15.06.2011

Sicher ist sicher!

Fallstricke bei der Durchsetzung von Gewährleistungsbürgschaften

Sicher ist sicher!

Fallstricke bei der Durchsetzung von Gewährleistungsbürgschaften

Auftraggeber von Bauvorhaben müssen vorsorgen. | © lassedesignen - Fotolia
Auftraggeber von Bauvorhaben müssen vorsorgen. | © lassedesignen - Fotolia

In der Praxis ist für den Auftraggeber eines Bauvorhabens die Sicherung seiner Mängelansprüche gegen den Unternehmer von zentraler Bedeutung.

Wegen der Vielzahl von Insolvenzen in der Baubranche, die auch vor den „großen Playern“ in der Vergangenheit nicht Halt gemacht hat, ist jeder Auftraggeber gut beraten, ein besonderes Augenmerk auf Sicherheiten zu legen. Dies gilt neben der vertraglichen Vereinbarung von Sicherheiten insbesondere auch für deren Durchsetzung. Die Rechtsprechung ist in diesem Bereich immer noch im Fluss und stellt regelmäßig mit neuen Entscheidungen weitere Anforderungen auf, die zu beachten sind. Folge ist, dass die Inanspruchnahme von Bürgschaften im Ernstfall häufig scheitert, weil sich der Bürge erfolgreich auf eine Verjährung der Bürgschaft oder gar deren Unwirksamkeit beruft. Einige exemplarische Fallstricke bei der Durchsetzung von Bürgschaftsansprüchen wollen wir nachfolgend aufzeigen:

Prüfungspflicht des Auftraggebers bei Zugang der Bürgschaft?

Vorsicht ist bereits bei der Entgegennahme einer Bürgschaft geboten. Diese sollte unverzüglich inhaltlich geprüft werden und zwar bevor ein etwaiger Sicherheitseinbehalt herausgegeben wird. Hintergrund hierfür ist, dass in der Rechtsprechung bis heute nicht abschließend geklärt ist, ob dem Auftraggeber eine Prüfungspflicht hinsichtlich der ihm vom Unternehmer übersandten Bürgschaft obliegt. Die Prüfung sollte sich daher neben der ohnehin zwingend erforderlichen Prüfung des Umfangs der Bürgschaft (insbesondere Benennung der Parteien, Benennung der Bürgschaftsart als Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaft, Benennung des Vertrages, Benennung des Gewerks) auch auf die Prüfung auf Übereinstimmung mit der Sicherungsabrede im Vertrag erstrecken. Liegt keine Übereinstimmung vor, droht eine Unwirksamkeit, zumindest jedoch das Risiko, dass der geltend gemachte Anspruch von dem Umfang der Bürgschaft nicht gedeckt ist.


Der Auftraggeber sollte daher in diesem Fall die Bürgschaft zurückweisen, eine neue Bürgschaft fordern und den Sicherheitseinbehalt nicht auszahlen.

Abnahme der Werkleistung

Ein weiterer Zeitpunkt, der für die Wirksamkeit der Bürgschaft von Bedeutung sein kann, ist die Abnahme. Auch bei der Abnahme sind im Hinblick auf Bürgschaftsansprüche des Gläubigers einige Punkte zu beachten. Sieht beispielsweise der Bauvertrag eine förmliche Abnahme vor und sichert die Bürgschaft Mängelansprüche für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Leistungen, muss der Auftraggeber auch tatsächlich eine förmliche Abnahme nach VOB/B durchführen. Wird dies – wie häufig in der Praxis – unterlassen, ist eine Inanspruchnahme des Bürgen wegen Gewährleistungsansprüchen später ausgeschlossen (OLG Frankfurt, Urt. v. 30.11.2006, Az. 4 U 140/06; OLG Celle, Beschl. v. 24.05.2007, Az. 13 O 223/06). Grund für diese Rechtsprechung ist, dass der Bürge regelmäßig nur für die ihm bei Abgabe der Bürgschaft bekannten Risiken einstehen will und ohne seine Zustimmung der Bürgschaftsinhalt von den Bauvertragsparteien nicht verändert werden kann (Verbot des Vertrages zu Lasten Dritter).

In diese Richtung weist auch eine neuere Entscheidung des OLG München (Beschl. v. 24.01.2011, Az. 13 U 3970/10). Das OLG München hat entschieden, dass der Gewährleistungsbürge dann nicht haftet, wenn die Vertragsparteien nach Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft ein bauvertragliches Konzept zur Abnahme/Gewährleistung, welches in dem Bauvertrag detailliert wiedergegeben war, wesentlich abändern.

