Regulierung von Marktmacht
Europäische Richtlinie über Flughafenentgelte steht zur Umsetzung an
Regulierung von Marktmacht
Europäische Richtlinie über Flughafenentgelte steht zur Umsetzung an
Flughafenentgelte, die für die Nutzung der Start- und Landebahnsysteme sowie der Terminals von den Fluggesellschaften an die Flughafenbetreiber entrichtet werden müssen, sind derzeit in aller Munde. Zugleich sind auch die Nutzungsentgelte, die Flughafenbetreiber beispielsweise für den Betrieb von Treibstoffversorgungs-, Gepäck- oder Enteisungsanlagen fordern, in die öffentliche Diskussion geraten. In beiden Bereichen besteht eine erhebliche Marktmacht der Anbieter von Flughafenleistungen, die Preissetzungsspielräume eröffnet. Dies kann die Notwendigkeit einer Regulierung von Entgelten im Flughafensektor begründen. Eine entsprechende Marktmacht sagt man den Flughäfen in Frankfurt und München, jedoch auch den Flughäfen in Berlin, Hamburg und Stuttgart nach. Mit der Erweiterung des Großflughafens Berlin Brandenburg International erfolgte dort jüngst eine Entgeltregulierung.
Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für Flughafenentgelte finden sich bislang in § 43 a LuftVZO und § 315 BGB. Hierin fließen Regelungen des Völker- und Europarechts sowie des Kartellrechts ein (§§ 19, 20 GWB). § 43 a LuftVZO ordnet eine öffentlich-rechtliche Genehmigungspflicht bezüglich der Entgeltordnung an, soweit sie sich auf das Starten und Landen sowie die Nutzung der Fluggasteinrichtungen bezieht. Der Anspruch des Flughafenbetreibers auf Zahlung der Start- und Landeentgelte folgt aus einem privatrechtlichen Vertrag, der mit der Fluggesellschaft durch die Benutzung des Flughafens zustande kommt. Im Rahmen eines solchen Vertragsverhältnisses ist der Flughafenbetreiber berechtigt, gemäß § 315 BGB die Leistungen einseitig zu bestimmen. Hierbei ist er an die Grundsätze billigen Ermessens gebunden. Die behördliche Genehmigung der Entgeltordnung bindet die Zivilgerichte im Rahmen der Inhaltskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB nicht. Auch bei erteilter öffentlich-rechtlicher Genehmigung konnten die Zivilgerichte bislang die Entgeltordnung als unbillig und damit als nicht verbindlich bewerten.
Entgelt-Richtlinie
Nach über dreijährigen Beratungen hat der europäische Gesetzgeber am 15.03.2009 die Richtlinie über Flughafenentgelte (Richtlinie 2009/12/EG) verabschiedet, die bis zum 15.03.2011 in nationales Recht umgesetzt werden musste. Die Richtlinie soll einen eventuellen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Flughäfen unterbinden. Sie legt eine Informationspflicht für Flughafenbetreiber sowie ein einheitliches und transparentes Verfahren zur Berechnung der Gebühren fest. Zudem müssen Flughafenbetreiber die Fluggesellschaften nun bei der Festsetzung von Entgelten umfassend konsultieren. Bemerkenswert ist, dass die Richtlinie sich jedoch nicht auf die eingangs erwähnten Nutzungsentgelte erstreckt.
