15.06.2011

Korrekter Umgang mit Plagiatsvorwürfen

Eine Zwischenbilanz aus Anlass des Falls "zu Guttenberg"

Korrekter Umgang mit Plagiatsvorwürfen

Eine Zwischenbilanz aus Anlass des Falls "zu Guttenberg"

Mit Plagiatsvorwürfen ist nicht nur die Universität Bayreuth konfrontiert. | © Stiefi - Fotolia
Mit Plagiatsvorwürfen ist nicht nur die Universität Bayreuth konfrontiert. | © Stiefi - Fotolia

Die Universität Bayreuth hatte in den letzten Monaten seit Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe gegen den damaligen Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg die Aufgabe zu bewältigen, wie in einem solchen Fall korrekt zu verfahren ist. Das öffentliche und das mediale Interesse an dem Vorgehen der Universität waren enorm. Mittlerweile sind – aufgrund der Recherchen entsprechender Internetplattformen – auch weitere Universitäten mit vergleichbaren Fällen konfrontiert. Die Frage der Reaktionsmöglichkeiten der Universität bei Plagiatsvorwürfen in Dissertationen hat somit neue Aktualität erlangt. Der Beitrag versucht eine Zwischenbilanz.

Zwei Kommissionen

Das Bekanntwerden von Plagiatsvorwürfen in Doktorarbeiten berührt regelmäßig den Zuständigkeitsbereich zweier zu unterscheidender universitärer Gremien: zum einen der Promotionskommission der jeweiligen Fakultät, die für die Entscheidung über die promotionsrechtlichen Konsequenzen (z. B. Aberkennung des Titels) zuständig ist, zum anderen der Universitätskommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“, wie sie unter diesem oder ähnlichem Namen an den meisten Universitäten existiert. Derartige Kommissionen der wissenschaftlichen Selbstkontrolle beruhen auf den Empfehlungen der DFG und anderer Wissenschaftsorganisationen und dienen der institutionellen Sicherung der wissenschaftlichen Redlichkeit (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayHSchG). Es handelt sich um interne Beratungsgremien, deren Aufgabe die Feststellung wissenschaftlichen Fehlverhaltens und die Unterbreitung von Vorschlägen für etwaige Konsequenzen an die zuständigen Stellen ist.

Was das Verhältnis der beiden Kommissionen anbetrifft, sind verschiedene Szenarien denkbar. Eindeutig ist, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über eine etwaige Aberkennung des Titels letztlich allein bei der Promotionskommission liegt. Möglich ist es indes, dass die Promotionskommission nicht sogleich entscheidet, sondern zunächst die Untersuchungen der Kommission „Selbstkontrolle“ abwartet, d. h. sich ihrer als eine Art internen Vorbereitungsgremiums für die letztlich zu treffende promotionsrechtliche Entscheidung bedient; die internen Regeln der Universität Bayreuth sehen diese Vorgehensweise sogar als den Normalfall an.


Der Promotionskommission als der zuständigen Stelle bleibt es andererseits unbenommen, abweichend von diesem Normalfall bei Vorliegen besonderer Gründe die Sache auch sogleich an sich zu ziehen und durchzuentscheiden. Letzteres ist im Fall zu Guttenberg auch tatsächlich geschehen, da es der Öffentlichkeit, nachdem Herr zu Guttenberg selbst gravierende Fehler eingestanden und die Universität sogar ausdrücklich um Rücknahme des Titels gebeten hatte, zu Recht schwer vermittelbar gewesen wäre, wenn die Universität, obwohl die Sache entscheidungsreif war, zunächst umfängliche interne Untersuchungen eingeleitet und die Schlussentscheidung verzögert hätte. Ebenso klar war umgekehrt, dass für die Universität mit der Aberkennung des Titels, die bereits am 23. 02. 2011 erfolgte, die Befassung mit dem Fall nicht abgeschlossen sein würde. Bereits die Pressemitteilung über die Aberkennung hatte deswegen darauf hingewiesen, dass die Arbeit der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ durch die Entscheidung der Promotionskommission unberührt bleibt.

