Schadenersatz in Höhe des negativen Interesses zu leisten hat, wenn sie den Vertragspartner darauf hätte hinweisen müssen, dass noch weitere Beitragslasten auf ihn als Käufer zukommen werden, die nicht schon mit dem Kaufpreis bzw. dem für die Ablösung angesetzten Betrag abgegolten sind (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 27.06.2008, Az.: VZR 135/07 – zitiert nach Juris).

Nach der Rechtsprechung des BGH besteht bei den Vertragsverhandlungen, auch soweit die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Verhandelnden die Pflicht, die andere Partei über solche Umstände aufzuklären, die den von ihr verfolgten Vertragszweck vereiteln können und daher für ihren Entschluss zum Vertragsschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern diese eine solche Unterrichtung nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte. Deshalb muss eine Gemeinde als Vertragspartner den Grundstückskäufer, falls nur sie davon Kenntnis hat, darüber informieren, dass auf ihn zusätzliche Beitragslasten infolge der künftigen Errichtung einer zentralen Kläranlage durch den in Gründung befindlichen Abwasserzweckverband zukommen, wenn der Käufer erkennbar davon ausgeht, dass der Kaufpreis die Gesamtkosten des Grundstückserwerbs einschließlich seines Anteils am Erschließungsaufwand deckt (BGH, Urt. v. 27.06.2008, a.a.O., zitiert nach Juris, dort Rn. 10 ff.).

Etwaige Schadenersatzansprüche des Käufers wegen des unerwartet eintreffenden Beitragsbescheides aus Verschulden bei Vertragsschluss verjähren in drei Jahren (§ 195 BGB). In seinem Urteil vom 06. 02. 2009 hat der BGH in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass ein Schadenersatzanspruch – wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen – mit dem Zugang des Beitragsbescheids entstanden ist, nicht dagegen erst dann, wenn ein Beitragsbescheid bestandskräftig geworden ist. Das Entstehen des Anspruchs ist also nicht beispielsweise auf den rechtskräftigen Abschluss einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen den Beitragsbescheid hinaus geschoben. Ein Schaden ist – wie der BGH ausführt – auch dann entstanden, wenn noch nicht feststeht, ob er bestehen bleibt und damit endgültig wird. Regelmäßiger Verjährungsbeginn ist also der Schluss des Kalenderjahres, in dem der jeweilige Beitragsbescheid zugegangen ist; dies gilt auch dann, wenn der Beitragsbescheid mit Rechtsmitteln angegriffen wurde, also noch nicht bestandskräftig ist. Anders kann dies – wie der BGH ausführt – allerdings zu beurteilen sein, wenn es sich um eine unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage handelt, so dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH, Urt. v. 06.02.2009, a.a.O. – zitiert nach Juris, dort Rn. 21 ff.).

 

Dr. Martin Hoffmann

Rechtsanwalt, Partner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, White & Case LLP, Hamburg
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