Inanspruchnahme der Bürgschaft

Umsicht ist darüber hinaus bei der Inanspruchnahme des Bürgen geboten. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Urteil (Urt. v. 10.02.2011, Az. VII ZR 53/10) entschieden, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, dem Bürgen auf Nachfrage Informationen zu seinen Gewährleistungsansprüchen gegen den Bauunternehmer zur Verfügung zu stellen, wenn der Bürge diese für eine zuverlässige Prüfung der geltend gemachten Forderung benötigt. Zwar hat der BGH in diesem Rahmen zugleich betont, dass auch der Bürge im Falle fehlender Informationen nicht untätig bleiben darf. Die Entscheidung lässt jedoch bewusst offen, ob der Bürge auch direkt beim Bauunternehmer Erkundigungen einziehen muss.

Verjährung des Bürgschaftsanspruchs

Die Inanspruchnahme des Bürgen scheitert schließlich immer häufiger an der Verjährung der Bürgschaftsforderung. Wichtig für den Auftraggeber ist dabei, dass die Verjährung der Bürgschaft grundsätzlich unabhängig von der Verjährung der Gewährleistungsansprüche gegen den Bauunternehmer ist. Der Auftraggeber muss daher zwei Verjährungsfristen im Auge behalten. Zum einen die Verjährungsfrist für seine Mängelansprüche gegen den Unternehmer, zum anderen die Verjährungsfrist für Ansprüche aus der Gewährleistungsbürgschaft. So hemmt beispielsweise ein selbständiges Beweisverfahren oder eine Klage gegen den Bauunternehmer nicht eine laufende Verjährungsfrist gegenüber dem Bürgen. Gleiches gilt hinsichtlich eines Verjährungsverzichts, der nur vom Bauunternehmer abgegeben wird. Der Auftraggeber muss daher stets auch gesonderte verjährungshemmende Maßnahmen gegenüber dem Bürgen ergreifen.

Hinsichtlich des Verjährungsbeginns besteht in der Rechtsprechung zwischenzeitlich Einigkeit, dass dieser für Ansprüche aus einer Gewährleistungsbürgschaft frühestens dann eintreten kann, wenn gegen den Bürgen ein Zahlungsanspruch besteht. Unklar ist hingegen, ob dies bereits mit fruchtlosem Ablauf einer gesetzten Mängelbeseitigungsfrist der Fall ist, oder ob weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen. Das OLG Frankfurt hat in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 04.01.2011, Az. 8 U 47/10) die Auffassung vertreten, dass der Nachbesserungsanspruch des Auftraggebers dann in einen Zahlungsanspruch übergeht, wenn eine vom Auftraggeber gesetzte Mängelbeseitigungsfrist mit Ablehnungsandrohung fruchtlos verstreicht. Ist die Fristsetzung nicht mit einer Ablehnungsandrohung verbunden, soll der Anspruch gegen den Bürgen erst mit Inanspruchnahme des Unternehmers auf Zahlung von Geld (Erstattung von Ersatzvornahmekosten oder Kostenvorschuss) entstehen.

Da diese Frage bisher vom BGH noch nicht entschieden wurde, hat das OLG Frankfurt die Revision zum BGH zugelassen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung des BGH sollte der vorsichtige Auftraggeber sicherheitshalber davon ausgehen, dass die Verjährung der Ansprüche gegen den Bürgen bereits mit fruchtlosem Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist beginnt.

Entschieden hat der BGH hingegen gerade (Urt. v. 10.02.2011, Az. VII ZR 53/10), dass der Verjährungsbeginn gegenüber dem Bürgen keine Leistungsaufforderung oder sonstige Kontaktaufnahme mit diesem voraussetzt. Entgegen häufig verbreiteter Ansicht ist es demnach für die Verjährung gegenüber dem Bürgen unbeachtlich, wann dieser erstmalig zur Zahlung aufgefordert wurde oder wann eine Zahlung durch den Bürgen schriftlich abgelehnt wurde.

Fazit

Banken und Versicherungen stemmen sich stets mit ganzer Macht gegen die Inanspruchnahme aus bauvertraglichen Bürgschaften. Durch die Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte stehen ihnen hierfür zahlreiche Ansatzpunkte zur Verfügung. Der umsichtige Auftraggeber sollte daher unbedingt schon während des Bauvorhabens und insbesondere vor dem Erfordernis der Inanspruchnahme einer Bürgschaft deren Wirksamkeit sicherstellen und stets eine parallele Inanspruchnahme des Bürgen neben dem Bauunternehmer prüfen.

 

Dr. Olaf Kreißl

Rechtsanwalt, SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
 

Jan Prielipp

Rechtsanwalt, SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
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