15.06.2011

Betriebliche Altersversorgung

Ausschreibungspflichten für öffentliche Arbeitgeber

Betriebliche Altersversorgung

Ausschreibungspflichten für öffentliche Arbeitgeber

Ohne EU-weite Ausschreibung vergebene Versicherungsverträge („Direktvergaben“) sind unwirksam. | © vaso - Fotolia
Ohne EU-weite Ausschreibung vergebene Versicherungsverträge („Direktvergaben“) sind unwirksam. | © vaso - Fotolia

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur betrieblichen Altersversorgung (EuGH, Urt. v. 15.07.2010, Az.: C-271/08) ist mittlerweile nicht mehr „brandaktuell“. Dennoch scheint es noch nicht bei allen öffentlichen Auftraggebern angekommen zu sein. Dies zeigt eine aktuelle Mitteilung der Europäischen Kommission (IP/11/287) vom 14.03.2011: Nach deren Meinung haben die deutschen Behörden das Urteil nicht umgesetzt. Der Bundesrepublik Deutschland drohen erhebliche Strafzahlungen.

Zum Hintergrund

Im Jahr 2003 vereinbarten die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) und die Gewerkschaft ver.di (Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft) tarifvertraglich, dass die Entgeltumwandlung durch die kommunalen Arbeitgeber über öffentliche Zusatzversorgungseinrichtungen, Mitglieder der Sparkassen-Finanzgruppe oder Kommunalversicherer zu erfolgen hat. Die Entgeltumwandlung erfolgte ohne vorherige Ausschreibung direkt über Dienstleister, welche den drei genannten Gruppen angehörten.

Der EuGH stellte (nach Klage der Kommission im Jahre 2007) im o.g. Vertragsverletzungsverfahren fest, dass Deutschland gegen seine Verpflichtungen aus dem EU-Vergaberecht verstoßen hat, weil es Verträge über die betriebliche Altersversorgung aufgrund dieses Tarifvertrags ohne europaweite Ausschreibung direkt vergeben hat.


Damit ist klargestellt, dass diese Verträge der Ausschreibungspflicht nach der Vergabekoordinierungsrichtlinie (VKR) unterliegen. Die Ausschreibungspflicht betrifft alle (nicht nur die kommunalen) öffentlichen Auftraggeber. Die Praxis zeigt, dass den zukünftigen Versicherten nach Ausschreibungen oft bessere Konditionen angeboten werden als zuvor.

Schwellenwert erreicht?

Die Pflicht zu einer europaweiten Ausschreibung nach VOL/A-EG mit der Möglichkeit einer Kontrolle durch die jeweilige Vergabekammer besteht erst, wenn der einschlägige Schwellenwert erreicht ist. Dies sind momentan 193.000 EUR netto. Die Berechnung des Auftragswertes richtet sich nach der geschätzten Höhe der Versicherungsprämien über die Auftragslaufzeit. Bei unbefristet laufenden Verträgen oder Verträgen mit Verlängerungsoption sind der Berechnung i.d.R. 48 Monate zugrundezulegen (§ 3 VgV).

Ausschreiben ja – nur wie?

Die betriebliche Altersversorgung ist im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) geregelt und kann auf mehreren Wegen durchgeführt werden. Dies sind neben der Direktzusage des Arbeitgebers die sogenannten mittelbaren Durchführungswege, nämlich Unterstützungskasse, Pensionskasse, Direktversicherung und Pensionsfonds. Welcher Durchführungsweg gewählt wird, hängt von diversen Faktoren ab: Neben allgemeinen unternehmenspolitischen Erwägungen sind steuer- und bilanzrechtliche Gründe ausschlaggebend. Der Arbeitnehmer kann je nach persönlicher Situation (Entgelthöhe, steuerliche Faktoren) auch zwischen verschiedenen Durchführungswegen wählen bzw. diese kombinieren, soweit sie vom Arbeitgeber angeboten werden. Bei der Ausschreibung zeigen sich in der Praxis diverse Probleme, für die im Folgenden Lösungsansätze umrissen werden.

Wahl der Durchführungswege

Es bietet sich an, aus den genannten Durchführungswegen diejenigen vorzugeben, die den Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern möglichst entgegenkommen. Diese Entscheidung ist vom Auftraggeber (ggf. unter Einschaltung eines sachverständigen Versicherungsberaters) vor der Ausschreibung zu treffen. Pensionszusage und Pensionsfonds werden teilweise als ungeeignet angesehen, weil sie ggf. schlecht kalkulierbare Risiken für den Arbeitgeber enthalten. Pensionskasse und Direktversicherung sind in der Praxis einfacher zu handhaben. Bei Letzterer gibt es aber steuerliche Obergrenzen für die Beiträge. Werden diese Obergrenzen überschritten (bei Arbeitgeberfinanzierung und auch bei Gehaltsumwandlung), bietet sich ergänzend die Unterstützungskasse an. Die Wahl der Durchführungswege ist – wie die anderen Verfahrensschritte – ausführlich begründet im Vergabevermerk zu dokumentieren.