Umsetzungsbemühungen
Der deutsche Verordnungsgeber hat bereits im Jahre 2009 einen Referentenentwurf für eine 14. Verordnung zur Änderung der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung vorgelegt, um die Entgeltrichtlinie umzusetzen. Wesentlicher Inhalt des Referentenentwurfs war die Änderung von § 43 a LuftVZO, der die Genehmigungspflicht betrifft. Hiernach soll – wie bisher – der Flughafenbetreiber die Entgeltregelung der Landesluftfahrtbehörde zur Genehmigung vorlegen. Der Referentenentwurf sah eine Anlage zu § 43 a LuftVZO vor, die spezifische Regelungen enthielt, die sowohl der Flughafenbetreiber bei der Konzeption seiner Entgeltordnung als auch die Behörde bei deren Prüfung zu beachten hatten. Dadurch sollte insbesondere dem Diskriminierungsverbot Rechnung getragen werden. Ein höheres Maß an Transparenz für die Flughafennutzer sollte durch vom Flughafenbetreiber regelmäßig zu erteilende Informationen erreicht werden, wie und auf welcher Grundlage Flughafenentgelte berechnet werden. Um dem Flughafenbetreiber zu ermöglichen, die Anforderungen an künftige Investitionen ordnungsgemäß zu bewerten, sah der Referentenentwurf vor, dass die Flughafennutzer dem Flughafenbetreiber ihre Betriebsprognosen, Entwicklungsprojekte und -vorschläge rechtzeitig mitzuteilen hatten. Die Flughafenbetreiber sollten im Gegenzug über größere Infrastrukturvorhaben frühzeitig unterrichten.
Keine zentrale Regulierungsbehörde
Ursprünglich wurde diskutiert, die Entgeltgenehmigung auf eine zentrale Regulierungsbehörde zu übertragen. Der Referentenentwurf sah jedoch die Landesluftfahrtbehörden – auch wenn einige Länder an Flughafenunternehmen beteiligt sind – als unparteiliche und unabhängige Genehmigungsbehörden an. Diese sollten bei der Kontrolle der Entgelte das Kostendeckungsprinzip, verkehrspolitische Aspekte sowie das billige Ermessen nach § 315 BGB berücksichtigen. Zudem sollte geprüft werden, ob den gesetzlichen Transparenzvorgaben sowie dem Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit Rechnung getragen wird. Eine Regulierung im engeren Sinne sah der Referentenentwurf damit ebenso wenig vor wie eine zentrale Regulierungsbehörde.
Angemessene Entgelte gefordert
Trotz der überschrittenen Frist zur Umsetzung der Richtlinie über Flughafenentgelte beabsichtigt der Bundesgesetzgeber nunmehr, statt der Änderung der LuftVZO ein formelles Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes zu präsentieren. Mit diesem Gesetz sollen – unter anderem – weitergehende Regelungen des Verfahrens zur Genehmigung von Flughafenentgelten zur Umsetzung der Richtlinie durch Änderung des LuftVG eingeführt werden. Durch einen neu geschaffenen § 19 b des LuftVG soll direkt im LuftVG verankert werden, dass Entgeltregelungen der Genehmigungsbehörde zur Genehmigung vorzulegen sind. Die bisherige Bestimmung in § 43 a LuftVZO soll aufgehoben werden. Nach wie vor geht der Bundesgesetzgeber davon aus, dass die Richtlinie, die zur Umsetzung ansteht, einen gemeinsamen Rahmen geschaffen hat, der die wesentlichen Merkmale von Flughafenentgelten und deren Festsetzung regelt. Eine Differenzierung der Entgelte soll bei Belangen von öffentlichem und allgemeinem Interesse, einschließlich des Umweltschutzes, möglich sein; eine solche Differenzierung muss jedoch auf sachbezogenen und nachvollziehbaren Kriterien beruhen, die geeignet, objektiv und transparent sind. Demgemäß verwendet der Entwurf vor allem das Kriterium der „Angemessenheit“. In Bezug auf die konkrete Leistungserbringung soll die Bemessung der Entgelte jedoch nunmehr auch den „Grundsätzen einer effizienten Wirtschaftsführung“ entsprechen. Dieses Kriterium stößt nicht nur bei den Flughafenbetreibern, sondern auch bei den Genehmigungsbehörden auf Widerstand. Zwar schränkt der neue Gesetzesentwurf die hierfür geltenden Maßstäbe ein und bezieht sich vor allem auf die von den Zivilgerichten in ständiger Rechtsprechung bei der Überprüfung der Entgelthöhe gemäß § 315 BGB zugrunde gelegten Maßstäbe. Es wird jedoch nicht klar, was das Kriterium einer effizienten Wirtschaftsführung im Einzelnen bedeutet und welche Prüfungsanforderungen für die Luftfahrtbehörden sich hieraus ergeben. Man kann daher gespannt sein, wie der Gesetzgeber auf die teils kritischen Stellungnahmen der betroffenen Kreise seinerseits reagiert und wann das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein wird.