In der Tat hat der Fall zu Guttenberg überdeutlich gemacht, dass sich ein Fall wie der vorliegende, der die Wissenschaft und die Öffentlichkeit so stark beschäftigt, allein mit der verwaltungsmäßigen Rücknahme eines Verwaltungsaktes (hier der Verleihung des Titels) nicht befriedigend erledigen lässt, sondern der gründlichen Aufarbeitung und wissenschaftsethischen Bewertung bedarf. Die Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“, in der auch der Sachverstand anderer Fakultäten vertreten ist und die sich für ihre Arbeit auch des Rats externer Experten bedienen kann, ist für diese Aufgabe einer unabhängigen Untersuchung in besonderem Maße geeignet. Es war deswegen richtig, dass diese Kommission weiter getagt und namhafte externe Experten hinzugezogen hat. Am 11. 05. 2011 konnte der Abschlussbericht vorgelegt und veröffentlicht werden.

Rechtsgrundlage der Aberkennung

Die Promotionskommission hat ihre Entscheidung zur Aberkennung des Titels auf Art. 48 VwVfG (Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts) gestützt. Grund für die Aberkennung war, dass die Arbeit in so erheblichem Umfang an objektiven Verstößen gegen die Zitierpflicht litt, dass sie – bei Kenntnis dieser Verstöße – nicht als Dissertation hätte angenommen werden dürfen. Die Frage eines subjektiven Täuschungsvorsatzes (den Herr zu Guttenberg von Beginn an entschieden bestritten hatte) musste die Promotionskommission nicht abschließend klären, denn Art. 48 VwVfG gestattet die Rücknahme bei hinreichend gravierenden objektiven Mängeln der Arbeit, auch ohne dass ein Täuschungsvorsatz nachgewiesen werden müsste. Er ist insoweit – im Vergleich zu vielen Bestimmungen in Promotionsordnungen, die auf die Täuschung abstellen (auch § 16 Abs. 2 der Promotionsordnung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth) – die strengere Regelung.

Mit ihrer Entscheidung, Art. 48 VwVfG anzuwenden und die Frage einer Täuschung vorerst nicht abschließend zu klären (zur Frage einer Täuschung hat sich weitaus später – im Mai 2011 – erst die Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ abschließend geäußert), ist die Promotionskommission in Teilen der Öffentlichkeit zunächst auf harsche Kritik gestoßen. Diese Kritik ist indes juristisch nicht haltbar. Dass Art. 48 VwVfG für die Frage der Rücknahme von Promotionen die maßgebliche Rechtsgrundlage ist, geht aus Art. 69 BayHSchG unzweifelhaft hervor. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass Art. 48 VwVfG eine für die Aberkennung des Doktorgrades ausreichende Rechtsgrundlage darstellt, seine Heranziehung entspricht dem üblichen Vorgehen auch an anderen Universitäten. Und auch die Promotionsordnung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät kennt keineswegs allein die Aberkennung wegen nachgewiesener Täuschung (§ 16 Abs. 2), sondern ist von Beginn an auch für die Entziehung aus anderen Gründen offen (vgl. den Verweis in § 16 Abs. 5, der nach Aufhebung des AkaGrG freilich an die aktuelle Rechtslage angepasst werden sollte). Die Rücknahme des Doktorgrades auf den Nachweis eines Täuschungsvorsatzes zu stützen, ist deswegen nur eine, nicht aber die einzige Möglichkeit der Begründung einer Rücknahmeentscheidung.

Freilich wäre es theoretisch möglich gewesen, auch den Weg des § 16 Abs. 2 der Promotionsordnung zu gehen und – nach entsprechender Prüfung – auf Täuschung zu erkennen. Dies hätte, da der Betroffene die Täuschung gerade bestritt, bei rechtsstaatlich korrektem Vorgehen indes zumindest vorausgesetzt, ihm die Möglichkeit einer Anhörung einzuräumen und sich im Einzelnen mit seinen Einlassungen auseinanderzusetzen. Das Verfahren wäre dadurch erheblich verzögert worden und dies, obwohl alle für die sofortige Rücknahme des Doktorgrades notwendigen Fakten unstreitig auf dem Tisch lagen. Wir sind überzeugt, dass der Weg einer zügigen, rechtssicheren Entscheidung im Interesse der Wissenschaft notwendig war, zumal die weitere Prüfung durch die Kommission „Selbstkontrolle“ ohnehin unberührt blieb.