Provision, Courtage

Als unzulässig (OLG Celle, Beschl. v. 01.03.2001, 13 Verg 1/01) wird erachtet, die Versicherung, welche als Bieter auftritt, zur Zahlung einer Maklercourtage zu verpflichten mit der Begründung, dass der Makler Betreuungsaufgaben nach Vertragsschluss erledige. Dies stelle einen Verstoß gegen das Wettbewerbsprinzip dar.

Teilnahme von Versicherungsvermittlern

Der Oberbegriff Versicherungsvermittler (§ 59 VVG) umfasst die beiden Vermittler-Haupttypen; den (gebundenen) Versicherungsvertreter und den (unabhängigen) Makler. Die Teilnahme von Versicherungsvermittlern an Ausschreibungen ist grundsätzlich zulässig (s. VK Lüneburg, Beschl. v. 07.03.2010 , VgK-73/2010). Zu beachten sind die Vorgaben des Gewerberechts und des Rechtsdienstleistungsgesetzes.

Unerlaubte Rechtsberatung

Fragen der betrieblichen Altersversorgung betreffen verschiedene Rechtsgebiete. Tangiert werden Sozial-, Steuer-, Arbeits- und Zivilrecht. Je nach Tätigkeit im Bereich der betrieblichen Altersversorgung erbringen Versicherungsvermittler ggf. Rechtsdienstleistungen, ohne hierzu befugt zu sein. Dies stellt neben einer Ordnungswidrigkeit einen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht dar, der abgemahnt werden kann. Ebenso sind Verträge mit dem Kunden ggf. nichtig. Vergütungsansprüche können zurückgefordert werden.

Genehmigung nach § 34 d Abs. 1 GewO

Die Vermittlung von Versicherungen ist erlaubnispflichtig. Auf dem Versicherungsmarkt treten immer wieder Verbände oder andere Organisationen auf, welche Versicherungen vermitteln, ohne die dafür erforderliche Genehmigung zu besitzen. Dies kann ebenfalls zu diversen Ordnungswidrigkeiten nach § 144 GewO führen. Zudem stellt die Versicherungsvermittlung ohne die notwendige Erlaubnis einen Wettbewerbsverstoß dar. Folge dessen sind Ansprüche auf Unterlassung, Schadenersatz und Gewinnabschöpfungen.

Rechtsverstöße – Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit

Wenn in Vergabeverfahren von Versicherungsvermittlern als Bieter (z. B. mit Vollmacht des Risikoträgers) Angebote abgegeben werden, muss im Einzelnen geprüft werden, ob Verstöße gegen das Rechtsberatungsgesetz und/oder gegen die gewerberechtliche Erlaubnispflicht vorliegen. Wenn dies der Fall ist, kann der Bieter als unzuverlässig i.S.d. Vergaberechts angesehen werden. Dies eröffnet der Vergabestelle einen Ausschlusstatbestand bzgl. des Angebotes.

Verfahrensart, Beauftragung mit der Ausschreibung

Wenn der Leistungsgegenstand abschließend beschrieben werden kann, ist das sog. „offene Verfahren“ zu wählen. Bei diesem darf jeder ausreichend geeignete Bieter ein Angebot abgeben. Das offene Verfahren ist der Regelfall (bzgl. Versicherungsdienstleistungen s. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.10.2000 – Verg 3/00). Nur wenn die vertraglichen Spezifikationen der betrieblichen Altersversorgung nicht hinreichend genau festgelegt werden können, ist ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb denkbar. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Die Übertragung eines Vergabeverfahrens auf einen Versicherungsmakler wird als vergaberechtlich unzulässig erachtet, weil dabei Interessenkollisionen entstehen können, welche dann zu einem Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot führen (hierzu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.10.2000 – Verg 3/00). Bei der Durchführung der Ausschreibung ist zu beachten, dass man für die Eignungsprüfung der Bieter keinen „bunten Strauß“ an Unterlagen, Bestätigungen und Nachweisen verlangt, sondern passgenau nur diejenigen, die auftragsbezogen etwas über die Eignung der Bieter aussagen. Grundsätzlich sind Eigenerklärungen zuzulassen, um den Verwaltungsaufwand beim Bieter möglichst gering zu halten.

 

René M. Kieselmann

Rechtsanwalt SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
 

Ermbrecht Rindtorff

Rechtsanwalt, Steuerberater SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
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