Nutzungsentgelte auf dem Prüfstand
Ebenfalls mit Spannung erwartet wird eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu sogenannten Nutzungsentgelten. Diese sind nicht nach § 43a LuftVZO genehmigungspflichtig, unterliegen aber vor allem den europäischen und nationalen Vorschriften über die Bodenabfertigung. Dabei wird die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Flughafenbetreiber Entgelte von Dienstleistern oder Fluggesellschaften für die Nutzung von Flughafeninfrastrukturen erheben dürfen, seit mehr als zehn Jahren kontrovers diskutiert. Die Thematik war bereits mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen (vgl. EuGH, Urt. v. 16.10.2003 – C-363/01 und Urteil vom 05.07.2007 – C-181/06). Es wurden aber keineswegs alle für die Erhebung von Nutzungsentgelten wesentlichen Rechtsfragen geklärt. In seiner Entscheidung vom 26.07.2010 (23 U 4/09) hat das Kammergericht Berlin Flughafenbetreiber derzeit als gehindert angesehen, überhaupt Nutzungsentgelte einfordern zu können.
Keine Rechtsgrundlage?
Das KG verneinte einen vertraglichen Anspruch des Flughafenbetreibers und sah § 9 Abs. 3 Bodenabfertigungsdienst-Verordnung (BADV) verletzt; danach dürfen nur solche Zugangsentgelte mit Bodenabfertigern vereinbart werden, die nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nicht diskriminierenden Kriterien festgelegt wurden. Die Forderung, dass die Entgelte nach transparenten Kriterien festzulegen sind, besage nicht nur, dass die festgelegten Entgelte allen Nutzern, also den Fluggesellschaften und allen Bodenabfertigern, offengelegt werden müssen. Sie besage vielmehr auch, dass die zur Berechnung der Entgelte herangezogenen Bezugsgrößen und Anknüpfungspunkte für die Betroffenen durchschaubar und nachvollziehbar sein müssen. Dies sei dann nicht der Fall, wenn die von dem Flughafenbetreiber vorgenommene höchst komplizierte Ableitung der Nutzungsentgelte aus nicht offengelegten Zahlen seiner internen Kostenrechnung folgt und somit die erforderliche Transparenz nicht hergestellt wurde. Nach Auffassung des Gerichts sei jedoch letztlich entscheidend, dass die BADV keine ordnungsgemäße Umsetzung des europäischen Richtlinienrechts beinhalte und es damit schon dem Grunde nach an einer belastbaren Grundlage für die Erhebung der Nutzungsentgelte fehle. Über die Rechtmäßigkeit dieser Einschätzung hat nunmehr der BGH zu befinden.
Entwertung von Eigentumsrechten
Die Entscheidung des KG ist kritisch zu sehen. Sie berück-sichtigt nicht, dass Flughafenbetreiber aufgrund ihres Eigentumsrechts Zugangsbedingungen für Einrichtungen und damit auch Nutzungsentgelte festlegen können. Nach Auffassung des KG müsste der Flughafenbetreiber mangels spezieller gesetzlicher Grundlage den Dienstleistern und sonstigen Nutzern seine Infrastruktureinrichtungen – zumindest derzeit – kostenlos zur Verfügung stellen. Dies widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, entwertet das Eigentumsrecht der Flughafenbetreiber und wird allenfalls dazu führen, dass die Flughäfen – schon mangels Realisierbarkeit eines Gewinninteresses – nur noch das notwendigste in ihre Infrastrukturen investieren. Dies aber liegt nicht im Interesse der Flughafennutzer. Ein Pyrrhussieg?