Weitere Untersuchung und Veröffentlichung des Berichts

Es konnte nicht ausbleiben, dass sodann allerdings – mit nunmehr genau umgekehrter Stoßrichtung – auch die Arbeit der Kommission „Selbstkontrolle“ in die Kritik geriet. So wurde vorgebracht, dass die Universität nach Aberkennung des Titels gegenüber einem externen Doktoranden, der nicht ihrer Verbandsgewalt unterliegt, kein Recht mehr zur Prüfung des wissenschaftlichen Fehlverhaltens oder gar zu einer Veröffentlichung der Ergebnisse habe; es fehle hierzu die Rechtsgrundlage. An dieser Kritik ist richtig, dass die Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“, die allein auf internen Beschlüssen der Universitätsgremien beruht, rechtlich schwach verfasst ist; eine Regelung durch Satzungsrecht der Universität, die das Hochschulrecht gestattet (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayHSchG), steht in Bayreuth noch aus. Ob die Kommission generell zu Grundrechtseingriffen gegenüber dem Betroffenen berechtigt ist, erscheint fraglich.

Dennoch kann die geltend gemachte Kritik im Ergebnis nicht überzeugen. Allein die interne Befassung eines Universitätsgremiums mit der Frage wissenschaftlichen Fehlverhaltens, die insbesondere auch mit dem Zweck geschieht, nach möglichen Ursachen und Konsequenzen für den Universitätsbetrieb zu fragen, wird man wohl noch nicht als Grundrechtseingriff werten können, der einer ausdrücklichen Befugnisnorm bedürfte, ganz abgesehen davon, dass für eine solche interne Klärung von Fragen der wissenschaftlichen Redlichkeit auch die Wissenschaftsfreiheit streiten dürfte. Anders liegen die Dinge, was die Frage einer Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse anbelangt; hier wird man einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte kaum bestreiten können.

Zu beachten ist allerdings, dass Herr zu Guttenberg ausdrücklich seine Einwilligung zu einer solchen Veröffentlichung gegeben hat, so dass diese jedenfalls infolgedessen gerechtfertigt war. Zur Erklärung der Einwilligung war er rechtlich nicht verpflichtet, weswegen ihm die Universität hierfür auch ausdrücklich gedankt hat. Denn nur durch die Veröffentlichung, an der ein so großes öffentliches Interesse bestand, konnte der Bericht jene befriedende Wirkung entfalten, die man sich von einem solchen – in aller Gründlichkeit recherchierten und unter Heranziehung auch externen Sachverstands erstellten – Bericht erhofft.

Schluss

Die Entscheidungsträger der Universität Bayreuth standen in den letzten Wochen unter scharfem Beobachtungsdruck. Sie sind überzeugt, dass sie rechtlich korrekt und im Interesse der Wissenschaft gehandelt haben. Zuzugeben ist allerdings, dass die Rechtsgrundlagen für die einer Universität bei derartigen Plagiatsfällen zukommenden Reaktionsmöglichkeiten – sowohl in den Promotionsordnungen als auch, was die Aufgaben und Befugnisse der Kommission „Selbstkontrolle“ betrifft – klarer geregelt sein könnten. Die Universität Bayreuth wird sich der Aufgabe stellen, für derartige klare Regeln zu sorgen. Der Abschlussbericht der Kommission „Selbstkontrolle“ enthält hierzu konkrete Vorschläge. Auch andere Universitäten sollten nicht zuwarten, bis sie von einem vergleichbaren Fall überrascht werden.

 

Prof. Dr. Markus Möstl

Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Bayreuth
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